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Öffentliche Anhörung Wahrheits- und Versöhnungskommission über das Thema der Antiterrorismusgesetzgebung und unschuldige Häftlinge

Ausführungen von Pilar Coll

Rechtsanwältin. Mehrere Jahre Verantwortliche des "Menschenrechtsdienstes der Apostolischen Sozialen Aktion" CEAS in Lima. Ehemalige Generalsekretärin der Coordinadora Nacional de Derechos Humanos (Nationale Koordinationsstelle für Menschenrechte). Beauftragte der Kirche für die Arbeit in den Gefängnissen seit 1978. Derzeit ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Wahrheits-und Versöhnungskommission.

4. Juli 2002



Lebensbedingungen im Gefängnis

Die ersten Jahre waren absolut dramatisch. Die Verlegung vom Gefängnis "Castro Castro" nach Chorrillos erfolgte unter vollkommen unmenschlichen Bedingungen mit Misshandlungen und keiner weiteren Habe als derKleidung, die sie auf dem Leibe trugen und die bei vielen mit dem Blut aus eigenen oder fremden Wunden befleckt war. In den ersten drei Monaten erhielten sie keinen anderen Besuch als den des Internationalen Roten Kreuzes und durften nur fünf Minuten täglich die Zellen verlassen. Nach Ablauf von drei Monaten hatten sie 1/2 Stunde Hofgang pro Tag und waren 23 1/2 Stunden in Zellen von 6 qm Größe eingeschlossen, in denen sich ein offenes Toilettenbecken, ein kleines Waschbecken für die tägliche Hygiene, zwei Bettkojen und ein kleiner Sockel, der als Tisch diente, befanden, das alles aus Zement. Diese Zellen teilten sie mindestens zu dritt und sie gewährten keinerlei Privatsphäre, denn die Vorderseite besteht aus einem Gitter, das vom Boden bis zur Decke reicht. Durch eine kleine Öffnung kurz über den Fußboden wurde ihnen einmal am Tag eine spärliche Mahlzeit durchgereicht, die immer kalt war. Den Rest des Tages gab es drei Brötchen und zwei Tassen irgendeines Kräutertees. Nach drei Monaten wurde eine Besuchsregelung eingeführt, die einmal im Monat den Besuch von zwei direkten Angehörigen mit zuvor beantragter Besuchserlaubnis gestattete. Der Besuch fand in Kabinen statt, die zweifach unterteilt waren (durch ein Gitter und einen dichten Maschendraht), wodurch die Verständigung äußerst schwierig war. Der Besuch von Kindern unter 14 Jahren fand alle drei Monate statt und dauerte eine Stunde. Für die Frauen war er direkt, für die Männer wurden die Besucherkabinen benutzen. Sie hatten keinerlei Zugang zu irgendwelchen Informationsmedien und durften kein Papier und Stift, keinerlei Objekte aus Metall und keinerlei Bücher außer der Bibel besitzen.

So war es fünf endlose Jahre lang, bis im Juni 1997 durch das Dekret 005 und seine Modifizierungen im Februar 1999 die Zeit des Hofgangs verlängert und ein differenzierteres Haftregime eingeführt wurde.

Von Anfang an entstand bei uns wenigen Personen, die wir Zugang zu den Häftlingen hatten, der Eindruck, dass ein beträchtlicher Teil der Personen, die diesem Haftregime unterworfen waren, unschuldig waren und zu Unrecht wegen Terrorismus oder Landesverrat angeklagt wurden. Dieser Umstand erregte immer wieder unsere ganz besondere Besorgnis. Ob unschuldig oder schuldig, alle wurden im Schnellverfahren unter vollständiger Missachtung der Normen eines ordentlichen Prozesses (in der Regel ohne Staatsanwalt und ohne Verteidiger) von Militärgerichten und den Richtern "ohne Gesicht" zu Höchststrafen verurteilt. Angesichts der Härte der Antiterrorismusgesetzgebung überwogen die Verurteilungen zu lebenslänglicher Haft, während Strafen unter 20 Jahren die Ausnahme waren.

Die unschuldigen Häftlinge, die keinerlei Verantwortung an den ihnen zur Last gelegten Taten trugen, waren diejenigen, die am meisten litten und in Verzweiflung gerieten. Die Haftbedingungen für diejenigen, die wirklich verwickelt waren, waren ebenso hart, doch sie wussten, warum sie in Haft waren, und ihre Ideologie hielt sie aufrecht.

Nach einiger Zeit wurde eine Prozedur eingeführt, die ich persönlich als besonders grausam, unmenschlich und erniedrigend empfinde. Das waren die infamen Fesseln, mit denen sowohl männliche als auch weibliche Häftlinge zu Krankenhaus- und Gerichtsterminen transportiert wurden. Gefesselt an Händen und Füßen, die Hand- und Fußfesseln mit einer Kette verbunden. Beim Gehen über die Fliesen entstand damit ein Geräusch, das die Aufmerksamkeit ihrer ganzen Umgebung auf sie lenkte und sie, nach einem geläufigen Kommentar der Frauen, den Galeerensträflingen ähneln ließ, die man in Filmen sieht. Weigerten sie sich, auf diese Art ins Krankenhaus transportiert zu werden, mussten sie eine Erklärung unterschreiben, mit der sie bescheinigten, dass sie für eventuelle Folgen für ihre Gesundheit selbst verantwortlich seien. Wenn sie im Krankenhaus interniert waren, wurden sie ständig mit den Händen ans Bett gefesselt, und ich weiß von mindestens zwei Personen, einen Mann und eine Frau, die mit Fesseln gestorben sind, obwohl sie schon mehrere Tage lang im Koma lagen.

Während der Übergangsregierung des Dr. Paniagua wurde dann das Haftregime entscheidend modifiziert und menschlicher. Und es ist unglaublich, dass dies heute von einigen Leuten in Frage gestellt wird. Wir alle sollten Scham empfinden, weil wir geduldet haben, dass menschliche Wesen, unsere Mitmenschen, so behandelt worden sind. Ich muss sagen, dass es uns, die wir diese schrecklichen Dinge, diese Niederträchtigkeiten, aus der Nähe gesehen haben, sehr schwer fiel, zu schweigen. Doch wenn wir offen gegen das, was geschah, protestiert hätten, hätten sich uns die Türen verschlossen, und die Gefangenen hätten die Ermutigung und Solidarität verloren, die wir Ihnen durch unsere Präsenz gaben. Wir mussten uns, manchmal mit großer Entrüstung und dem Gefühl der Ohnmacht, damit begnügen, einige Informationen "einzuschleusen" und uns für einige Dinge bei denen einzusetzen, von denen wir annahmen, dass sie auf eine Veränderung der Verhältnisse Einfluss nehmen könnten.

Zusätzliches geschlechtsspezifisches Leid für Frauen

1) Ich möchte hervorheben, was die zusätzliche Quote an Leid für Frauen in Gefängnissen bedeutet hat und bedeutet. In der DINCOTE (Nationale Direktion gegen den Terrorismus), war es relativ üblich, dass Frauen neben Folter und Misshandlungen Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe erlitten. Erlauben Sie mir, einen Satz aus dem Bericht einer Gefangenen, die mittlerweile frei ist, über die Erfahrungen nach ihrer Verhaftung vorzulesen:

Ich lernte auf einen Schlag die Kälte in den Knochen und in der Seele kennen,
die Verachtung, die manchmal im Schweigen des anderen liegt,
und in der erzwungenen Dunkelheit meiner verbundenen Augen,
die Erniedrigung auf meinem nackten Fleisch
in einem Albtraum des Hohns und der Scham.

Es gab mehrfache Vergewaltigungen und andere sexuelle Übergriffe, Drohungen, ihre Kinder festzunehmen, sie im Morgengrauen an den Strand zu bringen, um sie zu foltern. Zwei hatten eine Fehlgeburt aufgrund der Folter, einer spielten sie während des Verhörs eine Kassette mit dem Weinen ihrer Kinder im Augenblick ihrer Verhaftung vor.

2) Auch wenn es Fälle von beispielhafter Treue von Eheleuten gegeben hat und gibt, so hat es auch Fälle gegeben, in denen Frauen von ihren Männern verlassen wurden, während sie im Gefängnis waren, was zu vielen Krisen und Leid geführt hat. Daneben ist die Anzahl der Frauen bemerkenswert, die bereits vor ihrer Einlieferung ins Gefängnis von ihrem Partner verlassen worden waren, und das bedeutete, dass die Kinder auf sich selbst gestellt zurückblieben, was für die Mütter außerordentlich belastend war.

3) Zweifellos ist und war das schmerzhafteste Kapitel die Trennung von den Kindern, in vielen Fällen das Wissen, dass sie auf sich selbst gestellt waren oder sich in einem ständigen Karussell befanden, bei dem sie mittellos von einem Verwandten zum anderen weitergereicht wurden. Nie werde ich die freudige Erwartung vergessen, mit der sie sich auf den Besuch ihrer minderjährigen Kinder alle drei Monate vorbereiteten, und die Traurigkeit, Mutlosigkeit und Krisen, die häufig auf den Besuch folgten. Die Allerkleinsten erkannten manchmal nach drei Monaten ihre Mutter nicht wieder, und das war außerordentlich hart für sie. Eine schreibt:

"Ich habe errechnet, dass ich in den zwei Jahren, die ich im Gefängnis bin, wenn ich die Spezialbesuche zu Weihnachten und zum Muttertag mitrechne, meine Kinder nur zwölf Stunden, einen halben Tag, lang gesehen habe."

4) Nach mehreren Jahren wurde vier Frauen aus der Pilotabteilung das intime Beisammensein mit ihren Ehemännern zugestanden, das nicht als Recht anerkannt ist, sondern als Vergünstigung gewährt wurde, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt waren. Doch dieser Besuch fand in einem ungeeigneten Raum statt, der keinerlei Privatsphäre bot, die Zeit war zu knapp bemessen, und er setzte einen haarsträubenden Papierkrieg voraus. Heute ist diese Art von Besuch wieder abgeschafft worden, da in dem Raum eine geistig gestörte Gefangene untergebracht ist. Auch im Gefängnis haben einige Frauen sexuelle Übergriffe erlitten. Es gab einen Arzt, der jedes Mal eine Vaginaluntersuchung vornahm, auch wenn sie ihn wegen Mandelentzündung, Gastritis oder ähnlichen Krankheiten aufsuchten.

5) Die Enge, die triste, graue Atmosphäre von Zement und Metall ohne eine Spur von Ästhetik und Schönheit wirkt abstoßend und verletzend auf das weibliche Schönheitsempfinden. Doch man muss anzuerkennen, dass es diesen Frauen mit ihrer Kreativität und viel Mühe gelungen ist, diese Hölle aus Zement in einen bewohnbaren Ort zu verwandeln. Es war eine große Herausforderung. In einem Jahr ging ich zu Weihnachten von einer Zelle zur anderen, um die Insassinnen zu begrüßen (sie waren eingeschlossen und die Polizistinnen erlaubten mir nicht einzutreten), und alle Gitter waren mit Blüten und grünen Zweigen geschmückt. Diese Frauen hatten es geschafft, die Wüste zum Erblühen zu bringen.

Einige Empfehlungen

Eine langjährige Haft verursacht eine offensichtliche Schädigung der Persönlichkeit. Es ist eine sehr schmerzliche Erfahrung für uns, die wir regelmäßig die Gefängnisse besuchen, den körperlichen und psychischen Verfall bei einigen Gefangenen mitzuerleben, wenn sich die Haft über viele Jahre hinzieht. Nur wenige, außerordentlich starke Persönlichkeiten schaffen es standzuhalten.

Zwar sind viele Personen durch Begnadigung oder Freispruch entlassen worden, doch wir dürfen nicht vergessen, dass es in unseren Gefängnissen noch viele Unschuldige gibt, und vielleicht sind diejenigen am schutzlosesten, um die sich niemand kümmert, für die niemand eintritt, und die weiter auf ihre verdiente Freilassung warten. Es gibt auch Kranke, die aus humanitären Gründen begnadigt werden sollten.

Und vor allem gibt es sehr viele mit überhöhten Strafen, viele, die zu unverhältnismäßig hohen Strafen verurteilt worden sind und ihre Freilassung verdient haben, die eine hervorragende Führung vorzuweisen haben und mehr als genug gebüßt haben, falls sie irgend eine Schuld tragen. Ihnen die Freiheit vorzuenthalten ist eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit in Anbetracht der rechtswidrigen Bedingungen, unter denen sie verurteilt wurden: Militärgerichte, die über Zivilisten richteten, Richter "ohne Gesicht", ohne Staatsanwalt und Verteidiger und ohne die elementarsten Rechtsgarantien für einen ordentlichen Prozess.

Eine Strafumwandlung oder eine Revision der Fälle ist zwingend notwendig, wenn wir nicht weiter eine Situation aufrechterhalten wollen, die zutiefst ungerecht ist.

Was die Haftbedingungen angeht, so halte ich eine bessere medizinische Versorgung für notwendig. Es gibt kaum Medikamente, und letztlich müssen die Gefangenen sie sich selbst besorgen. Die Verpflegung besteht weiterhin aus einer einzigen warmen Mahlzeit, Brot und Kräutertee am Abend.

Eine weitere Notwendigkeit ist ein Telefon, dass die Kommunikation mit der Außenwelt erleichtert, vor allem für die so genannten "Pilotabteilungen" weiblicher und männlicher Häftlinge, die weder eine Gefahr für die Allgemeinheit noch für die Sicherheit des Gefängnisses darstellen. Ein Gefängnis hat eine umso schädlichere Wirkung, je mehr es von der Gesellschaft abgeschirmt ist, zu der es weiterhin gehört. Wenn wir wollen, dass sie sich eines Tages wieder in die Gesellschaft integrieren, müssen wir sie nach und nach darauf vorbereiten.

Eine gerechte Entschädigung für alle, die unrechtmäßig und über längere Zeit in Haft waren, und zwar nicht nur für diejenigen, die begnadigt worden sind, sondern auch und mit mehr Berechtigung für alle, die freigesprochen worden sind.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass das Problem der unschuldigen Häftlinge und der unverhältnismäßig hohen Strafen nicht nur Sache der Inhaftierten, ihrer Angehörigen und Freunde ist, sondern uns alle angeht. Wir dürfen uns nicht von ihrem Leid und ihren Forderungen abwenden.



Übersetzung aus dem Spanischen. Quelle des Originaltextes: www.cverdad.org.pe



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