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DIE ILLEGALEN HINRICHTUNGEN VON STUDENTEN DER UNIVERSITÄT "LA CANTUTA"


Auszüge aus dem Abschlussbericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission


Zusammenfassung

Die Wahrheits- und Versöhnungskommission bestätigt, dass neun Studenten und ein Dozent der Nationalen Universität für Pädagogik "Enrique Guzmán y Valle", "La Cantuta" in Lima von Bediensteten des Staates illegal hingerichtet wurden und die Untersuchung der Ereignisse unter der Regierung des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori absichtlich behindert wurde, indem durch gesetzgeberische und rechtliche Mechanismen versucht wurde, die Verantwortlichen zu decken und zu verhindern, dass sie vor Gericht gestellt und bestraft werden.

Kontext

Die politische Gewalt schloss von Anfang an die staatlichen Universitäten ein, wo sich zuerst Sendero Luminoso und dann die MRTA konzentrierten, um unter Studenten und Dozenten Kader anzuwerben. Wie in anderen staatlichen Universitäten wurden auch an der Nationalen Universität für Pädagogik "Enrique Guzmán y Valle", bekannter als "La Cantuta", die Präsenz von Studenten mit Verbindungen zu Sendero Luminoso registriert, was die Bildung eines Vorurteils gegen Tausende von Studenten förderte, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer staatlichen Universität in vielen Fällen der Subversion verdächtigt und verhaftet wurden, während die jeweiligen Regierungen die akademische Arbeit und Verwaltung der Universitäten, denen sie angehörten, kontrollierte.

Im Laufe des Jahres 1991 besetzten die Streitkräfte zuerst de facto, und dann gestützt auf eine Modifizierung des Hochschulgesetzes durch die Regierung des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori, die staatlichen Universitäten und errichteten militärische Kontrollstellen. In diesem Kontext der Intervention und militärischen Kontrolle kam es zu schweren Menschenrechtsverletzungen zu Lasten von Hunderten von Studenten, hauptsächlich an der Staatlichen Universität des Zentrums in Huancayo.

Die Intervention der Universität "Enrique Guzmán y Valle" ("La Cantuta")

Anfang 1991 wurde über einen lokalen Fernsehsender ein Video verbreitet, das einen politisch-kulturellen Akt an der Universität "La Cantuta" zeigte und zu Spekulationen über den Grad der Kontrolle der Universität durch Sendero Luminoso einlud. Am 31. Mai 1991 besuchte der Ex-Präsident Alberto Fujimori die Universität und provozierte eine gewaltsame Reaktion der Studenten, die ihn zwang, unter Schmähungen den Campus zu verlassen. Am nächsten Tag übernahmen Militärtruppen die Kontrolle der Nationalen Universität San Marcos und der Universität "La Cantuta", wo 56 Studenten festgenommen wurden. Unter den Festgenommenen befanden sich drei der neun Studenten, die später illegal hingerichtet wurden.

An diesem Tag, dem 22. Mai 1991, errichtete die Armee in der Universität "La Cantuta" eine Militärbasis, die der "Division für Spezialstreitkräfte" (DIFE) unterstand und "Stützpunkt für Bürgeraktionen" genannt wurde, verhängte in der Universität eine nächtliche Ausgangssperre und führte Kontrollen der Studenten beim Betreten und Verlassen des Universitätsgeländes durch Soldaten ein. Außerdem wurden laut offiziellen Dokumenten des Nationalen Nachrichtendienstes (SIN) Agenten in die verschiedenen staatlichen Universitäten und Akademien eingeschleust, darunter die Universität "La Cantuta", die über die Aktivitäten der Studenten und Dozenten, sowie ihre ideologische und politische Orientierung berichteten.

Die "Gruppe Colina"

Nach den Untersuchungen der Staatsanwaltschaft, wurde ausgehend von den obersten Befehlshabern des Militärs eine Strategie des Untergrundkampfes gegen die Subversion eingeführt. Aus derselben Quelle geht hervor, dass 1991 Agenten des Geheimdienstes (AIO), die dem Nationalen Nachrichtendienst der Armee (SIE) angehörten, dazu abgestellt wurden, ein Kommando zu bilden, das der Direktion des Nationalen Nachrichtendienstes des Heeres (DINTE) unterstand und später als "Gruppe Colina" bekannt wurde. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft, waren die Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen bei Militäroperationen des Jahres 1991 die Offiziere Fernando Rodriguez Zabalbeacoa, damals im Rang eines Majors des Heeres, Santiago Martin Rivas und Carlos Pichilingue Guevara, beide im Rang eines Hauptmanns des Heeres, und der Unteroffizier Marco Flores Alban, die mit dem Major des Heeres Roberto Paucar Carvajal und dem Hauptmann des Heeres Ronald Robles Córdoba, beide Mitglieder des SIN, und dem Oberleutnant Antonio Rios Rodriguez von der peruanischen Kriegsmarine zusammenarbeiteten. Im Jahre 1991 wurden diese Offiziere und andere aus dem engsten Kreis, wie der General des Heeres (i. R.) Luis Cubas Portal, Schwager des ehemaligen Präsidentenberaters für den Nationalen Nachrichtendienst Vladimiro Montesinos Torres, belobigt und danach auf ausdrückliche Empfehlung des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori befördert.

Gegen die Mitglieder dieser Einheit laufen derzeit bei Zivilgerichten Strafverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter die Verschleppung und Ermordung von neun Studenten und einem Dozenten der Universität "La Cantuta" im Juli 1992.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1991 erwirkte der Ex-Präsident Alberto Fujimori vom Parlament gesetzgeberische Kompetenzen, worauf er mit einer Reihe von Gesetzesmaßnahmen, die im November 1991 in Kraft traten, das System des Nationalen Nachrichtendienstes stärkte und eine neue Politik im Kampf gegen die Subversion vorschlug. In diesem Zusammenhang erhielt am 12. November des Jahres der Nationale Nachrichtendienst (SIN) den Rang eines Ministeriums und wurde der direkten Kontrolle durch den Präsidenten der Republik unterstellt.

Vor diesem Hintergrund wurden am 3. November 1991 in einem Haus im Stadtteil Barrios Altos in der Innenstadt von Lima fünfzehn Menschen von schwerbewaffneten Subjekten ermordet, die in Fahrzeugen vorfuhren, wie sie offizielle Stellen benutzen, und in einer Gegend, die polizeilich überwacht wird, vollkommen ungehindert agieren konnten. Dies war das erste Verbrechen in Lima, das der Gruppe Colina zugeschrieben wird.

Die Aktionen der PCP-SL in Lima

Im Laufe des Jahres 1991 und im ersten Halbjahr 1992 nahmen die Anzahl und die Intensität der Militäraktionen von Sendero Luminoso in Lima gegenüber den Vorjahren zu, und die Hauptstadt wurde zum Hauptangriffsziel. Zwischen 1991 und 1992 erschütterten sechs Autobomben die Hauptstadt. Als Reaktion darauf entschloss sich die Regierung von Alberto Fujimori am 5. April 1992, die verfassungsmäßige Ordnung außer Kraft zu setzen und die Macht zu konzentrieren. Trotz der Maßnahmen der neuen Regierung des "nationalen Wiederaufbaus" nahmen die Aktionen der Subversion zu. Zwischen Januar und Juli 1992 gab es mehrere Attentate auf Führer von Stadtteilorganisationen, "bewaffnete Streiks" und 37 Autobomben.

Einer der schwersten Anschläge von Sendero Luminoso ereignete sich am 16. Juli 1992, als zwei Fahrzeuge mit mehr als einer halben Tonne Sprengstoff in der Straße Tarata im zentralen Stadtteil Miraflores in Lima explodierten und 22 Personen getötet, mehr als 100 verletzt und Hunderte von Gebäuden beschädigt wurden. Am nächsten Tag zündete Sendero Luminoso eine weitere Autobombe vor dem Rathaus und der Polizeistation des Distrikts Villa El Salvador. Beide Anschläge verstärkten das Gefühl der Unsicherheit der Bürger, und die Strategie der Regierung gegen die Subversion, mit der die Notwendigkeit des Staatsstreichs vom 5. April gerechtfertigt worden war, wurde in Frage gestellt.

Die Entführung und spätere Ermordung von neun Studenten und einem Dozenten der Universität "La Cantuta"

In den späten Abendstunden des 17. und den frühen Morgenstunden des 18. Juli 1992 drangen Mitglieder der "Gruppe Colina" mit Unterstützung von Soldaten der Militärbasis in der Universität "La Cantuta" in das Studentenwohnheim ein und entführten in Gegenwart von rund 50 Zeugen neun Studenten und einen Dozenten der Universität. Die Studenten waren: Juan Mariños Figueroa (32), Heráclides Pablo Meza (28), Robert Teodoro Espinoza (24), Armando Amaro Cóndor (25), Luis Enrique Ortiz Pereda (21), Dora Eyague Fierro (21), Felipe Flores Chipana (25), Bertila Lozano Torres (21), Marcelino Rosales Cárdenas, und der Dozent war Hugo Muñoz Sanchez (47).

In den Tagen danach gab keine Militärdienststelle Auskunft über den Verbleib der verschleppten Studenten und des Professors, und die nächtliche Operation wurde bestritten. Die Angehörigen reichten zahlreiche Habeus-Corpus-Akten ein, die trotz der zahlreichen Zeugenaussagen von Studenten, in denen die Entführung der Opfer detailliert geschildert wurde, ergebnislos blieben.

Die ersten Nachforschungen der Presse

Die hartnäckige Weigerung der Vertreter von Politik, Justiz und Militär, Informationen zu geben, bewegte die Presse, Nachforschungen über den Verbleib der Verschleppten der Universität "La Cantuta" anzustellen. Anfang Dezember 1992 veröffentlichte die Zeitschrift "Sí" einen Artikel, in dem sie behauptete, sie habe aus anonymen Quellen erfahren, dass die Verantwortlichen für die Fälle "Barrios Altos" und "La Cantuta" Mitglieder des Nationalen Nachrichtendienstes seien. Daraufhin erstatteten der Ex-Verteidigungsminister, der General Victor Malca Villanueva, und der Ex-Innenminister, Juan Briones Davila unverzüglich Anzeige wegen Behinderung der Justiz gegen den Direktor der Zeitschrift, Ricardo Uceda. Die Journalistin Cecilia Valenzuela und der Herausgeber der Zeitschrift "Caretas", Enrique Zileri Gibson, machten ebenfalls ihren Verdacht öffentlich, dass es sich in dem Fall um eine paramilitärische Aktion handele. Beide erhielten anonyme telefonische Morddrohungen.

Das Vorgehen des Kongresses der Republik

Am 2. April 1993 informierte der Abgeordnete Henry Pease Garcia das Plenum des Kongresses, dass er auf seinem Platz ein Dokument von einer vermutlich militärischen Organisation mit der Abkürzung COMACA (Kommandanten, Majore und Hauptmänner) gefunden habe, in dem enthüllt werde, dass der Dozent und die neun Studenten der Universität "La Cantuta" mit Wissen der obersten Befehlshaber der Armee und des Oberkommandos der Streitkräfte, sowie des Chefs des Nationalen Nachrichtendienstes von einem Kommando aus Offizieren und Unteroffizieren der Armee ermordet worden seien.

Der Kongress beschloss an diesem Tag die Bildung einer Sonderuntersuchungskommission für den Fall "La Cantuta" und forderte den Verteidigungsminister, den General Victor Malca Villanueva, den Vorsitzenden des Oberkommandos der Streitkräfte, General Nicolas de Bari Hermoza Rios, und die Offiziere und Funktionäre, deren Namen in dem Dokument der COMACA aufgeführt waren, darunter den Präsidentenberater Vladimiro Montesinos Torres, auf, zu einer Anhörung vor dem Parlament zu erscheinen. Hermoza Rios kam der Aufforderung des Kongresses nicht nach und schob gesundheitliche Probleme vor, doch er wies den Obersten Militärgerichtsrat an, ein Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen des Falles "La Cantuta" einzuleiten. Die Absicht dahinter war, dass die Militärjustiz die Untersuchung an sich zöge, um der Frage nach der zuständigen Jurisdiktion zuvorzukommen und auf diese Art argumentieren zu können, dass die parlamentarischen Untersuchungen und ein eventuelles späteres Ermittlungsverfahren der Zivilgerichte nicht zulässig seien.

Am nächsten Tag entschuldigte der Oberste Militärgerichtsrat das Nichterscheinen der in den Fall verwickelten Militärs vor dem Parlament damit, dass gegen sie eine gerichtliche Untersuchung liefe. Am 15. April verstärkte der General Hermoza Rios in zweischneidiger Form die Argumente seiner Anzeige beim Militärgericht, indem er forderte, auch eine Untersuchung gegen die anonymen Verfasser (COMACA) des Dokuments an den Abgeordneten Pease einzuleiten, nicht ohne in seinem Schreiben hervorzuheben, dass es sich dabei um eine Kampagne zur Schädigung des Rufes der Streitkräfte handele.

Am 20. April 1993 legte der General Hermoza Rios in einer spannungsgeladenen Sitzung der Mitglieder der Menschenrechtskommission des Kongresses die Argumente zur Entlastung der Streitkräfte dar. Am nächsten Tag ordnete der General Nicolas Hermoza Rios als Akt der Herausforderung und Einschüchterung der politischen Opposition im Kongress einen unerklärlichen Aufmarsch von Panzern und Truppen in den Straßen Limas an.

Im folgenden Monat wurde die Version des Abgeordneten Pease Garcia über das Bestehen einer paramilitärischen Einheit und deren Verantwortung für das Verbrechen an der Universität "La Cantuta" durch den dritthöchsten Offizier des Heeres, den General Rudolfo Robles Espinoza, gestützt. In einem offenen Brief vom 6. Mai 1993 beschuldigte Robles die obersten Befehlshaber der Armee und den Präsidentenberater für den Nachrichtendienst, Vladimiro Montesinos Torres, ein geheimes Einsatzkommando zu unterhalten, dass für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sei, darunter die von "Barrios Altos" und "La Cantuta".

Auf die schweren Anschuldigungen des Generals Robles Espinoza reagierte der Ex-Präsident Fujimori am 9. Mai, indem er Hermoza Rios und dem Präsidentenberater Vladimiro Montesinos seine volle Unterstützung aussprach, während der Oberste Militärgerichtsrat ein Verfahren wegen Beleidigung der Nation und der Streitkräfte gegen den General Robles und seine Söhne, die ebenfalls aktive Offiziere der Armee waren, einleitete.

An 24. Mai verhinderten die Mitglieder der Partei "Cambio 90", der der Ex-Präsident Alberto Fujimori angehörte, im Parlament eine Befragung der Mitglieder der "Gruppe Colina" durch die Untersuchungskommission, indem sie einem Antrag zustimmten, der ihr Erscheinen untersagte, und unterstützten auf diese Art den Obersten Militärgerichtsrat, der sie entschuldigt hatte, weil gegen sie ein offenes Verfahren vor Militärgerichten liefe. Es wurde nur das Erscheinen des Verteidigungsministers und des Chefs des Oberkommandos der Streitkräfte zugelassen. Ein Monat später, am 24. Juni 1993, veröffentlichte die Untersuchungskommission des Kongresses zwei Abschlussberichte, einen der Mehrheit, die zu dem Schluss kam, dass es eine Beteiligung von Militärs an den Ereignissen gegeben habe und strafrechtliche Verantwortung von Offizieren vorliege, sowie die Empfehlung aussprach, den Fall Zivilgerichten zu übertragen und den General Hermoza Rios wegen Verdunkelung eines Verbrechens abzusetzen. Der Minderheitsbericht leugnete die Beweise und sprach sich für die Ermittlungen des Falles durch die Militärjustiz aus. Zwei Tage später verabschiedete das Plenum des Kongresses den Minderheitsbericht, und der Fall wurde der Militärjustiz übergeben.

Am 7. Juni 1993 veröffentlichte der Oberste Militärgerichtsrat eine Kommuniqué über den Fall, in dem er mitteilte, dass er diesen untersucht habe und mehrere der darin verwickelten Offiziere sich bereits an einem nicht näher bezeichneten Ort in Untersuchungshaft befänden.

Die Enthüllungen der Presse und die Leichenfunde in Cieneguilla

Innerhalb dieses Panoramas des bewussten Widerstands gegen die Untersuchung des Verschwindens der Studenten und des Dozenten veröffentlichte am 8. Juli 1993 die Zeitschrift "Sí" eine Exklusivreportage über die Ereignisse, in der sie enthüllte, dass Reste einiger der Studenten in der Schlucht Chavilca im Distrikt Cieneguilla im Osten von Lima vergraben seien. Am gleichen Tag beantragte der Direktor der Zeitschrift, Ricardo Uceda, bei der 16. Staatsanwaltschaft der Provinz Lima unter dem Vorsitz des Staatsanwaltes Victor Cubas Villanueva die Durchführung eines Ortstermins, bei dem der Staatsanwalt Cubas Villanueva in Gegenwart von Vertretern der nationalen und internationalen Presse in Cieneguilla verkohlte und zerkleinerte menschliche Knochen- und Gewebereste, sowie persönliche Gegenstände, darunter zwei Schlüsselbunde, fand.

Sofort äußerten Vertreter der Regierung ihre Besorgnis über die Funde von Cieneguilla. Die Abgeordnete der Regierungspartei Martha Chavez drohte den Journalisten der Zeitschrift " Sí", indem sie sie beschuldigte, sie hätten sich wegen Behinderung der Justiz strafbar gemacht. Drei Tage nach den Funden von Cieneguilla, am 12. Juli 1993, unternahm die Nationale Direktion gegen Terrorismus (DINCOTE) den Versuch, die Mitglieder der "Gruppe Colina" von ihrer kriminellen Schuld freizusprechen, indem sie Sendero Luminoso beschuldigte, die Funde provoziert zu haben und dies als ein" faules Manöver" bezeichnete, um den Ruf der Regierung zu schädigen.

An diesem Tag wurde der Presse Material vorgeführt, das, wie man informierte, bei Mitgliedern von Sendero Luminoso beschlagnahmt worden sei. Die DINCOTE zeigte eine Skizze und einen Text, ähnlich dem, den die Zeitschrift "Sí" erhalten hatte. Zwei Tage später, am 14. Juni, berief die DINCOTE eine Pressekonferenz ein, um darüber zu informieren, dass sie vermeintliche Mitglieder von Sendero Luminoso verhaftet habe, die sie beschuldigte, die Urheber des Plans zu sein, der der Zeitschrift "Sí" zugegangen war. Am 20. Juli wurde Juan Mallea Tomailla, in entwürdigender Weise in gestreifte Häftlingstracht gekleidet, den Fernsehkameras vorgeführt und beschuldigt, Sendero Luminoso anzugehören und der Urheber der Pläne der Gräber von Cieneguilla zu sein. Nach graphologischen Gutachten der Polizei bestand eine leichte Ähnlichkeit zwischen der Schrift von Mallea mit der des Lageplans von Cieneguilla, den die Zeitschrift "Sí" veröffentlicht hatte. Monate später wurde Mallea von der Justiz für unschuldig erklärt.

Später enthüllte der Staatsanwalt Cubas Villanueva, dass die in Cieneguilla gefundenen menschlichen Überreste an einem anderen Ort verbrannt und später an die Stelle transportiert wurden, wo man sie fand. An 20. August 1993 wurden beim Ortstermin im Studentenwohnheim der Universität die Schlüssel ausprobiert, die bei den Leichenresten von Cieneguilla gefunden worden waren. Mit einem der Schlüssel ließ sich das Schloss des Schrankes der Studenten Juan Gabriel Mariños Figueroa öffnen. Mit einem anderen Schlüssel öffnete der Staatsanwalt den Schrank des Studenten Armando Amaro Condor. Mit einem weiteren Schlüssel ließ sich die Tür des Büros der Studentenvertretung der Fakultät für Elektromechanik öffnen, deren Führung José Mariños angehörte. Und ein anderer der Schlüssel passte schließlich in das Haustürschloss von Frau Rayda Condor, Mutter des Studenten Armando Amaro Condor.

Die Gräber von Huachipa

Am 2. November 1993 lieferte die Zeitschrift "Sí" in einer neuen Reportage weitere Informationen über den Ort, wo die Studenten und der Dozent vergraben wurden, indem sie mitteilte, sie habe aus anonymen Quellen erfahren, dass in den frühen Morgenstunden des 18. Juli zehn Leichen zuerst in einer Vertiefung in der Nähe des Kilometers 1,5 der Fernstraße Ramiro Priale vergraben wurden, die die Polizei als Schießübungsplatz benutzte, und die Leichen später ausgegraben wurden, um sie nach Cieneguilla zu bringen, wo sie ein zweites Mal vergraben wurden.

Aufgrund dieser Enthüllung der Presse führte die Staatsanwaltschaft in den folgenden Tagen eine umfassende Suche in der Gegend von Huachipa durch und entdeckte nach Kontakten mit den anonymen Quellen die Stelle, wo die Leichen zuerst begraben waren. Dort wurden Leichenreste und persönliche Gegenstände gefunden, die von den Angehörigen der Opfer wiedererkannt wurden.

Das Gesetz Cantuta und das Verfahren der Verantwortlichen vor dem Militärgericht

Auf der Grundlage dieser Beweise erhob die Staatsanwaltschaft am 16. Dezember 1993 Anklage gegen 11 Offiziere und Unteroffiziere der Armee. Am Tag darauf legte die Militärjustiz Widerspruch gegen die von der Ziviljustiz eingeleitete Untersuchung ein und begründete dies damit, dass sie im April 1992 die Jurisdiktion übernommen habe. Am 18. Dezember ordnete der Richter des Zivilgerichts die Verhaftung der Mitglieder der "Gruppe Colina" an, doch das Militärgericht widersetzte sich. Danach kam es der Strafkammer des Obersten Gerichtshofes zu, über die Zuständigkeit zu entscheiden. Am 4. Februar 1994 entstand ein Streitfall, als drei Richter zu Gunsten der Militärjustiz und 2 zu Gunsten der Ziviljustiz stimmten.

Angesichts der Möglichkeit, dass der Oberste Gerichtshof die Zuständigkeit für die Untersuchung der Ziviljustiz übertragen könnte, legte der Abgeordnete der Regierungspartei Julio Chu Meres am 7. Februar 1993 einen Gesetzentwurf vor, der vorsah, dass der Zuständigkeitsstreit zwischen der Ziviljustiz und der Militärjustiz vom Obersten Gerichtshof mit den Stimmen von nur drei Richtern entschieden werden konnte anstatt mit 4, wie das Gesetz vorschrieb. Auf diese Art verabschiedete der Kongress in den frühen Morgenstunden des 8. Februar ohne Gutachten der Kommissionen und mit sofortiger Wirkung das Gesetz Nr. 46.291, das am nächsten Tag von dem Ex-Präsidenten Alberto Fujimori unterzeichnet und am 10. Februar veröffentlicht wurde.

Das Gesetz wurde im Land unter dem Namen "Gesetz Cantuta" bekannt, und am 11. Februar 1994 entschieden drei Richter der Strafkammer, also mit der Anzahl der Stimmen, die das neue Gesetz erlaubte, dass der Prozess der Militärjustiz übergeben werden sollte. Einige Zeit später, am 21. Februar 1994, sprach die Kriegskammer des Obersten Militärgerichtsrats ihr Urteil in den zusammengefassten Verfahren Nr. 157-93 und 8841-93 gegen Offiziere und Unteroffiziere der peruanischen Armee wegen der Entführung, des Verschwindenlassens und der Ermordung von neun Studenten und dem Dozenten Muñoz der Universität "La Cantuta". Das Urteil wurde am 3. Mai 1994 im Wesentlichen vom Obersten Militärgerichtsrat bestätigt. Beide Beschlüsse enthielten wichtige Hinweise über das Verständnis der Täterschaft des Verbrechens.

Doch die Richter des Militärgerichts stellten in ihrem Urteil die Einheit aus sechs Armeeangehörigen, die wegen der Ausführung des Verbrechens verurteilt wurden, als eine autonome Gruppe ohne Bezug zum System des Nachrichtendienstes der peruanischen Armee dar, die aus einem kriminellen Trieb heraus ohne höheren Befehl gehandelt habe, und gingen so weit zu behaupten, dass am Tag der Verschleppung die Abteilung aus 30 Soldaten, die in der Militärbasis in der Universität "La Cantuta" stationiert war, überrascht worden sei.

Verurteilt wurden die Majore des Heeres, Santiago Martin Rivas und Carlos Pichilingue Guevara, sowie die Unteroffiziere Juan Suppo Sanchez, Julio Chqui Agurre, Jesus Antonio Sosa Davila und Nelson Carbajal Garcia. Der Brigadegeneral Juan Rivero Lazo, Chef des Nachrichtendienstes des Heeres, und der Oberst Federico Navarro Perez, Verantwortlicher für die interne Front der Direktion für Nachrichtenbeschaffung der Armee, wurden nur wegen Nachlässigkeit verurteilt, weil sie ihre Untergebenen nicht unter Kontrolle gehabt hätten, die "sich ohne ihr Wissen an der genannten Straftat beteiligten". Um diese Beschlüsse, die davon ausgehen, dass für das Verbrechen der Universität "La Cantuta" eine Gruppe von Militärs ohne Bezug zu den Obersten Befehlshabern die alleinige Verantwortung trägt, zu untermauern, beschloss die Kriegskammer des Obersten Militärgerichtsrats am 10. Mai 1994, wegen derselben Tatbestände ein formales Verfahren gegen den Vorsitzenden des Oberkommandos der Armee, den General des Heeres (i. R.) Nicolas Hermoza Rios und den General des Heeres (i. R.) Luis Perez Documet, sowie den Präsidentenberater für den Nationalen Nachrichtendienst Vladimiro Montesinos Torres einzuleiten.

Wie vorherzusehen war, entschied die Militärjustiz am 15. August 1994, sie freizusprechen und begründete dies damit, dass "eine Gruppe militärischen Personals unter dem Kommando des Majors Santiago Martin Rivas und anderer auf eigene Faust und ohne Einverständnis und Genehmigung ihrer Vorgesetzten, des Nationalen Nachrichtendienstes oder irgend einer anderen zivilen oder militärischen Behörde (...) die einzigen Verantwortlichen waren". Am 18. August 1984 wurde dieser Beschluss vom Obersten Militärgerichtsrat bestätigt, der diesen ehemaligen Befehlshabern und Funktionären heute als Argumentationsgrundlage für die Behauptung dient, dass es sich um ein abgeschlossenes Verfahren handelt.

Selbst-Amnestie für die "Gruppe Colina"

Angesichts der Perspektive neuer Strafverfahren wegen Verletzung der Menschenrechte erließ die Regierung Alberto Fujimori 1995 ein Gesetz, mit dem sie eine Generalamnestie für Militär-, Polizei- und Zivilpersonal verfügte, gegen das Anzeigen, Ermittlungs- und Strafverfahren oder Verurteilungen wegen allgemeiner oder militärischer Delikte bei Zivil- oder Militärgerichten vorliegen, die sich auf Straftatbestände beziehen, die im Zusammenhang oder in der Folge des Kampfes gegen den Terrorismus stehen oder davon bedingt waren und individuell oder als Gruppe seit Mai 1980 begangen wurden.

Auf diese Art wurden die Offiziere, die wegen des Verbrechens in der Universität "La Cantuta" verurteilt und in Haft waren, am 16. Juni 1995 freigelassen und mit ihnen 51 Armeeangehörige, die in schwere Fälle von Menschenrechtsverletzungen wie das Massaker in den Gefängnissen Lurigancho und Santa Barbara von 1986 verwickelt waren.

Jahr 2000: Die Wiederaufnahme des Prozesses durch die Ziviljustiz

Im November 2000 stimmte der Kongress einem Misstrauensantrag gegen den Präsidenten der Republik zu, mit dem er die moralische Untauglichkeit des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori erklärte, worauf dieser aufgrund von Korruptionsvorwürfen aus dem Land floh. Im selben Monat wurde die Provinz-Sonderstaatsanwaltschaft für Menschenrechte begründet, die die Untersuchung im Fall "La Cantuta" wiederaufnahm. Die Direktion gegen den Terrorismus übergab am 28. Oktober 2002 ihren Abschlussbericht, in dem sie die Bildung der "Gruppe Colina" und deren Verantwortung für dieses Verbrechen nachwies und Vladimiro Montesinos Torres, Nicolas Hermoza Rios, Juan Nolberto Rivero Lazo, Hector Salazar Monroe und Luis Perez Documet der Mittäterschaft beschuldigte.

Mit dem Ergebnis der polizeilichen Untersuchung stellte die Staatsanwältin Anna Cecilia Magallanes Cortez unter der Eingangsnummer 17-2002 einen formellen Strafantrag gegen die Mitglieder der "Gruppe Colina", der 26 Offiziere und Unteroffiziere der Armee einschloss. Danach eröffnete das 1. Untersuchungsgericht gegen Korruption am 24. Januar 2003 ein Strafverfahren gegen alle Beschuldigten wegen Mittäterschaft bei den Straftaten der Entführung, des gewaltsamen Verschwindenlassens und des vorsätzlichen Mordes. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht bezogen jedoch die für das Verbrechen verantwortlichen Offiziere, die durch das Amnestiegesetz von 1995 begünstigt wurden, sowie die Befehlshaber, deren Verfahren der Oberste Militärgerichtsrat einstellte, nicht in den Prozess mit ein, da diese Urteile bis jetzt von der Militärjustiz nicht annulliert worden sind.

Des Weiteren bezog im Jahr 2002 der Oberste Gerichtshof nach einer Verfassungsklage des Kongresses außerdem Alberto Fujimori Fujimori, den Ex-Präsidenten der Republik, in die Untersuchung des Verbrechens an den 9 Studenten und dem Professor Muñoz mit ein. Am 13. September 2001 wurde aufgrund eines Erlasses der Obersten Ermittlungsbehörde der Ständigen Strafkammer angeordnet, ein Ermittlungsverfahren gegen den Ex-Staatschef wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Fall "Barrios Altos" und "La Cantuta" einzuleiten, und dieses ist eine der Grundlagen für den Antrag auf Auslieferung des Ex-Präsidenten, den die peruanische Regierung an die japanischen Behörden stellte.

Das Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen das Gesetz der Selbst-Amnestie und seine Auswirkungen auf den Fall "La Cantuta"

Auf der anderen Seite erwähnte der Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Verhandlung über die internationalen Beschwerde gegen den peruanischen Staat im Fall "Barrios Altos" vom 14. März 2001 ausdrücklich die Unzulässigkeit der Gesetze der "Selbst-Amnestie" Nr. 26.475 und 26.492, die die Freilassung der Mitglieder der "Gruppe Colina" im Jahr 1995 ermöglichte. Der Gerichtshof bezeichnete diese Gesetze als "Gesetze der Selbst-Amnestie" und wies darauf hin, dass diese "zur Wehrlosigkeit der Opfer und der dauerhaften Straflosigkeit führen, weshalb sie eindeutig unvereinbar mit dem Buchstaben und dem Geist der amerikanischen Konvention sind ...".

Drei Monate später legte die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte unter Berufung auf den Art. 67 der Amerikanischen Konvention für Menschenrechte und deren Reglementierung dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Antrag auf Auslegung des Urteils vor. Am 3. September 2001 führte der Gerichtshof in seinem Beschluss zur Auslegung des Urteils aus, dass "... in Anbetracht der Art der Rechtsverletzungen, auf die sich die Amnestiegesetze Nr. 26.479 und 26.462 beziehen, die Beschlüsse des Urteils im Fall ‚Barrios Altos' allgemeingültig sind ... ". Das heißt, dieser Beschluss schließt auch den Fall "La Cantuta" ein und kann die Annullierung der Prozesse vor dem Militärgericht im Jahre 1994 bewirken. Doch bis heute haben weder der Oberste Militärgerichtsrat, noch der zivile Oberste Gerichtshof, noch der Kongress, noch das Verfassungsgericht die notwendigen Resolutionen erlassen, um diejenigen, die von der Selbst-Amnestie von 1995 und der Einstellung des Verfahrens von 1994 im Fall "La Cantuta" begünstigt wurden, in das neue Verfahren mit einzubeziehen.

Schlussfolgerungen

Im vorliegenden Fall sieht sich die Wahrheits- und Versöhnungskommission aufgrund der analysierten juristischen Beweise dazu in der Lage zu bestätigen, dass der Staat für die Verletzung des Rechts auf Leben der 9 Studenten und des Dozenten der Nationalen Universität für Pädagogik "Enrique Guzmán y Valle" im Juli 1993 verantwortlich ist. Daneben verurteilt sie, dass den Angehörigen der Opfer auf systematische und willkürliche Weise die elementarsten Rechtsgarantien verweigert wurden, indem ihnen Informationen und Mittel vorenthalten wurden, um über den Verbleib der Verschwundenen Auskunft zu erhalten. Wir beklagen außerdem den Missbrauch und die Manipulation der Gewalten des Staates und anderer Institutionen, indem man im Jahre 1993 auf den Kongress und den Obersten Militärgerichtsrat zurückgriff, um verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden und anzuwenden, die dem Zweck dienten, die Bestrafung der Schuldigen dieses Verbrechen und der obersten Befehlshaber der Armee, die darin verwickelt sind, zu verhindern. In diesem Sinne ruft die Wahrheits- und Versöhnungskommission die Justiz auf und unterstützt sie darin, die geschilderten Ereignisse weiter zu untersuchen, um die Verantwortlichen zu ermitteln und sie nach den Normen des internen Rechts für die schweren Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen die Ausübung der Justiz und die Gewaltenteilung des Staates zu bestrafen.

Des Weiteren fordern wir den Obersten Gerichtshof auf, unter Berufung auf die Beschlüsse des Interamerikanischen Gerichtshofs im Fall "Barrios Altos" eine Gesetzeserklärung über die Unanwendbarkeit der Amnestiegesetze 26.479 und 26.492 abzugeben.

Und schließlich erkennt die Wahrheits- und Versöhnungskommission den wertvollen Beitrag der Presse bei der Aufklärung des Verschwindens und der Ermordung der Opfer an, der 1993 die Aufnahme von Ermittlungen durch die Justiz erlaubte.



Übersetzung aus dem Spanischen. Quelle des Orignaltextes: Wahrheits- und Versöhnungskommission - Peru (http://www.cverdad.org.pe)