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amnesty international - Jahresbericht 2001

PERU

Amtliche Bezeichnung: Republik Peru
Staats- und Regierungschef: Valentín Panigua (löste im November Alberto Fujimori im Amt ab)
Hauptstadt: Lima
Einwohner: 25,6 Millionen
Amtssprachen: Spanisch, Ketschua, Aimará
Todesstrafe: für gewöhnliche Straftaten abgeschafft
Ratifikation / Unterzeichnung von völkerrechtlichen Abkommen in 2000: Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs



Im Berichtsjahr blieben Hunderte von Gefangenen, denen die Behörden zu Unrecht terroristische Straftaten anlasteten, inhaftiert. Folterungen und Misshandlungen waren nach wie vor weit verbreitet. Erneut mussten sich Zivilisten, denen terroristische Straftaten wie "Landesverrat" vorgeworfen wurden, vor Militärgerichten verantworten. Menschenrechtler, Journalisten und führende Oppositionelle sahen sich Drohungen ausgesetzt, die einem offensichtlichen Muster systematischer Einschüchterungsversuche gegenüber Kritikern der Regierung folgten.


Hintergrundinformationen

Im September sah sich der Präsident gezwungen, Neuwahlen anzukündigen, bei denen er selbst nicht mehr kandidieren würde. Er traf diese Entscheidung, nachdem aufgedeckt worden war, dass sein Geheimdienstberater Vladimiro Montesinos Kongressabgeordneten der Opposition Bestechungsgelder gezahlt hatte und dass die Streitkräfte in Waffengeschäfte mit der bewaffneten Opposition in Kolumbien verwickelt waren. Der Termin für die Präsidentschaftswahlen wurde für April 2001 anberaumt.

Im November, knapp vier Monate, nachdem Präsident Fujimori für seine dritte Amtszeit vereidigt worden war, erklärte ihn der Kongress für "moralisch unfähig", nachdem er während eines Staatsbesuchs in Japan nach Korruptionsvorwürfen zurückgetreten war. Sein Nachfolger Valentín Panigua, ein Kongressabgeordneter der oppositionellen Acción Popular, war gerade erst als Kongressvorsitzender vereidigt worden. Seine Übergangsregierung soll bis Juli 2001, dem Zeitpunkt des Amtsantritts des bei den nächsten Präsidentschaftswahlen siegreichen Kandidaten, an der Macht bleiben.

Im Juni entsandte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eine hochrangige Mission nach Peru. In ihren anschließenden Empfehlungen legte sie den Behörden nahe, die Unabhängigkeit der Justiz und der Medien sicherzustellen und für Transparenz innerhalb der Streitkräfte und den Geheimdiensten zu sorgen. Vertreter der OAS, Mitglieder der Regierung und oppositioneller Parteien, der Ombudsmann sowie Sektoren der Zivilgesellschaft wie etwa Menschenrechtler traten in einen als Mesa de Diálogo bekannt gewordenen Dialog über die Umsetzung dieser Empfehlungen.

Nach der Wahl von Valentín Panigua wurden erste Schritte zur Umsetzung zahlreicher Empfehlungen des Mesa de Diálogo eingeleitet. Bis Jahresende war Baruch Ivcher, der Inhaber eines Fernsehsenders, der 1997 außer Landes hatte fliehen müssen, nachdem er Menschenrechtsverletzungen und Fälle von Korruption bei den Geheimdiensten aufgedeckt hatte, nach Peru zurückgekehrt. Sämtliche gegen ihn anhängigen Prozesse wurden eingestellt.


Straffreiheit

Im Oktober unterbreitete die Regierung den anderen Teilnehmern des Mesa de Diálogo den Vorschlag, im Austausch gegen die Umsetzung der Empfehlungen der OAS den Geltungsbereich der Amnestiegesetze auszudehnen und all jenen Straffreiheit zu gewähren, die sich während der Amtszeit von Präsident Fujimori Menschenrechtsverletzungen oder der Korruption schuldig gemacht haben oder in Drogengeschäfte verwickelt gewesen sind. Im Jahr 1995 hatte die peruanische Regierung die Straffreiheit durch die Verabschiedung von zwei Amnestiegesetzen legalisiert, die all jenen, die zwischen 1980 und 1995 Menschenrechtsverletzungen begangen haben, Schutz vor Strafverfolgung gewährten. Die Mitglieder des Mesa de Diálogo wiesen das Ansinnen der Regierung zurück.


Vladimiro Montesinos

Im September floh Vladimiro Montesinos, Präsident Fujimoris Berater in Geheimdienstangelegenheiten, unter Korruptionsvorwürfen außer Landes und begehrte in Panama Asyl. Seit 1991 waren dem Nationalen Geheimdienst, zu dem Vladimiro Montesinos enge Kontakte unterhielt, Menschenrechtsverletzungen wie die extralegale Hinrichtung von 16 Personen in Barrios Altos, Lima, im November 1991 sowie das "Verschwindenlassen" und die extralegale Hinrichtung von zehn Studenten und einem Professor der Universität La Cantuta im Juli 1992 angelastet worden. Der Geheimdienst soll auch für die 1997 an Leonor La Rosa Bustamente begangenen Folterungen und die Tötung von Mariela Barreto im selben Jahr verantwortlich gewesen sein. Beide Frauen waren Agentinnen des Geheimdienstes der Armee gewesen.

Der Generalsekretär der OAS drängte die panamaischen Behörden, Vladimiro Montesinos politisches Asyl zu gewähren. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen hingegen wiesen die Regierung Panamas darauf hin, dass nach Völkerrecht Personen, die im Verdacht stehen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, kein Asyl gewährt werden darf, und dass Panama auf der Grundlage des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe verpflichtet ist, Ermittlungen einzuleiten und der genannten Verbrechen verdächtige Personen vor Gericht zu bringen.

Im Oktober kehrte Vladimiro Montesinos nach Peru zurück und tauchte anschließend unter. Präsident Fujimori, der offensichtlich keinen Haftbefehl erlassen hatte, ließ die Nation wissen, dass er persönlich nach Vladimiro Montesinos fahnde. Bis Jahresende war dieser noch nicht festgenommen worden. Es lagen Hinweise dafür vor, dass er erneut außer Landes geflüchtet ist.


Der Nationale Geheimdienst

Im September brachten Menschenrechtler ihre Sorge darüber zum Ausdruck, dass Julio Salazar Monroe, der von 1991 bis 1998 Geheimdienstchef des Landes gewesen war, zum peruanischen Botschafter in Venezuela bestellt worden war. Sie drängten die dortigen Behörden, ihrer Pflicht nachzukommen, Ermittlungen gegen Personen einzuleiten, die im Verdacht stehen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben (siehe Venezuela-Kapitel).

Im Oktober wurde ein Gesetz zur Auflösung des Nationalen Geheimdienstes erlassen.


Die Justizverwaltung

Im November verabschiedete der Kongress die im Mesa de Diálogo gebilligten Maßnahmen zur Wiedereinsetzung des Nationalen Richterrats in seine 1998 beschnittenen Funktionen und zur Abschaffung der Verwaltungsausschüsse der Justiz und des Ministerio Público, die eine eklatante Einmischung der Exekutive in die Rechtspflege bedeutet hatten. Die Generalstaatsanwältin trat aufgrund ihrer angeblichen Kontakte zu Vladimiro Montesinos zurück. Drei im Jahr 1997 aus dem Dienst entlassene Verfassungsrichter wurden wieder in ihre Ämter eingesetzt.


Gewaltlose politische Gefangene

Mehr als 200 zu Unrecht terroristischer Straftaten beschuldigte Personen befanden sich Ende 2000 weiter in Haft. Während der letzten Jahre von Präsident Fujimoris Amtszeit hatten die Behörden trotz der Feststellungen einer 1996 eingesetzten Ad-hoc-Kommission nur einige wenige dieser Gefangenen auf freien Fuß gesetzt. In ihrem im August veröffentlichten Abschlussbericht sprach die Kommission sich dafür aus, 35 Gefangene zu begnadigen. Zwei Kommissionsmitglieder empfahlen darüber hinaus die Begnadigung von sieben weiteren Gefangenen. Bis Ende 2000 hatte der Justizminister sich hierzu noch nicht geäußert. In dem Bericht hieß es weiter, dass die Kommission 246 Fälle von zu Unrecht terroristischer Straftaten beschuldigter Personen an den Nationalen Menschenrechtsrat weitergeleitet und den Rat ersucht hat, 1440 von der Kommission abgelehnte Fälle zu überprüfen. In den Monaten November und Dezember ließ die Regierung von Valentín Panigua 31 Gefangene frei.

María Montenegro Montenegro, eine vierfache Mutter, war im Jahr 1994 wegen der terroristischen Straftat des "Landesverrats" zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Zwei Militärgerichte hatten sie zuvor zweimal freigesprochen. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe gründeten lediglich auf den Aussagen zweier so genannter arrepentidos, Mitglieder der bewaffneten Opposition, die als Gegenleistung für die Aussetzung ihrer eigenen Strafverfolgung oder Minderung oder Erlass ihrer Strafen Informationen liefern, die zur Ergreifung anderer vermeintlicher Mitglieder führen.


Unfaire Gerichtsverfahren

Im Berichtsjahr waren weiterhin Anti-Terrorismus-Gesetze in Kraft, auf deren Grundlage Zivilisten vor Militärgerichte gestellt werden konnten, die weder unabhängig noch unparteiisch sind. Seit 1992 haben sich mindestens 1800 Personen wegen der terroristischen Straftat des "Landesverrats" vor Militärgerichten verantworten müssen. 1999 hatte die peruanische Regierung verlauten lassen, dass sie sich nicht mehr an die Rechtsprechung des Inter-Amerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte gebunden fühlt; sie könne dessen Urteil, dem zufolge vier im Jahr 1994 von Militärgerichten des "Landesverrats" für schuldig befundene chilenische Staatsangehörige einen neuen und nach internationalen Standards der Fairness genügenden Prozess erhalten müssen, nicht Folge leisten.

1996 hatte ein Militärgericht die US-amerikanische Staatsangehörige Lori Berenson zu lebenslanger Haft verurteilt. Im August 2000 traf die Militärjustiz in einem beispiellosen Schritt auf weltweit - insbesondere aus den USA - ausgeübten Druck hin die Entscheidung, dass die Amerikanerin aus Mangel an Beweisen nicht der terroristischen Straftat des "Landesverrats" hätte schuldig gesprochen werden dürfen, und verwies ihren Fall an die ordentliche Gerichtsbarkeit. Ihr Prozess vor einem Gericht der zivilen Justiz war Ende des Berichtsjahres noch anhängig.


Folterungen und Misshandlungen

In amnesty international vorliegenden Meldungen war von Folterungen und Misshandlungen sowie von zahlreichen Todesfällen in Haft infolge der Übergriffe die Rede. Zu den berichteten Foltermethoden zählten Schläge, Elektroschocks, das Untertauchen des Kopfes des Gefangenen in Wasser und sexuelle Übergriffe. Die Haftbedingungen waren weiterhin hart und kamen vielfach grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleich.

Die Lage des Challapalca-Gefängnisses im Departement Puno in einer Höhe von über 4600 Metern über dem Meeresspiegel erschwerte Besuche von Verteidigern, Familienangehörigen und Ärzten erheblich.

Die Haftbedingungen in einem Gefängnis in der Marinebasis Callao bei Lima waren weiterhin hart. Anführer der beiden bewaffneten Oppositionsgruppen Revolutionäre Bewegung Túpac Amaru (Movimiento Revolucionario Túpac Amaru - MRTA) und Leuchtender Pfad wurden in Einzelhaft in unterirdischen Zellen festgehalten, und selbst während der nur einmal im Monat gestatteten Besuche ihrer Familienangehörigen war ihnen der direkte Kontakt mit ihren Besuchern untersagt.


Einschüchterungen und Todesdrohungen

Im Berichtsjahr sahen sich Journalisten, Menschenrechtler, Mitglieder oppositioneller Parteien und ihre Angehörigen Einschüchterungsversuchen und Drohungen ausgesetzt. Es gab keine Anzeichen dafür, dass die Behörden diese Drohungen ernst nahmen. In Berichten war verbreitet davon die Rede, dass die Schikanen und Einschüchterungsversuche vom Nationalen Geheimdienst organisiert worden sind (siehe oben).


Der UN-Menschenrechtsausschuss

Im Oktober prüfte der UN-Menschenrechtsausschuss Perus vierten periodischen Bericht über die innerstaatliche Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Der Ausschuss empfahl der Regierung, die Amnestiegesetze aus dem Jahr 1995 aufzuheben und zukünftig keine solchen Gesetze mehr zu erlassen. Er drängte die peruanischen Behörden auch, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter sicherzustellen und einen gesetzlich verankerten Mechanismus zu schaffen, der die Einmischung der Exekutive in die Justiz verhindern soll. Darüber hinaus forderte der Menschenrechtsausschuss die Regierung auf, alle Fälle, in denen Zivilpersonen vor Militärgerichte gebracht worden sind, zu überprüfen, und beklagte die Tatsache, dass die Militärjustiz noch immer gegen Zivilpersonen verhandeln kann. Der Ausschuss brachte seine Sorge über die Haftbedingungen im Lurigancho-Gefängnis in Lima und in den Gefängnissen Yanamayo und Challapalca im Departement Puno zum Ausdruck. Abschließend drängten die Ausschussmitglieder die Regierung unter anderem, das Recht auf freie Meinungsäußerung unter allen Umständen zu achten.


Quelle: amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland