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Öffentliche Anhörung der Wahrheitskommission in Huanta

1. Sitzung, Fall Nr. 4

Aussage von Mitgliedern der Familien Auqui Tenorio und Castillo García über die willkürliche Inhaftierung, das gewaltsame Verschwinden und die illegale Hinrichtung von ihren Angehörigen durch Armee, Polizei und sogenannte "Selbstverteidigungskomittees" in den Jahren 1980 bis 1985 in Huanta und Umgebung.

Teil 2: Aussage von Juan Tenorio Roca:

Sehr geehrte Autoritäten des Departements Ayacucho, der Provinz Huanta. Meine Damen und Herren der Wahrheitskommission. Meine Herren Journalisten, verehrtes Publikum. Vor ihnen steht jemand, der drei Verwandte zu unterschiedlichen Zeitpunkten verloren hat. Eine ist Felicitas Auqui Tenorio, und einer mein Bruder - vielleicht kennt man ihn hier in Huanta - Rigoberto Tenorio Roque, im Jahr 1984, und der andere war Melitón Auqui Tenorio, der am 20. Mai 1985 verschwand, und ich werde über zwei davon eine Erklärung abgeben. Über Rigoberto wird seine Ehefrau aussagen.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Fall ereignete sich in der Dorfgemeinschaft Satica anlässlich des Todes des Herrn Gerardo Martínez am 15. Juni 1983. Der Herr Gerardo Martínez wurde am 15. Juni tot aufgefunden, und meine Schwester Emilia Tenorio de Auqui wusste nichts darüber, was vorgefallen war. Sie war unschuldig. Doch sie wurde direkt beschuldigt, als ob sie die Schuldige wäre. Was geschah, war, dass Teodoro Martínez, der Sohn des Herrn Gerardo Martínez, - ich weiß nicht, wie er es erfahren hat - eine Gruppe "Sinchis" organisiert hat, und dass dieser Herr in die Dorfgemeinschaft Satica, nach Sachanyoc, kam, und das ganze Haus von den "Sinchis" umstellen ließ. Er begann, Emilia Tenorio Auqui zu misshandeln, und sagte: "Du weißt mit Sicherheit, wer meinen Vater getötet hat." Er schlug meine Mutter in den Bauch, auf den Kopf, bis sie das Bewusstsein verlor. Und die "Sinchis" stießen ihr den Schaft des Maschinengewehrs in die Rippen, um sie zum Sprechen zu bringen. Doch damit gaben sie sich nicht zufrieden. Sie griffen sich ein Kind von zehn Jahren, ein Mädchen, und sagten, du hast da etwas. Sie durchsuchten das ganze Haus, und zwangen das Kind, sich im Haus auszuziehen, um etwas zu finden. Seine Mutter, Emilia Tenorio, dachte, dass sie, … dass sie das Mädchen umbringen oder vergewaltigen würden. Doch sie fanden nichts. Sie nahmen alles mit, was Wert hatte, und damit nicht genug, ließen sie Emilia Tenorio bewusstlos und blutend auf dem Boden liegend zurück, während die Kinder weinten. Sie zündeten die fünf Gebäude an, die es gab. Und sie brannten mit dem Stroh auch die Aussaat und die Pflanzen ab. Dann hörten sie auf, … also, als die "Sinchis" nichts fanden und nachdem sie so viele Dinge zerstört hatten und so viel Böses angerichtet hatten, verschwanden sie. Erst da kam Emilia Tenorio de Auqui zu sich. Als sie aufwachte, besaß sie praktisch nichts mehr, denn im Haus konnte sich nicht mehr schlafen, sie hatte kein Bett, keine Lebensmittel. Da begab sie sich in die Dorfgemeinschaft Incarjay im Distrikt Pampa Cangallo. Dort war ihr Mann Eusebio Auqui Orozco. Sie erzählte ihm, was passiert war, doch Tatsache war, dass sie nichts machen konnten. Sie sagten mir hier in Lima Bescheid, um mich zu fragen, was ich tun könnte. So kam es, dass ich in Lima einen Anwalt engagierte und ihr mitteilte, sie soll nach Lima kommen. Wir sind zu den Behörden gegangen, und haben um Garantien gebeten. Wir haben das Innenministerium über die Sache informiert, damit diese Fälle ... damit ... ehe noch mehr passiert. Doch bei all diesen Behördengängen, die wir machten, meine Damen und Herren, war ihre Tochter, ihre Tochter Felicitas Auqui Tenorio nicht dabei. Sie war zu Haus geblieben, um auf die Tiere und auf das Haus und das Haus im Tal aufzupassen. Während ... während wir mit diesen Behördengängen beschäftigt waren, erfuhren wir, dass sie auf dem Markt in Pampa Cangallo von drei "Sinchis" der Guardia Civil festgenommen worden war, weil die Tochter des Herrn Gerardo Martínez gesagt hatte, dass sie weiß, wer es war. Und da fing sie an zu schreien, weil sie wußte, wie sie ihre Mutter misshandelt hatten, wie ich bereits erzählt habe, alles, was sie ihr angetan hatten. Dann als ... ihre Mutter in Lima davon erfuhr, fuhr sie nach Pampa Cangallo, um in Erfahrung zu bringen, was mit ihrer Tochter passiert ist. Niemand gab ihr Auskunft. Einer der Zeugen sagte … eine sehr aufrechte Person, bezeugte die Verhaftung: Ignacio Alarcón Pareja war der Einzige unter so vielen Leuten, die auf dem Markt sind, der angab, dass sie festgenommen worden, verhaftet worden war und dass sie sie mit Gewalt weggeschleift hatten. Doch bis heute wissen wir nichts weiter. Und eine andere Person, der Sohn von Antonia Auqui, brachte durch Nachforschungen ebenfalls in Erfahrung, dass sie verhaftet worden ist. Er hat herausbekommen, dass ... am 27. oder 28., am 28., so hat man ihm gesagt, die "Sinchis" sie mit unbekanntem Ziel weggebracht haben. Sie haben drei Stunden gebraucht und sind ohne die Felicitas zurückgekehrt. Sie war alleinstehende Mutter und ließ vier Kinder unversorgt zurück, um die sich die Mutter kümmerte, und heute können die Kinder nichts lernen. Vielleicht können Sie sich vorstellen, wie es ist, ohne Mutter und Vater. Sie war eine verwitwete Mutter, besser gesagt, eine alleinstehende Mutter, und es reichte nicht zum Leben. Das ist es, was mit Felicitas Auqui passiert ist. Meine Damen und Herren, wir verlangen von den Behörden, hier von der Wahrheitskommission, dass sie in dieser Sache Maßnahmen ergreifen.

Den zweiten Fall wird meine Schwägerin vortragen. Nun geschah es, dass am 20. Mai 1985 der Bruder von Felicitas, damals im Jahr 1985, auf dem Weg zur Dorfgemeinschaft Satica war, um Lebensmittel hinzubringen, denn in Satica hatten wir Vieh stehen, und so brachte er für denjenigen, der auf sie aufpasste, immer Verpflegung hin, und der Weg hin und zurück dauerte immer rund drei Tage. Zu der Zeit hütete Herr Pablo Tenorio Quicaño das Vieh. Es sieht so aus, als hätten in diesen drei Tagen die Bauern der Dorfgemeinschaft festgestellt, dass eine fremde Person da war, obwohl wir in Wirklichkeit keine Fremden waren. Wir haben vor Jahren dort gelebt. Sie stürmten um 5:00 Uhr das Haus und entführten Melitón Auqui Tenorio. Und Pablo Tenorio Quicaño konnte niemand erkennen, denn es war Nacht, ungefähr 5:00 Uhr früh. Sie banden ihn an ein Pferd und schleiften ihn über den Boden bis zur Dorfgemeinschaft Munaypata, und von dort nach Cusibamba. Und Pablo Tenorio Quicaño, der erfahren hatte, wo sie hin waren, holte sie in Aguila Salvatierra in der Dorfgemeinschaft Cusibamba ein, und er konnte fünf Personen erkennen, wie wir später in der Anzeige angaben, oder er konnte sagen, es sind fünf Personen ... oder besser gesagt, er konnte vier Personen erkennen, nämlich Jacento ... Jacento Calderón, Eduardo de la Cruz Arango, Rosendo Nuñez Escalante und Marcelino de la Cruz Arango. Wir stellten darüber Nachforschungen an. Und zu Pablo Tenorio Quicaño sagten wir, Sie müssen darüber aussagen, denn er hat Lebensmittel für Sie gebracht, damit Sie (unhörbar), wenn nicht, geben wir ihren Namen an, denn wer könnte sonst Zeuge sein, wenn nicht Sie. Er ist zum Friedensrichter in Pampa Cangallo gegangen und hat ausgesagt. Dieser Mann hat mutig seine Aussage gemacht und alles angegeben. Unter anderem hat er in der Anzeige niedergelegt, dass er auch bedroht worden ist. Denn als er sie in Cusibamba einholte, haben sie zu ihm gesagt, du Spion, du verbirgst auch etwas und wirst genauso sterben. Tatsache ist, dass er später auch verschwunden ist, bis heute weiß niemand etwas von ihm, und das nur, weil er eine Aussage gemacht hat. Seiner Mutter wurde auch gedroht, dass sie auf die gleiche Art verschwinden wird, wenn sie Anzeige erstattet. Doch es war klar, dass diese Männer, die ich genannt hatte, nicht einfach so ihre Spuren tilgen konnten. Melitón Auqui haben sie in die Kaserne von Casacancha gebracht. Meine Schwester Emilia Tenorio Quicaño ist zur Kaserne Casacancha gegangen, um nachzufragen. Den Hinweis hat ihr der Bürgermeister von Casacancha gegeben, und er hat sie begleitet, Dank diesem Mann. Und sie haben ihnen gesagt, dass sie die Sache untersuchen. Dann traf sie später zufällig einen gewissen Leon Gómez, der in Haft war, den sie aber freigelassen hatten. Dieser Leon Gómez sagte, wir haben uns drinnen getroffen und miteinander geredet, er hatte eine Schusswunde, ihm ging es schlecht, ich weiß nicht, ob er frei kommt. Seitdem haben wir nichts mehr über seinen Verbleib in Erfahrung bringen können, über das, was ihm widerfahren ist, und Sie können es sich sicher vorstellen, die Misshandlungen ... . Ich bedanke mich bei den Damen und Herren der Wahrheitskommission, dass sie sich dafür einsetzen, die Wahrheit zu erfahren. Es sind schon so viele Jahre vergangen. Wir danken der Kommission für Menschenrechte und den Vertretern der Organisationen, die uns in so vielen Dingen unterstützen, die für den Transport gesorgt haben. Recht vielen Dank, meine Damen und Herren.

Quelle: Homepage der Wahrheits- und Versöhnungskommission: http://www.cverdad.org.pe/

Übersetzung aus dem Spanischen: MPP-A (1. Korrektur)


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