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Bericht aus "Die Stimmen der Verschwundenen".

Veröffentlichung der "Defensoría del Pueblo" von Peru.


"... wir haben unsere Eltern nicht gefunden. Mutterliebe, Vaterliebe haben wir nicht gefunden, bis heute ..."

R. und U. S. H.

R.: Ich bin zwanzig Jahre alt.

U. S. H.: Ich bin 27 Jahre alt.

R. und U. S. H.: Unsere Eltern wurden am 18. Juli 1985 in Alpachaca, Ayacucho, verhaftet und sind verschwunden.

Umstände der Verhaftung

Während wir schliefen, drangen mehrere schwarzgekleidete, vermummte Männer in unser Haus ein, ergriffen unsere Eltern und unseren Bruder und nahmen sie in einem Armeelastwagen mit. Uns, die kleineren Kinder, ließen sie mit einem Seil gefesselt zurück. Mein Vater arbeitete als Aufpasser über die Kaktusplantagen der Universität.

U.: Sie haben unseren Vater geschlagen. Unser Bruder wollte ihn verteidigen, und sie haben auch ihn geschlagen. Als er schon bewusstlos auf dem Boden lag, schlugen sie weiter auf ihn ein, desgleichen auf meine Mutter. Als mein Bruder wieder zu sich kam, verteidigte er meinen Vater weiter. Und weil er meinen Vater verteidigt hat, nahmen sie meinen Bruder auch mit. Sie wollten eigentlich nur meinen Vater mitnehmen, doch sie nahmen alle drei mit. Sie deckten Wolldecken über sie, und seitdem weiß niemand, wo sie sind. Aus Angst ist niemand dem Armeelastwagen gefolgt, denn sie hatten allen gedroht, ihre Häuser anzuzünden.

Unsere Tante Mercedes erstattete Anzeige. Wir wissen nicht, wohin sie sie gebracht haben. Wir haben nur Gerüchte gehört, dass sie in der Kaserne waren und danach im Rosa Haus (in jener Zeit Sitz des politisch-militärischen Kommandeurs und Hauptquartier der kombinierten Truppen aus Heer und Marine in Ayacucho). Doch wir wissen nichts. Da wir Kinder waren, wollte uns niemand Auskunft geben. Wir wollten sie suchen. Unsere Großmutter hat nach ihnen gesucht.

Folgen der Gewalt

Wir blieben bei unserer Oma, der Mutter meiner Mutter. Noch in derselben Woche gingen wir zu einer Tante, die in der Nähe wohnte, um sie um Hilfe zu bitten. Sie war die Schwester meines Vaters. Sie hat uns Geld für die Fahrt gegeben, damit wir mit unserem Bruder, der damals 12 war, zu unserer Oma fahren konnten. Er brachte uns zu unserer Oma, und da blieben wir.

Wir haben fast alle unsere Sachen im Haus zurückgelassen, denn wir wussten nicht, wie wir sie mitnehmen sollten. Wir wissen nicht, was damit passiert ist.

Wir trafen uns immer mit unseren Geschwistern. Es war schwierig, denn wir fanden unsere Eltern nicht. Mutterliebe, Vaterliebe haben wir nicht gefunden, bis heute. Die Zuneigung einer Großmutter ist nicht dasselbe. Unsere kleine Schwester war ein Jahr alt und weinte viel. Sie wollte die Brust, doch sie war nicht da. Ich trug sie hin und her, ich versorgte sie. Sie weinte Tag und Nacht, erzählt Sara.

Wenn ein Hubschrauber oder Flugzeug auftauchte, fragte sie: "Wohin hast du meine Mutter gebracht? Bring sie bitte wieder zurück!"

Unsere Schwester, die heute 24 Jahre alt ist, kümmerte sich um unsere jüngeren Brüder. Mein ältester Bruder ging auch arbeiten, um zum Unterhalt beizutragen.

Forderung an die Behörden

Wir möchten, dass sie uns wenigstens helfen zu erfahren, ob sie noch leben oder nicht, dass sie uns helfen, sie zu finden, damit wir nicht immer darüber nachdenken müssen, ob sie tot sind oder lebendig. Das ist alles, was ich will.

Manchmal hören wir Gerüchte. Es wird gesagt, sie sind in Lurigancho, und dann wird gesagt, sie sind in Puno. Diese Art von Gerüchten hören wir. Manchmal denke ich, sie leben noch. Ich möchte Gewissheit.

Juli 2000



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Übersetzung aus dem Spanischen nach: "Die Stimmen der Verschwundenen" ("Las Voces des los Desaparecidos"), herausgegeben von der Defensoría del Pueblo (Ombudsman) von Peru, 2000, S. 9 ff. (1. Korrektur)


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