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Brief an L. und M.

Brief eines politischen Gefangenen über das Massaker an politischen Gefangenen 1992 im Gefängnis Canto Grande und die anschließende Verlegung ins Gefängnis Yamamayo (2)


Mittwoch, 6. Mai

"Stufe rot! Stufe rot! Stufe rot!" Inmitten allgemeiner Unruhe ertönte eine Stimme: "Es sind zwei Truppentransporter mit 150 bis 200 bewaffneten Polizisten angekommen!" Im Gefängnis hörte man Geräusche wie das Öffnen und Schließen Hunderter von Türen und das Klappern von großen Holzkisten. Bis heute ist es uns unerklärlich, woher so viele Sandsäcke auftauchten, mit denen die Türen und Fenster der vier Stockwerke abgeschottet wurden, und wir konnten in den wenigen Minuten, die die Verbarrikadierung dauerte, weder nachvollziehen, wie die Sicherheitssysteme an den Fenstern und Belüftungsöffnungen an den Wänden angelegt und aufgebaut waren, noch wie sich die Zellen der vier Stockwerke in eine gigantische Kampfmaschine aus 425 Herzen verwandelte, in der jeder Ort, jeder Punkt und vor allem jeder Mann eine wichtige Rolle spielte.

"Das muss eine Übung sein", dachte ich. "Da die Besuchszeit um 9 Uhr beginnt, üben sie sicherlich, um immer vorbereitet zu sein und nicht überrascht zu werden." Einer der Delegierten näherte sich uns und teilte uns in zwei Gruppen auf. "Eine in den dritten Stock, die andere in den zweiten." Er ernannte auch Verantwortliche. Wir machten uns daran, unsere Sachen einzusammeln, um nach oben zu gehen, als eine durchdringende Explosion aus dem Pavillon 1A uns und das gesamte Gebäude 4B erschütterte. In den Tagen zuvor hatte die Regierung durch ihr Oberhaupt K. F. angekündigt, dass "die weiblichen Häftlinge wegen Terrorismus, die Sendero Luminoso zugerechnet werden, in ein neu erbautes Gebäude mit Einzelzellen im Gefängnis 'Santa Monica' im Distrikt Chorrillos verlegt werden". Wie die Dinge lagen, war diese Verlegung nur ein Vorwand, um einen neuen Massenmord gegen die Kriegsgefangenen zu verüben. Die weiblichen Gefangenen hatten ihre Position offen verkündet: "Wir widersetzen uns nicht einer Verlegung, doch wir wollen Garantien, die Anwesenheit unserer Angehörigen, Anwälte und des Internationalen Roten Kreuzes."

Ein starkes Polizeiaufgebot umringte den Eingang des Pavillons 1A. Der befehlshabende Offizier schrie: "Kommt heraus. Wir werden die Verlegung durchzuführen." Gleichzeitig warf die Polizei Dutzende von Tränengasbomben durch die Fenster und die Tür der Kabine im Erdgeschoss, einem halbrunden Raum zwischen den Absätzen der Treppe, die das Erdgeschoss mit dem ersten Stock verbindet. Die Antwort der Gefangenen ließ nicht auf sich warten. Sie verschlossen die Türen, blockierten die Fenster, verbarrikadierten sich und riefen Parolen: "Die Verlegung nach Santa Monica ist ein Vorwand zum Massenmord!" "Unsere Entscheidung: Heldenhafter Widerstand! Heldenhafter Widerstand! Unser Versprechen: Wir geben unser Leben für die Partei und die Revolution!" Die Lage war kritisch. Die Dutzenden von Tränengasbomben zeigten ihre Wirkung, und viele befanden sich kurz vor dem Ersticken. Dort hielten sich auch rund 70 männliche Gefangene auf. Aus Platzmangel und mit dem Wissen der Gefängnisleitung begaben sie sich jeden Tag in den Pavillon 1A und richteten sich im Bereich der Kabinen der vier Stockwerke ein. Die erste Explosion und die drei folgenden hatten außerdem einen größeren Brand verursacht. Rauch und Tränengas erfüllten die Luft, mehrere Gefangene wurden ohnmächtig und die Genossen der Sanitätskommission kümmerten sich um sie, während andere gegen das Tränengas Decken schwenkten, um dem Raum Luft zurückzuführen. Mehrere Löschzüge trafen ein und versuchten, das Feuer zu löschen. Das Vorgehen und die Bewaffnung der Polizisten verriet die Absicht der Regierung: Verlegung der weiblichen Gefangenen, ja, aber nur der Überlebenden. Auf die ersten Explosionen folgte Gewehrfeuer, das immer dichter wurde. Was als eine fulminante Überraschungsaktion gedacht war, wurde beim ersten Anlauf gestoppt. Alle ihre Berechnungen und Planungen erwiesen sich als falsch. Die Verlegung konnte nicht durchgeführt werden, wie sie es geplant hatten. Die Flammen waren bereits durch das Löschwasser der Feuerwehr erstickt worden. Es war etwa 9 Uhr, als der Offizier, der die Operation anführte, anordnete, den Pavillon 1A von der Seite der gesprengten und ausgebrannten Kabine her zu stürmen. Zwischen verbogenen und qualmenden Metallteilen, Ziegelschutt und Trümmern der Wände sah man ein riesiges Loch, dahinter der Gang, an dem die Zellen des ersten Stocks liegen, und die Wand, die an den Innenhof des Gebäudes grenzt. Dort pressten sich Dutzende der weiblichen Gefangenen an die Wand auf der Suche nach Deckung vor den Kugeln und Splittern, die durch das Fenster eindrangen. Andere suchten in den Zellen Schutz vor den Schüssen und Gasen. Im Pavillon 4B befanden sich bei der ersten Explosion bereits alle auf ihren Kampfposten. Die Verteidigung war etagenweise organisiert, und das Beobachtungs- und Kommunikationssystem war beeindruckend und funktionierte reibungslos. 4:30 Uhr, 5 Uhr, 6 Uhr, 7 Uhr, 8 Uhr, 9 Uhr früh. Seitdem waren mit Unterbrechungen vereinzelte Gewehrsschüsse und Maschinengewehrsalven, Detonationen von Granaten und Tränengasbomben zu hören. Als Antwort erschallte aus beiden Pavillons der ohrenbetäubende Lärm des rhythmischen Schlagens mit Eisenstangen und Dosen auf Gittertüren, Fenster, den Fußboden, Bettgestelle, der anschwoll, sich durch sein Echo vervielfachte und in den Fluren, Versorgungsschächten, auf das Rondell, die anderen Pavillons, die umliegenden Anhöhen, die Straße und die ganze Welt ausbreitete. Daneben hallten die politischen Losungen, Forderungen und Parolen wider, die auf eine psychologische Wirkung auf die Truppen der Reaktion abzielten, und kündeten von der eisernen Entschlossenheit, den heldenhaften Widerstand bis zum Ende durchzuhalten. "Es lebe der Vorsitzende Gonzalo, Chef der Partei und der Revolution!" "Es lebe der Marxismus-Leninismus-Maoismus und die Gonzalogedanken!" "Es lebe die Kommunistische Partei Perus!" "Nieder mit dem Plan des Massenmords, entworfen vom US-Imperialismus, ausgeführt von Fujimori und seiner mörderischen Armee und Polizei!" "Einfache Soldaten und Polizisten, ihr bekommt einen Hungerlohn, sie benutzen euch als Bluthunde und behandeln euch wie Dreck, verweigert die Befehle eurer korrupten Vorgesetzten!" "Einfache Soldaten, seid nicht der Dolch gegen euer eigenes Volk. Verweigert die Befehle eurer korrupten Vorgesetzten!" "Offiziere, Völkermörder, uniformierte Schurken, Salonlöwen, Zieraffen, mutig beim Töten, feige beim Sterben, der Volkskrieg wird euch zermalmen!" "Fujimori, Völkermörder, Vaterlandsverkäufer, der Volkskrieg wird dich zermalmen!" "Unsere Entscheidung:... Unser Versprechen:...!" So sah der ungleiche Austausch der ersten Stunden aus. Um etwa 8 Uhr erhielten wir die Nachricht, dass der massive Angriff der Polizei erste Opfer gefordert hatte, und eine neue traurige Losung wurde der Stimme der Hunderten von Kriegsgefangenen hinzugefügt: "Ruhm den gefallenen Heldinnen! Es lebe die Revolution!" Eine Erschütterung, die uns von Kopf bis Fuß erfasste, und ein Energieschub, der den Geist durchdrang und den Kampfwillen verstärkte, durchliefen den "Gefechtsstand". Jeder fühlte sich, als ob ein Stück von ihm selbst verwundet worden, gestorben war, und der gesamte revolutionäre Organismus aus Hunderten von Kriegsgefangenen reagierte mit erhöhtem Kampfgeist, einem Auflodern des Klassenhasses, der Anspannung aller Kräfte und verstärktem Widerstand. "Man kann die Revolution nicht im Blut ertränken, es nährt sie!" "Massenmörder, Vaterlandverkäufer Fujimori, Oberkommando der Armee, Ministerrat, Streitkräfte und Polizei, ihr seid die Verantwortlichen für das Massaker an den Kriegsgefangenen, der Volkskrieg wird euch zermalmen!" Wir hatten geglaubt, dass wir alle an diesem Mittwoch, den 6. Mai, unseren Besuch begrüßen und an uns drücken würden. Vielleicht würden wir viele Genossinnen, insbesondere diejenigen, die wir von vorher kannten oder mit denen wir die Tage der Haft bei der Polizei geteilt hatten, nicht wieder sehen. Wir waren sicher, dass sie uns in gleichem Maße erwarteten. Die Erschütterung und die Spannung der Konfrontation ließ weder Zeit noch Raum, damit dies auf die Art geschehen würde, wie wir es uns vorgestellt hatten.

"Der Besuch ist draußen und drängt darauf, hereingelassen zu werden, und die Polizei hat Verstärkung herangeschafft", berichtete einer der Späher. Die Stimme kann von einem der Beobachtungsposten, der Kabinen im zweiten Stock des Pavillons 4B, und in diesem Moment war eine Salve aus einem AKM-Gewehr zu hören. Die Schüsse prallten an der Abdeckung ab, doch einer durchschlug das Loch des Ausgucks und traf Cesar Augusto in den Kopf. "Sanitäter, Sanitäter, es gibt einen Verwundeten." Der Verletzte wurde von vier Genossen an mir vorbei getragen. Die Kugel war mitten in die Stirn eingedrungen und hatte ein Loch in die Schädeldecke gerissen, doch sein Blick war noch klar, und er bewegte die Lippen, als wollte er etwas sagen. Um 9:45 Uhr morgens begann das Blutvergießen im Pavillon 4B. Die Stimme der Späher ertönte wieder: "Sie stürmen den Pavillon 1A!" Hier bestätigte sich in der Praxis, wie wichtig es ist, sich im Kampf gegen den Feind auf eine überlegene Strategie und Taktik zu stützen. Es waren mehrere Stunden seit dem Beginn des Angriffs vergangen, und in diesem Moment traf die Führung "Gefechtsstands" 4B eine wichtige Entscheidung, die den weiteren Kurs des Widerstands bestimmte. Sie beschloss, ein Kontingent in den Pavillon 1A zu schicken. Vom Saal "Es lebe der Maoismus" aus, der am westlichen Ende des 2. Stocks lag, begann eine Gruppe von Kämpfern einer nach dem anderen aufzubrechen. Der Verantwortliche der Etage und diejenigen, die sich in der Nähe befanden, verabschiedeten sie mit einem Händedruck. "Viel Erfolg!" "Viel Erfolg, Genossen!" Sie hatten die Aufgabe, das Eindringen der Polizisten in den 1. Stock des Pavillons 1A abzublocken und zu verhindern. Sie liefen schnell die Treppen des ersten Stocks hinunter und von dort weiter in den unterirdischen Versorgungsschacht des Gebäudes hinunter. Nach wenigen Sekunden waren sie bereits an der Treppe, die zum Pavillon 1A führt. Gleichzeitig hatten die Genossinnen und Genossen dort beschlossen, in wenigen Minuten dem Sturmtrupp der Polizei entgegenzutreten. Es ging dabei um den Bruchteil von Sekunden. Die Polizisten wurden gleichzeitig von den Gefangene aus dem Pavillon 1A angegriffen und von den Kämpfern überrascht, die aus dem Tunnel kamen. Es war ein Kampf Mann gegen Mann auf Leben und Tod. Der Polizist an der Spitze wurde entwaffnet und mit seiner eigenen Waffe erschossen. Eine UZI-Maschinenpistole. Damit wurde Schnellfeuer gegen die Polizisten eröffnet, die die Treppe heraufstürmten, worauf sie sich in panischer Flucht zurückzogen. An dieser Stelle fielen auch drei Kämpfer der Partisanenvolksarmee. Ohne die Entscheidung, die Polizisten direkt zu konfrontieren und ihr Eindringen abzublocken und zu verhindern, hätte es im ersten Stock eine große Zahl von Opfern gegeben, denn der Durchbruch, durch den sie einzudringen versuchten, befand sich gegenüber dem Gang zwischen den Zellen und der Fensterwand zum Hof des Gebäudes, und alle Polizisten hatten massenhaft Bomben und Munition dabei, um ihre Gewehre und Maschinenpistolen nachzuladen. Neue, ohrenbetäubende Explosionen erschütterten die "Gefechtsstände". Dieses Mal versuchten die Polizisten, die Mauer zu sprengen, die den Hof umgibt. Nach mehreren Versuchen schafften sie es, ein Loch von etwa einem Meter Durchmesser an der Seite der Mauer zu öffnen, die diagonal zur Außenwand und den Fenstern der vier Stockwerke verläuft. Von dort eröffneten sie das Feuer aus AKM- und G3-Gewehren und Waffen anderer Kaliber. Sie warfen Dutzend von Tränengasbomben, Brechgas, Reizgas und begannen Instalaza-Geschosse abzufeuern. Auf den Anhöhen, die das Gefängnis umgeben und an die Armenviertel des Bezirkes San Juan de Lurigancho angrenzen, hatten sich Gruppen von Anwohnern versammelt, die Zeugen der Ereignisse vom Mai wurden. Die dichten, schweren Rauchsäulen, der Donner der Explosionen und das unaufhörlichen Rattern der Maschinenpistolen und Gewehre zeugten vom Ausmaß des Angriffs und vom Aufgebot an Personal und Waffen, das die Regierung gegen den Widerstand der Kriegsgefangenen einsetzte. Einen Moment lang war es im 4B vollkommen still. Der Grund war, dass in den vier Etagen die neuesten Direktiven übermittelt wurden: alle Gefangenen des 4B sollten in den Pavillon 1A überwechseln, wo sich die Konfrontation zuspitzte. Das Gas begann auch im 4B Wirkung zu zeigen, vor allem im 3. Stock, und die zuständigen Belüfter unternahmen äußerste Anstrengungen, indem sie ausgebreitete Wolldecken schwenkten. In der Absicht, den Willen der weiblichen Gefangenen zu brechen, indem man sie vor die Wahl stellte zu ersticken oder herauszukommen, hatte die Polizei zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 100 Gasbomben auf den Pavillon 1A geworfen. Die Polizisten hatten auf dem Dach des Gebäudes Stellung bezogen und versuchten mit einem Presslufthammer einen Durchbruch zu öffnen, um dort einzudringen. Die Schläge des Presslufthammers setzten sich unaufhaltsam fort, und an der Seitenwand des Hofes war ein neues Loch zu sehen, dieses Mal senkrecht an der äußersten Westseite des Hofes. Die Explosionen, die darauf folgten, waren kilometerweit zuhören. Die Ziegel des Dachs wurden zermalmt und legten ein Gitter aus dicken Eisenstäben frei, durch das schwerlich eine Person hindurchkriechen konnte. Die Antwort ließ nicht auf sich warten. Nach den Explosionen, mit der die letzten Stücke die des Daches gesprengt und ein Loch entstand, gruppierten sich die 7 Gefangenen, die oben die erste Verteidigungslinie bildeten, sofort neu und gingen in Kampfstellung. Sie stachen dort oben unter der Decke mit Lanzen durch die Öffnung, versuchten sie mit Möbeln und Bettgestellen zu blockieren und zündeten Fackeln und Kienspäne an. Die Ansammlung von Feuer und Rauch ließ die Polizisten, die auf dem Dach damit beschäftigt waren, die Öffnung zu erweitern, zurückweichen und vertrieb sie kurz, doch sie kamen sofort zurück, nun mit ungehemmter Mordlust, und feuerten alle gleichzeitig vom Ende des Daches ihre Waffen, Granaten, Gasbomben und Sprengladungen ab. Als sich der Rauch verzog, wurden sieben Genossinnen, die sich dort befanden, mit der Waffe bedroht, überwältigt und in Polizeiwagen verfrachtet, die mit unbekanntem Ziel abfuhren. Das hob die Moral der Offiziere, die sich hinter ihren Truppen verschanzt hatten. Sie griffen ein Megaphon und forderten die Gefangenen lautstark auf, sich zu ergeben.

"Wir wollen kein weiteres Blutvergießen! Eure Genossinnen sind bereits verlegt worden! Gebt auf! Wir garantieren für euer Leben! Kommt mit erhobenen Händen heraus und ruft: Ich ergebe mich für mein Peru!"

"Weiterer Widerstand ist zwecklos! Wir garantieren für euer Leben!"

"Ihr habt drei Minuten!"

Wir waren alle über den ersten Stock in den Verbindungstunnel hinunter gestiegen, der unter der Erde alle Pavillons kreisförmig verbindet. Bei der Planung des Gefängnisses war er dazu gedacht, im Falle eines Aufstands oder einer Revolte der Gefangenen den Wachen den Zugang zu den einzelnen Gebäuden zu erleichtern. Wir trugen in unseren Händen Kanister mit Kerosin und Essig gegen die Gase und einige Waffen wie Eisenstangen, Lanzen und Dolche, die aus Teilen der Bettgestelle fabriziert waren, sowie Armbrüste und Blasrohre, hergestellt aus angewärmten Plastikrohren. Beim Erreichen der ersten Stufe des Tunnels umgab uns totale Finsternis. Einige Genossen geleiteten uns sicher.

"Beeilt euch! Geht weiter, macht keinen Lärm! Nicht stehenbleiben, weiter, Genossen, weiter!" Wir spürten die anderen dicht neben uns, eine kompakte Masse von Kämpfern und das verordnete Schweigen ermöglichte es, das Platschen der Schritte im stehenden Wasser zu hören. So tasteten wir uns mit den Händen und dem Körper an der Wand entlang, deren Kurven sich zu verstärken schienen, je weiter wir vordrangen. 20 Meter weiter fiel ein Lichtstreifen herein und warf einen hellen Lichtkegel auf den freien Absatz, von dem aus ein fast vollständig verstopfter Zugang zu einem Pavillon der regulären Häftlinge führte. Der Vormarsch kam zum Stillstand, man hörte Murmeln und ein halblautes Gespräch.

"Genosse Leandro, die Gefangenen hier bieten uns einen Revolver und zwei Handgranaten an. Wollen wir sie annehmen?"

"Leandro! Leandro!" Der Ruf wanderte nach hinten. Er bahnte sich einen Weg und sagte, "nimm sie an", und fragte sofort: "Wer kann mit Handgranaten umgehen?"

"Ich. Ich. Ich. Ich kann es!", waren mehrere Stimmen zu vernehmen. Der Häftling mischte sich ein: "Cumpa, es sind massenhaft Bullen im Hof des 1A und hinter der Mauer auf der Höhe des Niemandslands postiert. Man kann die Granaten vom Dach unseres Pavillons auf sie werfen." Die Granaten wurden Martel ausgehändigt, und er erhielt den Auftrag, die Polizisten von dort anzugreifen. Er machte sich sofort auf den Weg. Nach zwei Minuten fiel Tageslicht auf einen breiten Streifen des Tunnels, und man konnte eine Treppe erkennen. In dem Moment hörten wir: "Es ist zwecklos ... ihr habt drei Minuten!"

"Soll sich deine Mutter ergeben! Kommt uns holen, Mörder!", war die Antwort. Einige Genossen schrieen Losungen, doch ihnen wurde geheißen, ruhig zu sein. Wir durften unsere Position und unsere Bewegungen nicht verraten. Die drei Minuten waren noch nicht vorbei, als der Beschuss der Eingangstreppe mit Kugeln und Instalaza-Geschossen begannen. Wir befanden uns genau an den Stufen, die vom Tunnel in den Pavillon 1A hinaufführten, unmittelbar gegenüber dem Haupttrupp der Polizei. Um in den ersten Stock des 1A zu gelangen, mussten wir zwangsläufig eine dreifache S-Kurve überwinden, die von den drei unteren Treppenabschnitten gebildet wurde und auf die die Polizei den Beschuss konzentrierte. Als Deckung gab es nur die etwa 50 Zentimeter breite Wand, die die Fenster auf der Treppe umgibt, und wir mussten mit einem einzigen Satz ohne Halt nach oben stürmen, um kein Ziel für die Kugeln des Feindes abzugeben, und dabei der Kurve der Treppe folgten, um nicht aus Versehen die Tür zu nehmen, die in den Vorraum des Erdgeschosses führt oder direkt außerhalb des Gebäudes, wo die Polizisten konzentriert waren, und danach die gesprengte und ausbrannte Kabine durchqueren. Die Pausen zwischen den Schussfolgen ausnutzend, dicht am Boden, fast kriechend, begannen die Kämpfer inmitten von Detonationen und einem Kugelhagel, der sehr nahe an ihren Köpfen einschlug, sich nach oben zu bewegen. Wir werden sicherlich noch öfter in Situationen wie diese geraten, in denen unser Leben auf dem Spiel steht. Und unsere Köpfe erfüllten nur zwei Gedanken: den an euch, und der Vorsatz, wenn wir fallen, dies mit erhobener Faust zu tun, uns nicht besiegen zulassen, weiter zu kämpfen, über den Tod hinaus. Diejenigen, die wir am Vorabend angekommen waren, kannten weder das Gebäude noch den Tunnel noch die Windungen der Treppe, und daher war die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns im Weg irrten, größer, doch wir vertrauten auf unsere Führer.

"Okay, Genossen, kommt hoch!" rief derjenige, der vorn war. Mit einem Sprung drückten wir uns gegen die Wand unter dem Fenster. Ziegel- und Zementsplitter, von den Projektilen aus der Wand gerissen, flogen gegen unsere Köpfe und Körper. Einige dachten, es handele sich um Kugeln, die uns trafen oder streiften. Mit einem zweiten Anlauf gelangten wir in die Kabine des ersten Stocks. Die Schüsse gingen ununterbrochen weiter, und hier waren die Fenster größer. Wir robbten über verbogene Eisen und rauchende Trümmer ins Innere. Dort stießen wir als erstes auf den noch warmen Körper des toten Polizisten. Er lag auf dem Bauch in seiner grünen Uniform, Koppel und Patronengürtel, und sah aus, als würde er sein Gesicht verbergen oder in den Trümmern herum wühlen. Um ihn herum waren Dutzende von Kugeln und Patronenhülsen verstreut. Drei Meter weiter, der Rundung der Kabinenwand folgend, die mit Schutt bedeckte Leiche eines Genossen, die Augen geöffnet, die Arme ausgebreitet. In der Nähe des Ausgangs ein weiterer Toter. Dahinter die ersten Meter des Gangs voll mit zertrümmerten Ziegeln und qualmenden Metallteilen. Dieser Bereich befand sich unmittelbar gegenüber den hinteren Fenstern des angrenzenden Pavillons 7A. Die Genossen und Genossinnen, die sich im Gang des 1. Stocks drängten, empfingen uns mit Jubel, Händedrucken und Umarmungen. In dem Maße, wie wir vorrückten, um uns einen Platz zu suchen, begegneten wir den Genossinnen, die wir seit dem Vorabend treffen wollten. Die erste, die wir begrüßten, war Janet. Da war auch Tania. Vilma sagte zu uns: "Wie schön, euch heil zu sehen!" Und es war eine ganz spezielle Zuneigung in ihrer Stimme. Wir streckten ihnen die Hände entgegen oder begrüßten mit einem Lächeln Dutzende von Genossinnen, die sich wachsam, angespannt und erregt zusammendrängten und dabei trotz allem Ordnung und Disziplinen wahrten. Delia war sehr herzlich und machte sogar Witze mit uns, und als wir Sonia trafen, sagte sie: "Sieh an, wo und unter welchen Umständen wir uns wieder treffen!" In dem Moment begann das Dröhnen der Presslufthämmer an der Decke des 2. Stocks. Da sie das Gebäude nicht frontal einnehmen konnten, versuchte die Polizei, die Wände an anderer Stelle zu durchbrechen, um von dort anzugreifen. Es war 2 oder 3 Uhr wurde nachmittags, als wir das knatternde Geräusch eines Hubschraubers bemerkten. Er zog Kreise über dem Gefängnis und näherte sich in einem riskanten Manöver, fast im Sturzflug, dem Pavillon 1A. Wir konnten ihn durch die Fenster zum Innenhof sehen. Er war mit Bordartillerie ausgerüstet, und auf seinem Rumpf stand im großen Buchstaben "Polizei". Wir vernahmen ein Surren, wie die tiefen Töne der Terka, anschwellend, durchdringend, und hörten, wie die Rocket-Rakete, die der Hubschrauber abfeuerte, in die Umrandung der Fenster des dritten Stocks einschlug. Das ganze Gebäude erbebte bis in seine Grundfesten, und die Metallstruktur von zwei Zoll Dicke wurde herausgerissen und flog weg. Außerdem erhielt der Stahlbeton der Außenmauer Risse und Bruchstellen. Weitere Raketen schlugen in der zweiten und dritten Etage ein und die letzten fünf in die hinteren Außenwände des 1. Stocks. Eine davon traf das Fenster am Ende des Gangs und zerstörte es vollkommen. Mehrere Genossen, die sich dort befanden, wurden durch den Druck der Explosion auf den Boden geworfen. Die Versorgung der zunehmenden Zahl von Verwundeten inmitten des Donners der Explosionen und des dichten Kugelhagels aus Gewehren und Maschinenpistolen war eine besondere Aufgabe. Sie wurden inmitten des Feuers geborgen und an einen geschützten Platz gebracht, um sie so gut wie möglich zu verarzten. Mehrere Male erhielten wir die Aufgabe, Verwundete zu bergen und zu versorgen. Genossen mit Schussverletzungen und Wunden von Granatsplittern an verschiedenen Stellen des Körpers, einige schwer verletzt. Die Führung wog die Situation ab, und wir hörten über die Beauftragten und die Beobachtungsposten: "Sie sind in den vorderen Saal eingedrungen! Sie sind unten mit einem Megaphon!"

"Den Himmel erstürmen!" "Den Himmel erstürmen!" Als ich diesen Satz hörte, dachte ich, es handele sich um ein Lied oder um einen Marsch, den wir singen sollten. Ich blickte um mich und wartete darauf, dass jemand den Ton angab, doch nichts passierte. Wie von einer unsichtbaren Hand gesteuert, nahmen acht Genossen Aufstellung. Der Verantwortliche rief ihre Namen auf. Sie hatten die Aufgabe, den vorderen Saal des Erdgeschosses zurückzuerobern, um den Angriff von unten zu stoppen. Sie ließen sich an der Seite, die in den ersten Stock mündet, hinunter und fegten in einer fulminanten Aktion die Polizisten weg, die sich dort befanden. Einer von ihnen krümmte sich auf dem Boden und hielt sich sein verletztes Bein. Er schrie und schleppte sich in Richtung Eingang. "Um meiner Mutter willen! Bringt mich nicht um! Bringt mich nicht um!" Der Offizier, der das Megaphon gehalten hatte, rannte, um sich hinter seinen Untergebenen draußen zu verschanzen, und ließ das Gerät mitten im Saal liegen. Der Rest flüchtete, wie er konnte. Die Nachricht von dieser erfolgreichen Aktion verbreitete sich in Windeseile und zeigte ihre Wirkung. Jubel kam im "Gefechtsstand" auf, und die Entschlossenheit, bis zum Ende Widerstand zu leisten und dem Massenmord entgegenzutreten, wuchs. "Wir haben das Erdgeschoss zurückerobert! Die Miserablen flüchten!" wurde verkündet. Das Händeklatschen und die Losungen erschallten mit noch größerem Enthusiasmus. Und aus dem Erdgeschoss waren die Losungen, verstärkt durch das eroberte Megaphon, am lautesten zu hören. Von dem Moment griff die Polizei von allen Seiten verstärkt an. Die revolutionären Kämpfer ihrerseits weiteten die Verteidigung auf den Hof und auf die Löcher in der Mauer aus, durch die die Polizei schoss. Sie rückten bis zum Fenster des Esssaals vor, das zum Schutz mit einem angewinkelten Gitter bedeckt war. Daraufhin beschoss die Polizei vom Dach aus in einem fast senkrechten Winkel mit Gewehren die Kämpfer im Erdgeschoss, und vier wurden verletzt. Einer erhielt einen Kopfschuss und starb fast sofort. Es kam die Anweisung, dass eine größere Zahl von Genossen durch den heimlich gebauten Abstieg nach unten gehen sollte, um die Positionen im Erdgeschoss zu verstärken. Mehrere Dutzend waren bereits unten und eine größere Gruppe bereitete sich vor hinunter zu steigen, als die Polizei einen heftigen Gegenangriff unternahm. Sie drangen in den Hof ein, sprengten das Gitter am Ende der Rampe und warfen potente Sprengkörper, um ein Loch in die Wand zu sprengen, die den Esssaal von der Eingangshalle trennt, wo sich die Gefangenen konzentrierten. Daraufhin mussten wir uns in den ersten Stock zurückziehen und uns darauf vorbereiten, etwas gegen die Wirkung des Presslufthammers zu unternehmen, dessen Dröhnen aus dem zweiten Stock immer näher kam. Mehrere Polizisten hatten sich hinter den Fenstern des Pavillons 7A verschanzt, brachten ein MAG-Geschütz in Stellung und schossen zuerst in schneller Folge Instalaza-Geschosse gegen die Mauer und die Fenster an der Hofseite. Danach konzentrierten sie das Feuer auf den vorderen Teil des Ganges, der in die Kabine des 1. Stocks mündet, als sie dort eine verstärkte Bewegung von Genossen bemerkten. Alle hörten die energische Stimme des Genossen Celso, der rief: "Unser Gefechtsstand 4B ist intakt. Wir werden alle dorthin gehen!" Und die Verletzten, die Frauen und das gesamte übrige Kontingent machten sich fertig. Der Weg führte zwangsläufig durch die gesprengte Kabine. Es gab keine andere Möglichkeit, in den unterirdischen Gang zu gelangen. Von der Stelle aus, wo wir uns alle befanden, waren es etwa 40 Meter, die wir so schnell wie möglich robbend zurücklegen mussten. Der Weg verlief vom Ende des Gangs, wo die Polizei das Feuer der Instalaza-Geschosse und Maschinengewehre konzentrierte, über Metallteile und Schutt bis zum Rand der Treppe, und dort mussten wir uns kopfüber oder aufrecht durch eine Öffnung im Treppengeländer 2 1/2 Meter in die Tiefe stürzen. Wenn wir der normalen Windung der Treppe folgten, würden wir ein Ziel für die Schüsse der Polizisten im gegenüberliegenden Gebäude abgeben.

"Unerschütterlich!" "Sieg der Klasse!" "Rote Krieger!" Dutzende von Kampfrufen einer großen Zahl von Genossen erschallten aus allen Winkeln des Pavillons 1A. In geordneter Form, die Verwundeten, Wasser, Kerosin und Lebensmittel schleppend, rückten alle schnell durch den Gang bis zum Tunnel vor. Mehrere Male wurden die vorbeiziehenden Genossen von Instalaza-Geschossen und Kugeln getroffen, und jedes Mal warteten wir mit Sorge, Spannung und Wut darauf, dass sich der Rauch und der Staub verzogen, um zu sehen, was die Genossen passiert war und ihnen sofort zu helfen. Wenn die Instalaza-Geschosse auf der Betonwand über den Köpfen und Körpern der robbenden Kämpfer einschlugen, explodierten sie mit einer Stichflamme und rissen mit einem ohrenbetäubenden Knall Stücke aus der Wand. Körper wurden gegen Wände, Metallverstrebungen und Trümmer geschleudert und gequetscht, es gab Verwundete und Blut, doch niemand zögerte oder wich zurück. Alle konfrontierten das Feuer des Feindes und durchquerten den Durchgang zum Tunnel und zum Pavillon 4B. Vilma, Carlos, Jesus und andere Genossen fielen in der Kabine und in der Kehre auf der Treppe nach unten, doch sie wurden noch lebendig bis zum 2. Stock des Pavillons 4B geschafft. Es war 4:30 oder 5:00 Uhr nachmittags, als der Rückzug vom 1A zum 4B beendet war. Zu diesem Zeitpunkt war der Block der Frauen leer, und nun schwirrte es im Pavillon 4B wie in einem Bienenkorb von Mutmaßungen, Erwägungen, Neugruppierungen und Kommentaren der Gefangenen über das Erlebte. Wir kämpften mit unserer unbesiegbaren Waffe, der Ideologie des Proletariats, dem Marxismus-Leninismus-Maoismus und den Gonzalogedanken unter der Führung der kommunistischen Partei, organisiert in der Partisanenvolksarmee, in Stellung gebracht und gestählt in den "leuchtenden Gefechtsständen" der Blöcke 1A und 4B des Gefängnisses "Castro Castro". Alle Kommunisten, revolutionären Kämpfer und organisierten Massen in Peru wussten, dass die Regierung Fujimori irgendwann einen Massenmord gegen die Kriegsgefangenen begehen und der Moment der Konfrontation, des heldenhaften Widerstands kommen würde. Das war eine von vielen vorhersehbaren und ausgemachten Schlachten zwischen Revolution und Konterrevolution, und dieser Tag war jetzt da. Doch die überlegene Strategie und Taktik der Maoisten zeigte sich vom ersten Moment an. "Je stärker der Widerstand, desto geringer die Zahl der Gefallenen!", so lautete das Verständnis und die Losung gegenüber dem mörderischen Angriff, der mit dem ersten Explosionen um 4:30 Uhr an diesem 6. Mai begonnen hatte. Und der entscheidende Faktor für das Scheitern des Plans der Reaktion war die Initiative, ähnlich einer Operation des "Bewegungskrieges", in der man den Kampf an die äußere Linie des revolutionären Stützpunktes verlagert, das gesamte Kontingent aus dem Pavillon 4B in den 1A zu verlegen. Damit gelang es nicht nur, die Polizei aus dem Konzept zu bringen und ihren Plan des Angriffs und der Einnahme des Pavillons 1A zunichte zu machen, sondern es wurde auch eine starke psychologische Wirkung in ihren Reihen erzielt. Die Ausfälle, wie die sie erlitten, die Besetzung der Eingangshalle und die beeindruckende Konzentration von Gefangenen im Pavillon der Frauen, die sich über alle Stockwerke und den Tunnel verteilten und zunehmend kämpferischer und effektiver Widerstand leisteten, bewegte sie schließlich zum Rückzug. Um Punkt 6:00 Uhr abends hörten die Schüsse auf. Sie wussten, dass sie taktisch und moralisch unterlegen waren und würden diese Nacht keinen Angriff auf den Gefechtsstand der Gefangenen wagen. Die Polizei verstärkte den Belagerungsring, doch sie griff den Pavillon 4B nicht an. Im Dunkeln entfaltete sich mit einer wohl kalkulierten Bewegung eine fieberhafte Aktivität im "Gefechtsstand" 4B. Nun belegten mehr als 120 Genossinnen zusätzlich die Gänge der verschiedenen Stockwerke. Doch in keinem Moment gab es Unordnung, auch nicht beim Essen, das um 8 Uhr abends verteilt wurde. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Behandlung der Verletzten gewidmet. Die Ärzte und die Sanitätskommission arbeiteten die ganze Nacht bis zum Morgengrauen. Sie führten diverse Maßnahmen durch, holten Kugeln und Splitter heraus, verabreichten Nährlösung und Bluttransfusionen. Uns wurde wieder ein Platz im Erdgeschoss neben einer mit Dutzenden von Sandsäcken verbarrikadierten Tür zugewiesen, und dort erwarteten wir den neuen Tag. Wir schliefen fast nicht, einmal wegen des Gasgeruchs, der die Luft erfüllte, zum anderen wegen des Lärms der Explosionen, die den Pavillon 1A erschütterten, wo es alle zehn Minuten zwei oder drei Detonationen gab.

7. Mai

Sowie die letzten Schatten der Nacht verschwunden waren, standen wir auf und begaben uns auf unsere Posten vom Vortag. Von den Beobachtungsposten kam der Bescheid: "Die Polizei hat noch mehr Verstärkung herangeschafft! Mehrere Transporter der Armee sind angekommen!" Von den Fenstern des 3. Stock aus konnten wir sehen, wie Dutzende von Soldaten die umliegenden Anhöhen erklommen und dabei zu mehreren Kriegsmaterial und schwere Maschinengewehre schleppten. Weil sie glaubten, dass sich die Gefangenen noch dort befänden, oder um Überraschungen zu vermeiden, waren die Regierungstruppen mit einem massiven Angriff und der systematischen Zerstörung des Pavillons 1A beschäftigt. Kein Fleck, der nicht mit Maschinengewehrfeuer oder Bomben beschossen wurde. Dazwischen gab es sporadische Angriffe mit Gas, Gewehrschüssen und Granaten gegen den Pavillon 4B. So ging es den ganzen Tag, und die Berichte der ausländischen Nachrichtenagenturen wurden über die Radiosender in die ganze Welt verbreitet: "In Lima geht die Belagerung des Gefängnisses "Castro Castro" in Canto Grande durch Regierungstruppen weiter, die auf den Einsatzbefehl warten, um der Revolte von rund 500 wegen Terrorismus angeklagter Gefangener ein Ende zu bereiten." Die breite Avenida C. Wiese, die vom Stadtteil "Las Flores" ausgehend auf die Plaza de Acho trifft und von dort zum Bezirk San Juan de Lurigancho und zu den Gefängnissen führt, war im Morgengrauen über mehrere Kilometer von Anwohnern blockiert worden. Die Angehörigen der Gefangenen rührten sich nicht vom Tor des Gefängnisses weg und hatten diverse Protestaktionen durchgeführt. Jede Kugel, jede Explosion versetzte ihre Gefühle in Aufruhr und verstärkte das Bangen um ihre Lieben, die dort Widerstand leisteten. In den folgenden Tagen und Wochen organisierten sie eine Gemeinschaftsküche und harrten dort unerschütterlich aus.

Es war wohl etwa 17:45 Uhr am Donnerstag, den 7. Mai, als die zuständige Staatsanwältin und andere Behördenvertreter sich im Gefängnis einfanden. Ihre Worte waren die gleichen: "Die Frauen sollen heraus kommen! Jeder Widerstand ist zwecklos! Wir wollen nicht noch mehr Blutvergießen!" Ihr Plan des Massenmords unter dem Vorwand der "Verlegung" war vereitelt worden, und sie begannen in Verzweiflung geraten. In ihren verquasten Köpfen verfolgten sie die Idee, dass die Genossinnen herauskommen sollten, um dann den Pavillon 4B zu stürmen und ein Massaker größeren Ausmaßes anzurichten. Das Feuer wurde eingestellt, und die Verhandlungen begannen. Eine Gruppe von Delegierten ging nach unten und verhandelte über die Punkte eines schriftlichen Abkommens mit den Behördenvertretern. An erster Stelle stand die Evakuierung der Toten und Verwundeten. An zweiter Stelle kamen die Bedingungen für die Verlegung: Anwesenheit und Beteiligung von Anwälten, Angehörigen und Mitgliedern des Internationalen Roten Kreuzes. Die weiblichen Gefangenen würden im Gegenzug das verbarrikadierte Gebäude verlassen und sich der Verlegung nicht weiter widersetzen. Die Übereinkunft wurde unterzeichnet, und die Delegierten kündigten nach ihrer Rückkehr an, dass eine erste Gruppe von Verwundeten nach draußen geschafft würde. In einer explosiven und spannungsgeladenen Atmosphäre wurden die ersten Verwundeten bis zum Rondell transportiert. Die Übereinkunft mit den Behördenvertretern lautete, dass sie sofort in ein Krankenhaus geschafft würden, doch nichts davon geschah. Die Staatsanwältin rief: "Jetzt sind die Verwundeten draußen! Nun sollen die Frauen herauskommen!" Die Delegierten der Gefangenen bestanden darauf, dass die Abmachungen eingehalten werden sollten. "Hier kommt eine erste Gruppe!" kündigten sie an und forderten ärztliche Behandlung für die Verletzten. Doch die Behördenvertreter missachteten die Abmachungen und setzten auf Erpressung: "Erst kommen die weiblichen Häftlinge heraus, und danach werden die Verletzten abtransportiert. Andernfalls ist das Abkommen hinfällig!" Die Delegierten kehrten zurück, um darüber zu beraten. Nach kurzer Zeit wurde angekündigt: "Unsere Delegierten kommen heraus!" Als diese bei den Behördenvertretern ankamen, nahmen die Polizisten sie fest und prügelten auf sie ein. Eine der Delegierten wurde freigelassen, um dem Rest mitzuteilen, dass von nun an das Ultimatum liefe. Das politische Klima war aufgewühlt. Es gab unterschiedliche Positionen unter den Reaktionären: Sie konnten sich nicht über den endgültigen Vernichtungsschlag einigen. Doch vor allem nahmen der Kampf und der Protest des Volkes gewalttätigere Formen an. In derselben Nacht wurden Polizeifahrzeuge aus dem Hinterhalt überfallen, Polizeistationen angegriffen, und eine Autobombe, gezündet von der maoistischen Guerilla, explodierte in unmittelbarer Nähe des Regierungspalastes.

Freitag, der 8. Mai

Wir verbrachten die Nacht im zweiten Stock, und um 5 Uhr morgens flogen die ersten Gasbomben gegen die Fenster. Ein gepanzerter Truppentransporter vom Typ "Unimog" und ein weiterer vom Typ "Command Car" waren hinter der Mauer aufgefahren, die den Innenhof des Pavillons umgibt, und von dort wurden Maschinengewehrsalven und Bomben abgefeuert. "Alarmstufe rot! Alarmstufe rot!" ertönte es, und der ganze Gefechtsstand kam in Bewegung. In immer kürzeren Abständen beschoss uns die Polizei mit Gewehren aller Kaliber, Gasbomben und Instalaza-Geschossen. Getroffen von Kugeln und Splittern, fielen zahlreiche Genossen vor unseren Augen, während ohne Unterlass das Dröhnen der geschlagenen Türen und der an und abschwellende Chor politischer Losungen zu hören war. Die Autoritäten setzten sich ihre eigenen Fristen und verringerten die Intensität des Beschusses, bis um 3:00 Uhr nachmittags die Behördenvertreter wiederkamen. Sie wiederholten dieselbe Leier: "Die weiblichen Häftlinge sollen heraus kommen und dabei die Verwundeten und Toten mitbringen, damit die Verlegung durchgeführt werden kann!" Eine weitere Gruppe Verletzter wurde auf das Rondell hinaus geschafft, und die Polizei ließ sie ebenfalls dort, ohne sie in irgendeiner Form zu versorgen. Es handelte sich nur um ein Ablenkungsmanöver der Autoritäten, und um etwa 17:00 Uhr begannen die Schläge des Presslufthammers an der Decke des 3. Stocks zu dröhnen, bis um 18:00 Uhr alle Angriffe eingestellt wurden. "Respektiert die Abmachungen! Versorgt die Verletzten!" war die Forderung der Gefangenen, doch die Verletzten blieben die Nacht über dort im Rondell liegen.

Sonnabend, 9. Mai

Um 6:00 Uhr früh begann die Schlacht. 540 politische Gefangene, Frauen und Männer, auf ihre Posten im ganzen "Leuchtenden Gefechtsstand" verteilt, bereit zum heldenhaften Widerstand mit dem Entschluss und dem Versprechen, ihr Leben für die Partei und die Revolution zu geben, gegen mehr als 150 Einsatzkräfte von Polizei und Armee, die in den frühen Morgenstunden ihre Truppen in der Umgebung, innerhalb des Gefängnisses und besonders gegenüber den Pavillon 4B in Stellung gebracht hatten. Dorthin hatten sie eine Kanone, Mörser und schwere Maschinengewehre geschafft wie alle wussten, dass wir hier unser Leben lassen könnten. Durch die Zeugen und Überlebenden wussten wir von ähnlichen Momenten im Juni 1986 in den Gefängnissen El Fronton, Lurigancho und Callao, und wir bereiteten uns ideologisch darauf vor. Das Frühstück bestand aus Tee, einem Brötchen und einem halben gekochten Ei, und den Rest des Tages kamen wir nicht mehr zum Essen. Die Polizei hatte sich des Daches des Gebäudes bemächtigt und begonnen, mit Presslufthämmern Durchbrüche zu öffnen. Koordiniert durch Sprechfunk, griffen sie das Gebäude mit Gewehrfeuer, Gas, Raketen und Granaten massiv von vorn, der Seite und hinten an. Überall trafen sie auf Widerstand. Die Sandsäcke wurden neu aufgeschichtet, die Abdeckungen an den Fenstern verstärkt, Schleudern und Bögen abgeschossen und die Angreifer im Auge behalten, um sie zu überraschen, wenn sie näher kamen, und im Kampf Mann gegen Mann aufzuhalten. All das inmitten des ohrenbetäubenden Lärms der geschlagenen Türen und dem an und abschwellenden Chor von Parolen. Auf die Schläge des Presslufthammers folgte die Detonation von Sprengladungen. Die Ziegel der Decke und die Metallstruktur des Daches wurden sehr schnell zerstört. Der hintere Saal im dritten Stock mit dem Namen "Es lebe der Maoismus!" war der erste, den die Wucht des Angriffs traf. Kaum war ein Loch entstanden, beschossen die Polizisten den Raum mit Maschinengewehren und warfen Gasbomben, Dutzende von Granaten und Sprengkörper. Es gab Verwundete und Trümmer. Inmitten von Rauchschwaden und Explosionen von Granaten wehrten sich die Gefangenen, indem sie mit Lanzen durch die Öffnung stießen, Feuer anzündeten und versuchten, den Polizisten den Weg mit allen möglichen Gegenständen und Möbelstücken zu versperren. Daraufhin begann die Polizei, neue Durchbrüche an den Wänden der verschiedenen Säle in Angriff zu nehmen. So ging es den ganzen Vormittag. Eine andere Kampffront befand sich in den unterirdischen Gängen. Kommandoeinheiten der reaktionären Truppen hatten sich vom Dach aus bis auf die Höhe des ersten und zweiten Stocks heruntergelassen und schickten sich an, Sprengladungen an der Wand auf der Seite der Zellen anzubringen, um sie zusammen mit den Gefangenen in Inneren in die Luft jagen. "Gonzalo ist Kommunismus" trat ihnen auf Anweisung der Führung entgegen. Die Gefangenen warfen eine Handgranate und zündeten Dutzende von Matratzen an, die sie heimlich aufgeschichtet hatten. Als die Polizisten sie bemerkten, beschossen sie sie mit Salven aus AKM-Schnellfeuergewehren und griffen sie mit Granaten an. Zwei Kämpfer starben bei der Aktion, und zwei weitere stürzten durch die Gitter bis auf den Boden des Gangs. Während die Polizisten in ihrer Überraschung panisch die Flucht ergriffen, wurden die Verwundeten geborgen und im ersten Stock behandelt. "Wir haben den Gang zurückerobert!" verkündeten die Genossen. Die Öffnungen im Dach reichten nun bis zu den Kabinen, und der Beschuss mit Instalaza-Geschossen und Gewehrfeuer gegen alle Fenster wurde immer dichter. Die Gase führten zu Erstickungsanfällen, Rauch und Staub verdunkelten den gesamten "Gefechtsstand". Die Wand, die den Hof umgibt, wurde an mehreren Stellen gesprengt, doch es gelang nicht, sie zu durchbrechen, da sie von innen verstärkt war. Nach mehreren Stunden schafften sie es, mit Kanonen der Armee ein Stück im hinteren Teil freizulegen. Mehrere Male versuchten sie, Sprengladungen an den Wänden und Fenstern des Erdgeschosses anzubringen, doch ein Hagel von Steinen, Wurfgeschossen und Molotowcocktails hinderte sie daran. Um etwa 10:30 Uhr morgens gelang es ihnen, im Schutz von dichtem Gewehrfeuer und Instalaza-Geschossen die hintere Wand des letzten Saals im ersten Stock, der den Namen "Sich trauen" trug, zu sprengen. Ein ganzer Abschnitt der Wand flog in Stücke und zerquetschte diejenigen, die sich in der Nähe befanden. Wir standen 15 Meter entfernt und wurden auch noch von der Druckwelle der Explosion erfasst.

"Mein Bein! Mein Bein! Es ist nicht mehr da!"

"Sanitäter! Sanitäter! Hier gibt es mehreren Verwundete!" Die Polizei warf sofort Gas und Granaten hinterher, gerade in dem Moment als die Gefangenen den Zugang zum anschließenden Saal blockierten und verbarrikadierten. Die Barrikaden wurden ebenfalls gesprengt, und wir alle zogen uns immer weiter in Richtung der Kabinen im vorderen Teil des Gebäudes zurück. Eine zweite, größere Gruppe begab sich ins Erdgeschoss. Wir bauten eine neue Barrikade, die hauptsächlich den Gang blockierte, an dessen Ende ein immenses Loch wie ein riesiges Fenster zu sehen war. Doch auch diese Barrikade wurde von den Sprengladungen zerfetzt, die die Polizisten durch die Öffnung im ersten Stock warfen. Daraufhin setzten wir auf die offenen, direkten Konfrontation. Staub und Qualm erlaubten nicht festzustellen, ob die Polizisten in den Gang vorgedrungen waren. Die Zahl der Granaten, Schüsse und Gasbomben, die sie geworfen hatten, ließ vermuten, dass es so war. Es blieb nichts anderes als der Kampf Mann gegen Mann. "Schlachtgesang!" "Sieg der Klasse!" und andere Kampfrufe waren zu hören, und alle griffen gleichzeitig die Positionen des Feindes an, warfen hausgemachte Bomben und Molotowcocktails, schossen Wurfgeschosse und Pfeile ab und drangen bis zum Saal "Sich trauen" vor. Kein Polizist war ins Innere eingedrungen. Sie schossen von draußen, durch das Loch in der Wand. Nun griffen sie uns von hinten und von der Seite des Innenhofs aus an. Wir bewegten uns kriechend, dicht am Boden, um den Projektilen auszuweichen, die durch das Fenster eindrangen, und hielten uns dicht an den Pfeilern der Wand, um nicht von den Schüssen von der Rückseite des Gebäudes getroffen zu werden. An jener Stelle durchschlug eine Kugel mein Hemd und streifte einen Wirbel auf der Höhe der Taille. Ich dachte, dass jemand etwas nach mir geworfen hätte, um meine Aufmerksamkeit erregen, doch als ich mich umdrehte, hatte der riesige Aluminiumtopf neben mir ein kleines Einschussloch und ein Ausschussloch, das wie eine aufgeplatzte Stelle aussah. Es war eine Gewehrkugel. Ein ohrenbetäubendes Geschrei ertönte aus allen Teilen des Gebäudes, das eine psychologische Wirkung in den reaktionären Truppen erzeugen sollte.

"Die Partei greift von draußen an!" lautete der Ruf, und die Polizisten erschraken. Einige flüchteten und andere begannen, blind hinter sich zu schießen. Sie hielten das Maschinengewehrfeuer, das sie von der anderen Seite des Pavillons hörten, für einen "Angriff der Partei", und es gab ein großes Durcheinander in ihren Reihen. Das erlaubte uns, Luft und neue Energie für den Kampf schöpfen. Am frühen Nachmittag begannen die Polizisten ihre Angriffe auf den ersten Stock und das Erdgeschosses zu konzentrieren. Scharfschützen deckten das Vordringen von Subjekten ab, die Sprengladungen an allen verstärkten Punkten im Erdgeschoss anbrachten oder Sprengkörper auf den ersten Stock warfen. Der Widerstand hatte sich an allen Fronten verstärkt. Kein Polizist oder Soldat hatte es geschafft, in den "Gefechtsstand" einzudringen, und der beabsichtigte "Endschlag", den sie im Radio angekündigt hatten, scheiterte kläglich. So beschlossen sie, das Gebäude vollständig zu demolieren, um ihren Vernichtungsschlag zu Ende zu bringen. Auf dichten Beschuss aus Gewehren und Maschinenpistolen folgten markerschütternde Explosionen, die das ganze Gebäude erzittern ließen und ins Schwanken brachten. Die Führung analysierte die Lage, und ihr Entschluss war klar und eindeutig:

"Der heldenhafte Widerstand ist abgeschlossen! Bevor wir von Trümmern erschlagen sterben, werden wir hinausgehen und beweisen, dass wir Kommunisten sind."

"Lasst uns die ?Internationale' singen und hinausgehen!" Über die Wachposten wurde der Beschluss nach draußen weitergegeben, wo sich die Kommandeure der Militäroperation und andere Vertreter der Behörden befanden.

"Nicht schießen! Wir kommen raus!"

"Kommt mit einer weißen Fahne heraus!" war die Antwort der Offiziere.

Sowie damit begonnen wurde, die Barrikaden vor dem Haupteingang zur Seite zu räumen, ging ein Kugelhagel darauf nieder, und sie wurden wieder geschlossen. Im Inneren war der Entschluss der Führung bereits auf allen vier Etagen bekannt, und dem Polizeiführer wurde erwidert: "Hier ergibt sich niemand! Wir werden Arm in Arm herauskommen und die Internationale singen. Wir werden uns den Kugeln stellen!" Und so geschah es. Die Führung gab ein Beispiel und verließ das Gebäude mit der ersten Gruppe. Alle Waffen der Reaktionäre richteten sich auf den Haupteingang und spuckten Feuer und Kugeln. Beim Hinausgehen rief der Genosse Tito: "Häftlinge der anderen Pavillons! Ihr seid Zeugen dieses Massakers!" Und ihre Stimmen erklangen laut und deutlich: "Wacht auf, verdammte dieser Erde ...". Hunderte von Kugeln durchschlugen sie, ihre Körper zuckten unter der Wucht der Einschläge und verschlangen sich im Fall noch mehr. Die gesamte Rampe des Rondells färbte sich rot mit Blut, das sie wie ein flammender Teppich bedeckte. Sie alle wurden erschossen, und die, die folgten, ebenso. Die Gefangenen strebten unaufhörlich heraus, und so ging der heldenhafte Widerstand zu Ende: Hunderte Gefangene traten mit ungeschützter Brust den Kugeln entgegen, und die mörderischen Hyänen fühlten sich zusehends machtloser, als sie die Anzahl und die Entschlossenheit der revolutionären Kämpfer sahen, und ließen schließlich ihre Waffen sinken und zogen sich zurück, erschüttert von ihrer Niederlage.

"Alle auf den Boden! Auf den Boden, verflucht! Hände in den Nacken! Kriecht weiter! Bleibt nicht am Fleck!"

"Da ist sie, da ist sie", rief ein vermummter Uniformierter. Die Genossin wurde von den anderen getrennt und mit Schüssen niedergestreckt. "Die hier, die hier", schrieen sie, und Janet wurde weggezerrt und erschossen. Viele der kriminellen Häftlinge weinten und schrieen: "Hört auf!" Wir robbten auf den Ellenbogen vorwärts. Die Entfernung, die von der Rampe des Innenraums bis zum Haupttor des Gefängnisses zurückzulegen war, betrug 70 m. Auf dieser Strecke wurden zwanzig Genossen erschossen. Eine Gruppe von Polizisten liefen über die Rücken der Gefangenen und identifizierte die Genossen, zerrten die an den Haaren hoch, die sie erkannt hatten, und schleppten sie in den hinteren Teil neben der Gefängnisküche. Dort prügelten sie auf sie ein und schrieen: "Nun kannst du singen! Nun schrei, Arschloch!" Und sie wurden mit Maschinengewehrsalven erschossen. Neben mir befand sich eine Genossin, doch die meisten Frauen waren bereits ausgesondert worden. Als die Polizisten sich näherten, ihren Kopf an den Haaren hochhoben und sahen, dass es eine Frau war, schrie einer von ihnen: "Die hier auch!" Das war das letzte, was wir von ihr sahen. Einer versetzte mir einen Fußtritt an den Kopf, und als ich mich umdrehte, fragte er: "Bist du verletzt oder nicht?" "Ich bin unverletzt." "Dann steh auf und renn, verdammt!" Instinktiv wandte ich mich nach hinten und rannte in Richtung des Gitterzauns auf der Linken. Die Polizisten hatten eine Art Gasse hin zu einer Öffnung in einer Ecke des Zauns zum so genannten "Niemandsland" gegenüber dem Haupttor des Gefängnisses gebildet, und dorthin trieben sie uns. Am Anfang fühlte ich kaum die Schläge, Fußtritte und Stöße mit dem Gewehrschaft auf den Kopf, die sie mir verpassten. Mich versetzte in Spannung und Alarm, was ihr Chef sagte: "Jeweils zu zehnt am Ende!" Ich dachte an Hinrichtung, doch als ich über die Erde rannte, wurde ich umgeworfen und kam neben anderen Genossen zu liegen. Bevor wir den "Gefechtsstand" verließen, hatten wir alle die nasse, durch die Tage des Widerstands geschwärzte Kleidung gewechselt, und die meisten waren barfuss und trugen nur ein kurzärmliges T-Shirt. Die Polizisten, die uns bewachten, hatten außerdem Hunde dabei, denen sie befahlen, uns zu beißen, und die ganze Nacht liefen sie auf unseren Rücken herum, beschimpften und provozierten uns. "Hände in den Nacken! Gesicht auf den Boden!" Die Staatsanwältin war gekommen, gestikulierte herum und lief von einer Seite zu anderen, um Aktivität und Kontrolle über die Situation vorzutäuschen. Sie ordnete die Evakuierung der Verwundeten an, worauf sie in einen Lastwagen verfrachtet wurden, der nach zwei Stunden abfuhr. Die Soldaten und Polizisten redeten von Chorrillos, La Campiņa, dem Strand, und unter den Verletzten kam die Angst auf, dass das man sie ermorden und verschwinden lassen würde. Der Wagen drehte eine Runde um drei Häuserblocks und kehrte zum Gefängnis zurück. Die Verwundeten wurden abgeladen und bis zum nächsten Tag im Korridor des Büros des Oberaufsehers am Eingang des Gefängnisses deponiert. Sie fragten jeden Einzelnen von uns, die wir im Niemandsland lagen: "Wo sind die Waffen? Rede!" Doch der Satz, der ihre Niederlage und Machtlosigkeit zeigte, lautete: "Wieso sind so viele herausgekommen? Wie kommt es, dass ihr all die Kugeln und Bomben überlebt habt, die wir euch verpasst haben?" Sie ließen uns Sonntag und Montag im Niemandsland liegen. Am Sonntagmorgen wurden zehn Genossinnen ins Gefängnis Cachiche in Ica und nach Santa Monica in Chorrillos geschafft. Am dritten Tag tauchten die Presse und das Fernsehen auf, und wie man uns sagte, sogar der Völkermörder und Vaterlandverkäufer Fujimori persönlich. Wir begannen zu protestieren und zu fordern, dass wir uns hinsetzen und bewegen dürften, worauf die Neugruppierung der rund 370 Gefangenen bewirkte, dass die Polizisten sich auf einen Abstand von 25 m zurückzogen. Sie bildeten einen Halbkreis und beobachteten uns mit schussbereiten Waffen in Gruppen zu je 15 mit kugelsicheren Westen und vermummten Gesichtern.

Die Feier des 12. Jahrestages des Volkskrieges

Die Ereignisse im "Gefechtsstand" und im ganzen Land bis zum 17. Mai erschütterten die peruanische Öffentlichkeit. Die Nachrichten und Bilder waren um die ganze Welt gegangen, und es war eindeutig ein neuer großer Meilenstein des Volkskrieges in der peruanischen Geschichte gesetzt worden. Der heldenhafte Widerstand war erfüllt worden und hatte einen politischen, militärischen und moralischen Erfolg des Vorsitzenden Gonzalo, der Partei und der Revolution errungen. Ein politischer Triumph, weil der heldenhafte Widerstand der Kriegsgefangenen der "Leuchtenden Gefechtsstände" 1A und 4B in Canto Grande den Plan eines größeren Massenmordes der vollständigen Vernichtung, den der US-Imperialismus entworfen hatte und Fujimori, die Streitkräfte und die Polizei durchführen wollten, zum Scheitern brachte. Die verzweifelten Bemühungen Fujimoris um eine Legitimierung vor der nationalen und internationalen Öffentlichkeit nach seinem Staatsstreich einen Monat zuvor waren durch die unübersehbare, schnelle und gründliche Demaskierung des tatsächlichen volksfeindlichen, konterrevolutionären, mörderischen Charakters des politischen Handelns der Regierung des K. Fujimori gescheitert. Sogar die OAS, traditionell ein Instrument des Imperialismus, beschäftigte sich über diverse Kommissionen mit dem Massenmord an den Kriegsgefangenen. Diverse Länder und internationale Organisationen kritisierten und verurteilten die Regierung. Der Versuch ihrer Legitimierung war fehlgeschlagen, und ihre Isolation wuchs. Die Revolution übernahm die Initiative des Krieges. Die Zeichen der Solidarität der Kommunisten, Revolutionäre und Völker der ganzen Welt nahmen zunehmend deutlichere und überzeugendere Formen an. Es gab Meldungen über Aktionen gegen die peruanische Botschaft in Mexiko, bewaffnete Aktionen und Aufschriften an Hauswänden des "Comando Heroes de Canto Grande" in Ecuador, die Bildung eines Unterstützungskomitees in Chile, Kundgebungen in den USA und verschiedene Solidaritätsakte und Veröffentlichungen in Europa und Asien. Sie waren ein Ausdruck der Durchschlagkraft des Volkskrieges in der Welt und der Internationalisierung des Volkskrieges, während die Reaktionäre sich zunehmend in einer Fülle von Widersprüchen verfingen. Wie 1986 träumte die Reaktion von einem vernichtenden Schlag gegen die Revolution. Ihre Wortführer und die reaktionären Medien hatten verbreitet, dass die Pläne und Anweisungen für die bewaffneten Aktionen der PCP in den Gefängnissen entwickelt und ausgegeben würden. Auf diese Art lieferten sie eine Begründung für die Ermordung der Kriegsgefangenen, und glaubten, damit die Kommunistische Partei führungslos zu machen. Doch die Wirklichkeit bescherte ihnen eine umfassende, offensichtliche und vernichtende Niederlage ihres Plans eines Massakers größeren Ausmaßes mit der totalen Vernichtung der Kriegsgefangenen. Weit davon entfernt, geschwächt den Rückzug anzutreten, gingen die Partei und die Revolution gestärkt daraus hervor, erhöhten die Schlagkraft ihrer Aktionen und weiteten ihren Aktionsradius aus. Straßenblockaden, Illuminationen, Parolen an Hauswänden, Märsche, Sabotageaktionen, bewaffnete Hinterhalte, Inkursionen nahmen täglich und stündlich zu. Sie hoben ihre Sicherheitsmaßnahmen und Politik der Repression aus den Angeln, und im Zusammenhang mit dem 12. Jahrestag des Volkskrieges waren die Resonanz und Bedeutung des heldenhaften Widerstandes, sowie die Feiern zum Jahrestag des Volkskrieges, heute, inmitten des strategischen Gleichgewichts, den die Revolution in unserem Land erreicht hat, noch weitaus größer. Der heldenhafte Widerstand markierte auch einen militärischen Sieg, denn die Kriegsgefangenen kämpften mit einer höher entwickelten Strategie und Taktik. Trotz der Unterlegenheit an Waffen und Feuerkraft schlugen sie alle Angriffe der mörderischen Armee und Polizei mit Heldentum, Mut und Tapferkeit zurück und ließen den groß angekündigten "Endschlag", den sie nie durchführen konnten, kläglich scheitern, denn in den vier Tagen konnten sie die "Gefechtsstände" in keinem Moment einnehmen. Weder Tausende von Patronen noch Hunderte von Granaten, Bomben und Raketen, die sie aus Bazookas, Mörsern, Kanonen, Gewehren und Hubschraubern abfeuerten, konnten den heldenhaften Widerstand in den "leuchtenden Gefechtsständen" des Gefängnisses Canto Grande brechen. Und noch überragender ist der moralische Triumph des heldenhaften Widerstands, denn er war eine große, siegreiche Schlacht inmitten des strategischen Gleichgewichts und zum 12. Jahrestag des Volkskriegs, und ein großer Triumph über die neue, arrogante Regierung Fujimori nach ihrem Staatsstreich. Die mörderischen Streitkräfte haben einmal mehr demonstriert, wer die Wahrheit, die Gerechtigkeit und die Perspektive der Machtübernahme auf seiner Seite hat. In vier Tagen hitzigen Kampfes gab es kein Wanken und keine weiße Fahne, es war ein umfassender Sieg. Der moralische Triumph wurde auch von dem Beispiel der Führung besiegelt, die im Gegensatz zu den reaktionären Offizieren, die sich hinter ihren Truppen verschanzen, um ihr Fell zu retten, die "Internationale" singend vorweg ging, um mit ungeschützter Brust den Kugeln der Völkermörder zu trotzen und so ein großes Beispiel des Heldenhaftigkeit von Kommunisten gab. Vom ersten Moment des heldenhaften Widerstandes an waren wir uns seiner Bedeutung und Tragweite bewusst. Darum war die Neugruppierung und Reorganisation einer siegreichen, belagerten und überwältigten, jedoch unbesiegten Armee die erste Notwendigkeit. Wir machten uns Sitze aus Steinen und unterteilten das Gelände vom Sicherheitszaun bis zum hinteren Teil des "Niemandslands" durch Erdaufschüttungen in zwölf Reihen. Das war der neue Gefechtsstand der 300 Gefangenen, die wir uns dort befanden. Der Rest, die mehr als 70 Verletzten und Kranken, waren in dem Gebäude untergebracht, dass "Aufnahme" genannt wird. Polizeioffiziere, verrohte Offiziere des Nachrichtendienstes und der Armee kamen täglich, um uns zu beobachten, und ihnen fiel die Kinnlade herunter, wenn sie das Leben im "Niemandsland" beobachteten. Formation und Appell um sechs Uhr morgens, bei dem außerdem ein revolutionärer Marsch oder eine Hymne gesungen wurde, danach Sport, und vollkommene Ordnung und Disziplin bei der persönlichen Hygiene, der Verteilung des Essens, dem Wäschewaschen und sogar bei der Verrichtung der Notdurft. Wir erhielten Hundert Matratzen. Ein Stück Zeltplane bedeckte einen Teil der Erde. Der Wind, die Kälte und der Nieselregen konnten dem Geist der Kriegsgefangenen nichts anhaben. Alles diente uns für handwerkliche Arbeiten. Mit Glasscherben schnitzten wir aus Holzstücken und Ästen Löffel. Wir fabrizierten Schachfiguren aus zerbrochenen Ziegeln, und jedes Stückchen Metall wurde poliert und geschliffen, um es als Werkzeug zu benutzen. Aus Plastiktüten machten wir "Waschschüsseln", um die Wäsche waschen, und knüpften Leinen, um sie aufzuhängen. Jedes Stückchen Papier oder Karton nutzten wir, um Notizen zumachen, und es zeigte sich ein großer Sinn für Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Zum Beispiel bekamen wir zwei Liter Wasser für die persönliche Hygiene und 16 Liter für das Waschen der Wäsche von acht Personen. Entbehrungen gab es beim Essen, bei Medikamenten und Wasser, die nie ausreichten. Das Gefängnisessen, das für alle Häftlinge des Gefängnisses zubereitet wurde, kam einmal am Tag und bestand an vier von sieben Tagen der Woche aus einer der Suppe. Am Morgen gab es gesüßtes Wasser und trockene Brötchen. Abends breiteten wir zum Schlafen Matratzen und Wolldecken aus, und das gesamte Gelände sah aus wie ein geordnetes Lager. Am Tag dienten uns die Matratzen und Wolldecken dazu, improvisierte Räume zu unterteilen, und das bereitete den Autoritäten Sorgen. Am 16. Mai blieben wir alle bis 12 Uhr nachts wach. Am gleichen Abend veranstalteten wir eine Sitzung zur Feier des 12. Jahrestages. An der Kopfseite eines mit Wolldecken abgetrennten Bereiches hingen eine rote Fahne mit Hammer und Sichel und eine ebenfalls rote Banderole, auf der in goldenen Buchstaben stand: Es lebe der 12. Jahrestag des Volkskrieges!
Es gab einen Bericht der Partei, das Verlesen einer Erklärung zum "heldenhaften Widerstand", und danach Händeklatschen, all das in einer Atmosphäre der kollektiven Freude und Verbundenheit. Dann wurde angestoßen, und Arbeitseinheiten und Gruppen stellten neue Gedichte, Lieder und Märsche vor. Und am Schluss fand ein allgemeines Fest statt, das bis zum Morgengrauen dauerte. Die Polizisten erhöhten ihre Wachsamkeit, sie beobachteten uns, hörten zu und feuerten sogar Schüsse in die Luft ab, doch sie griffen nicht weiter ein. Diese Feier war ein weiterer Triumph des "heldenhaften Widerstands" der Kriegsgefangenen. Unter zahlreichen vorgetragenen Liedern blieb mir das folgende in Erinnerung:
Mit Marx und Lenin und dem Vorsitzenden Mao/ dem Vorsitz von Gonzalo/ vorwärts zum Kommunismus/ 12 Jahre der Gefechte im Volkskrieg/ entwickeln wir die Stützpunkte, erobern wir die Macht/ die Kommunistische Partei, geformt von Gonzalo/ die Wahrheit der Klasse, Gonzalo ist Kommunismus.
Mit unserem Vorsitz, Vorhut und Licht/benutzten wir die Waffen/ die die Klasse uns gab/ an vier hitzigen Tagen/ die Geschichte schrieben/ vereitelte die Kommunistische Partei/ mit "heldenhaften Widerstand"/ den Plan des Massenmords/ Unsere Entscheidung: Heldenhafter Widerstand!/ Unsere Entscheidung: Heldenhafter Widerstand!/
Großartiges Beispiel unserer Führung/ die mit ihrem kostbarem Blut/ den Sieg besiegelte/ an vier hitzigen Tagen, die Geschichte schrieben/ vereitelte die Kommunistische Partei/ den Plan des Massenmords/ Leuchtende Gefechtsstände/ Mai 1992/ mit "heldenhaftem Widerstand"/ den Massenmord vereitelt.
(12 Jahre der Gefechte.)


Übersetzung aus dem Spanischen (1. Korrektur) Quelle des Orignaltextes: Afadevig



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