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INTERAMERIKANISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE

URTEIL IN DER SACHE NEIRA UND ANDERE

19. JANUAR 1995


(Auszüge)



- Vorstellung des Falles
- Zeugenaussagen
- Schlussfolgerungen des Gerichtshofes
- Beschlüsse




Vorstellung des Falls

40. Aus den Dokumenten, die dem Gericht übergeben wurden, geht hervor, dass am 16. Juli 1986 Irene Neira Alegría und Julio Zenteno Camahuali eine Habeus-Corpus-Akte zu Gunsten der drei Personen, um die es in diesem Fall geht, präsentierten, worauf der Richter des 21. Untersuchungsgerichts von Lima eine Erklärung des Nationalen Rats für Strafvollzug einholte und eine Namensliste erhielt, auf der zu entnehmen ist, dass die drei betroffenen Personen sich zum Zeitpunkt der Niederschlagung des Aufstands als Häftlinge wegen angeblichen Terrorismus im Gefängnis San Juan Bautista befanden. Am 17. Juli 1986 erklärte der Richter die Habeas-Corpus-Akte für unzulässig und begründete dies damit, dass die Regierung mit dem Dekret 006-86-JUS vom 2. Juni 1986 den Notstand in den Provinzen Lima und Callao ausgerufen hatte und am 20. Juli das Dekret 006-86 JUS veröffentlichte, durch das das Gefängnis San Juan Bautista zur "eingeschränkten militärischen Zone" erklärt wurde. Die Entscheidung des Richters wurde am 1. August 1986 durch das 11. Revisionsgericht von Lima bestätigt. Am 25. desselben Monats bestätigte der Oberste Gerichtshof diese Entscheidung, und am 5. September entschied das Gericht für Verfassungsgarantien, dass die "Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, das Verfahren einzustellen, bestehen bleibt", ein Beschluss, der in der offiziellen Tageszeitung "El Peruano" veröffentlicht wurde.

41. Das 2. Ständige Untersuchungsgericht der Marine eröffnete ein Ermittlungsverfahren, um eine mögliche strafrechtliche Verantwortung von Mitgliedern der Marine, die an Niederschlagung des Aufstands beteiligt waren, zu untersuchen, bei der außer den getöteten Häftlingen auch drei Mitglieder der Marineinfanterie durch Schusswunden und eine der Geiseln, die der Guardia Republicana angehörte, starben.

Aus den Schlussfolgerungen des Untersuchungsrichters geht hervor, dass die Zahl der Häftlinge, die sich ergeben hatten, 34 betrug und die der Toten 97, zu denen Knochenreste von mindestens weiteren 14 Personen hinzukommen, was eine Gesamtzahl von 111 toten Häftlingen macht. Das Abtragen der Trümmer des Gefängnisses wurde unter großen Schwierigkeiten zwischen dem 20. Juni 1986 und dem 31. März 1987 durchgeführt. Von den 97 Leichen (ohne die Knochenreste, die zu 14 Personen gehören) wurden vier identifiziert, (diese Zahl widerspricht dem Bericht der Fingerabdruckexperten, wo von 7 Identifikationen die Rede ist). Dazu heißt es:

21. Die Aufgabe der Identifizierung durch das Personal der Kriminalpolizei wurde durch den Zustand der Verwesung, des Aufweichung und der Mumifizierung der Mehrzahl der Leichen und Knochenreste, die beim Abtragen der Trümmer gefunden wurden, erschwert. Letztere konnten auf Grund ihres Charakters nicht identifiziert werden. Ferner war es nicht möglich, die Fingerabdrücke, die vom Erkennungsdienst der Kriminalpolizei und der "Direktion gegen Terrorismus" (DIRCOTE) abgenommen wurden mit denen in den Erkennungsbögen, die sich in den Archiven des Nationalen Instituts für Strafvollzug (INPE) befinden, abzugleichen, da diese trotz wiederholter Anforderungen dem Gericht nicht zugänglich gemacht wurden.

22. Die Odontogramme, die (durch Personal des Sanitätsdienstes der Marine) von den Leichen gemacht wurden, so weit es möglich war, konnten nicht verwertet werden, da diese Methode der Identifizierung weder vom INPE noch vom Erkennungsdienst der Polizei in Lima und Callao noch von der DIRCOTE angewandt wurde.

Anzumerken ist, dass in vielen Autopsieberichten als Todesursache mehrfache Knochenbrüche durch einstürzende Gebäudeteile angegeben ist. Das Untersuchungsgericht der Marine erklärte auch, dass die Gesamtzahl der Häftlinge, die sich am Tag des Aufstands im Gefängnis befanden, nicht festzustellen gewesen sei, da das Häftlingsregister dem Gericht nicht übergeben wurde. Am 6. Juli 1987 wurde das Verfahren eingestellt und entschieden, dass die Beschuldigten keine Verantwortung trifft, eine Entscheidung, die am 16. Juli 1987 durch den Ständigen Militärrat der Marine bestätigt wurde.

42. Das Verfahren wurde auf Beschluss des Obersten Rats der Militärjustiz wieder eröffnet, um fehlende Ermittlungen durchzuführen, von denen sich jedoch keine auf die Identifizierung der Toten bezog. Am 5. Oktober 1987 ratifizierte das 2. Ständige Untersuchungsgericht der Marine den Beschluss der Einstellung des Verfahrens, was vom Ständigen Militärrat der Marine am 7. Oktober bestätigt wurde.

Der Oberste Gerichtshof der Militärjustiz beschloss am 23. Dezember 1987 einmal mehr, das Ermittlungsverfahren wieder aufzunehmen, und richtete zu diesem Zweck die Jurisdiktion der Kammer für Kriegsrecht ein. Dieser Prozess wurde am 20. Juli 1989 mit der Entscheidung abgeschlossen, dass diejenigen, die bei der Niederschlagung des Aufstandes eingesetzt waren, keine Verantwortung trifft.

43. Der Kongress von Peru ernannte eine Untersuchungskommission zur Klärung der Vorfälle im Gefängnis San Juan Bautista und 2 weiteren Gefängnissen, die formal am 7. August 1987 ihre Arbeit aufnahm. Im Dezember gleichen Jahres legte die Kommission dem Kongress einen Bericht der Mehrheit und einen der Minderheit vor.

In Punkt 14 der Schlussfolgerungen des Berichts der Mehrheit heißt es:

"Um 3:00 Uhr übernahm die Kriegsmarine das Kommando der Operation.
Ihr Vorgehen entsprach der Überzeugung, dass die Häftlinge bewaffnet waren und über Befestigungen und Tunnel verfügten, was durch die spätere Untersuchung bestätigt wurde, dass sie außerdem von der Guardia Republicana nicht unter Kontrolle gebracht werden konnten und den Tod und Verletzungen von Personal der Marine und der Polizei verursacht hatten.
Aus dem Ergebnis lässt sich jedoch auf eine Unverhältnismäßigkeit der eingesetzten Waffen schließen. Die Sprengung des Gefängnisses am Ende, nachdem sich die Gefangenen um 14:30 Uhr des 19. Juni ergeben hatten, hat keine logische Erklärung und war folglich ungerechtfertigt.
...
Amnesty International gibt an, Aussagen von Überlebenden eingeholt zu haben, die in einem Dokument in mehreren Sprachen verbreitet wurden, und wo von angeblichen Exekutionen von Aufständischen, die sich ergeben hatten, im Gefängnis El Frontón die Rede ist.

Einer der Überlebenden des Aufstandes äußerte sich halboffiziell gegenüber einer dritten Person in diesem Sinne, weigerte sich jedoch, seine Version vor der Kommission zu wiederholen, als er dazu aufgefordert wurde.

Die Militärjustiz sollte diese Anschuldigungen aufs gründlichste untersuchen."

Bei der Darstellung der Ereignisse heißt es im Bericht der Minderheit der Untersuchungskommissionen des Kongresses:

"15. D Auffällig ist das fehlende Interesse, nach der Sprengung mögliche Überlebende zu bergen ... 15. E Das spätere Auftauchen eines Überlebenden am 20. Juni und von vier Überlebenden am 21. Juni zeigen, dass man mehr Häftlinge hätte retten können, wenn daran ein Interesse bestanden hätte. ... 16. Das Abtragen der Trümmer durch die Kriegsmarine zur Bergung der Leichen dauerte übertrieben und unerklärlich lange Zeit." ...


Im Kapitel mit dem Titel "Vorüberlegungen", in dem die Schlussfolgerungen des Berichts der Minderheit aufgeführt sind, heißt es:

"3. Es ist bewiesen, dass das Einschreiten der Justizbehörden und der Staatsanwaltschaft rechtswidrig verhindert und unterbunden wurde.

4. Es ist bewiesen, dass die Regierung in Nichterfüllung ihrer Verpflichtung, menschliches Leben zu schützen, Anordnungen erteilte, deren Ergebnis eine ungerechtfertigt hohe Zahl von Toten war. ... a. Die gewählte Option, den Aufstand so schnell wie möglich und dringend mit militärischen Mitteln niederzuschlagen, beinhaltete, dass das Leben der Geiseln und der Gefangenen aufs Spiel gesetzt wurde. ... b. Die eingesetzten militärischen Mittel standen in keinem Verhältnis zu der wirklich bestehenden Gefahr, und die Formen des Angriffs zeigten auch keinerlei Vorkehrungen, um die Zahl der Opfer bei der Niederschlagung des Aufstands in Grenzen zu halten ... 5. Im Fall der Gefängnisinsel El Frontón konnte die anfängliche offizielle Version über den Verlauf der Operation das Ende der Operation und das Schicksal der Überlebenden nicht schlüssig erklären, wodurch die Möglichkeit offenbleibt, dass es ähnlich wie im Gefängnis Lurigancho illegale Hinrichtungen gegeben hat. Auch wenn derartige Exekutionen nicht geschehen wären, stellt die Sprengung des "blauen Pavillons", ganz gleich ob sie absichtlich oder unabsichtlich erfolgt ist, ein Verbrechen gegen das Recht auf Leben dar (2)."


Die Anmerkung (2), die am Ende des Abschnitts genannt ist, lautet folgendermaßen:

"(2) Nach dem beigefügten technischen Gutachten existieren Beweisen dafür, dass zumindest einer der Pfeiler, auf denen die Struktur des Gebäudes ruhte, von außen gesprengt wurde, um den Einsturz des Gebäudes zu bewirken. Unserer Einschätzung nach gab es in den offiziellen Erklärungen zudem schwerwiegende Ungereimtheiten über die Form, wie die Häftlinge ums Leben gekommen sind, die angeblich durch den Einsturz des Gebäudes in Tunneln eingeschlossen wurden."

....

IV. (Zeugenaussagen)

Während der öffentlichen Verhandlungen, die in diesem Fall durchgeführt wurden, verzichtete die Regierung darauf, Beweise vorzulegen. Von Seiten der Kommission wurden Zeugen und Experten präsentiert, deren Erklärungen im Folgenden zusammengefasst sind.

45. Die Zeugin Sonja Goldenberg erklärte, dass sie als Journalistin ein Interview mit Jesus Mejía Huerta gemacht habe, der ihr berichtete, dass es nach der Bombardierung des Gefängnisses noch 70 Überlebende gab; dass diese gruppenweise aufgerufen wurden und es Exekutionen gab; dass er 8 oder 10 Schusswunden hatte und mit anderen Verletzten in ein Massengrab geworfen wurde. Später wurde der " blaue Pavillon" gesprengt. Sie erklärte weiter, dass sie auch Juan Tulich Morales interviewt habe, der ihr berichtete, er wisse, dass die Gefangenen, die für Anführer gehalten wurden, auf die Marinebasis San Lorenzo gebracht und später erschossen wurden.

46. Die Zeugin Pilar Coll erklärte, dass sie im August 1987 von der Untersuchungskommission des Parlaments beauftragt wurde, in einem Büro die Aussagen der Angehörigen und der Häftlinge der Gefängnisse und einiger Überlebender einzuholen; dass sie Jesus Mejía Huerta befragte, der ihr in ausführlicherer Form dasselbe berichtete wie der vorherigen Zeugin. Die Zeugin erklärte weiter, einige Angehörige der Gefangenen hätten Kenntnis davon, dass einige Überlebende verschwunden sind.

47. Der Experte Guillermo Tamayo Pinto Bazurco, Bauingenieur, erklärte, dass 1987 das "Zentrum für Projekte und Bauvorhaben", deren Vorsitzender er ist, von der Kommission des Kongresses, die die Vorfälle in den Gefängnissen untersuchte, unter Vertrag genommen wurde; dass er die Gefängnisinsel El Frontón besucht habe; dass der "blaue Pavillon" zerstört war und dass die vollständige Zerstörung durch Plastiksprengstoff, der am Fuß der Stützpfeiler angebracht wurde, erfolgt war; dass er außerhalb des Gebäudes Spuren der Explosionswelle festgestellt habe; dass es Tunnel von zwanzig Metern Länge gab, doch diese nicht die Statik des Gebäudes beeinträchtigten und dass es keine Anzeichen dafür gab, dass in ihrem Inneren Explosionen stattgefunden haben.

48. Der Experte Enrique Bernardo Cangahuala, Bauingenieur, erklärte, dass er vor einigen Jahren von der Kommission des Senats beauftragt wurde, unter bautechnischen Gesichtspunkten ein Gutachten über das Problem im Gefängnis San Juan Bautista zu erstellen; dass er einen Bericht schrieb, nachdem er den Ort besucht und weitere Informationen eingeholt hatte; dass der Ingenieursverband seinen Bericht übernahm; dass sie Tunnel fanden, doch diese keinen Ausgang zum Meer hatten; dass sie Spuren von Sprengstoff an den Stützpfeilern des Gebäudes fanden; dass zehn Bauarbeiter die Trümmer in einem Monat hätten abtragen können; dass man den Sprengstoff an den Außenwänden angebracht hätte, wenn die Absicht gewesen wäre, in das Gebäude einzudringen, und daher das Ziel der Einsturz des Gebäudes war; dass es keine Anzeichen für Explosionen im Inneren des Gebäudes gab; dass Plastiksprengstoff keine Explosion von Dynamit durch Kettenreaktion verursachen kann und dass die Tunnel die Möglichkeit boten, dass Menschen in ihnen Zuflucht suchten, sie jedoch nicht heraus kamen.

49. Der Zeuge Ricardo Aurelio Chumbes Paz erklärte, dass er Jurist ist, zur Zeit der Ereignisse Untersuchungsrichter in Callao war und heute Strafrichter ist; dass er am 18. Juni 1986 im Radio über den Aufstand in Gefängnis El Frontón hörte; dass um etwa 13 Uhr der Präsident des Obersten Gerichtshofs ihn beauftragte, ohne Entscheidungsbefugnis die Ereignisse zu beobachten und ihn später zu informieren; dass die Diensthabenden der Marine sich weigerten, ihm dabei behilflich zu sein, auf die Insel zu gelangen; dass etwa um 15:30 oder 16:00 Uhr in seinem Büro eine Habeas-Corpus-Akte einging, die von den Anwälten der Häftlinge des Gefängnisses eingereicht wurde; dass man ihm um etwa 21:30 Uhr ein Boot zur Verfügung stellte, um auf die Insel überzusetzen; dass er mit dem Direktor des Gefängnisses sprach, der ihm mitteilte, dass die Insel unter der Kontrolle der Marine stände; dass er auch mit dem Stellvertretenden Innenminister sprach, der ihm mitteilte, die Regierung habe über den Ministerrat die Niederschlagung der Aufstände den Streitkräften übertragen; dass es danach einen Stromausfall und Detonationen gab; dass er sich einem Gitter näherte, das etwa 50 Meter vom Zellentrakt entfernt ist, und rief, die Delegierten der Häftlinge sollten herauskommen, doch keine Antwort erhielt; dass man ihm nicht gestattete, mit dem Befehls habenden Offizier zu reden; dass er Explosionen hörte, als er in den frühen Morgenstunden ein Boot bestieg, um zurückzukehren; dass er drei Tage später aus der Presse erfuhr, dass es Tote bei der Niederschlagung des Aufstandes gegeben habe; dass er versuchte, erneut zum Gefängnis zu gelangen, und man es ihm mit der Begründung, es handle sich um eine "eingeschränkte militärische Zone" daran hinderte; dass in anderen Fällen Gefängnisaufstände ohne den Einsatz von tödlichen Waffen unter Kontrolle gebracht wurden; dass die Häftlinge des Gefängnisses El Frontón keine Möglichkeit zur Flucht hatten; dass die Mittel zur Garantie von Rechten oder des Habeus Corpus im konkreten Fall von "El Frontón" nicht dazu in der Lage waren, den Schutz des Lebens, der persönlichen Sicherheit und der Grundrechte der Personen zu gewährleisten; dass bei der Bergung der Leichen Fingerabdrücke genommen, Merkmale des Gebisses registriert und in einigen Fällen Fußabdrücke abgenommen werden, und von den Häftlingen bei ihrer Einlieferung ins Gefängnis Fingerabdrücke und Fotografien angefertigt werden.

50. Der Zeuge José Antonio Borneo Labrin, Jurist, Professor des Kurses für Menschenrechte an der Universität San Marcos, erklärte, dass er 1986 Direktor der Rechtsabteilung der Bischöflichen Kommission zur Sozialen Aktion (CEAS) der katholischen Kirche war; dass eine oder zwei Wochen nach den Vorfällen in den Gefängnissen Frau Alegría, Mutter eines der Opfer, und der Vater der Gebrüder Zenteno in sein Büro kamen und ihn um Hilfe baten, um Informationen über den Verbleib ihrer Verwandten zu erhalten; dass er vor dem 21. Untersuchungsbericht von Lima am 16. Juli 1986 eine Habeas-Corpus-Akte präsentierte; dass der Chef des Oberkommandos der Streitkräfte und der Kommandierende General der Marine erklärten, er solle sich für diese Informationen an die Gefängnisbehörde und den Sonderrichter der Marine, der die Bergung der Leichen übernommen hatte, wenden; dass der Präsident des Nationalen Rates für Strafvollzug dem Richter eine Liste mit den Namen der Häftlinge, die sich am Tag der Vorfälle in Gefängnis El Frontón befanden, aushändigte, auf der Victor Raul Neira Alegría und die Gebrüder Zenteno verzeichnet waren, und darüber informierte, dass man ihm 27 unverletzte Gefangene und sieben Verletzte übergeben habe; dass der Richter die Habeas-Corpus-Akte ablehnte, worauf er Widerspruch einlegte, und das Revisionsgericht diesen zurückwies; dass die CEAS Revision beim Gericht für Verfassungsgarantien einlegte und vier Mitglieder des Gerichts für die Revision stimmten, das heißt, es fehlte eine Stimme, denn es werden fünf benötigt, und auf diese Art der nationale Rechtweg ausgeschöpft war, worauf man den Familien riet, sich an die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte zu wenden.

51. Der Zeuge Cesar Delgado Barreto, Jurist, erklärte, dass er 1985 zum Senator gewählt wurde; dass er Mitglied der Justizkommission für Menschenrechte des Senats gewesen sei; dass nach den Vorfällen in den Gefängnissen der Kongress im Auftrag des Präsidenten der Republik eine Kommission aus 13 Mitgliedern beider Kammern des Parlaments und aller parlamentarischen Parteien ernannte, der er angehörte, und die vier Monate lang bestand; dass bei dem Aufstand im Gefängnis El Frontón zuerst die Guardia Republicana und dann die Marineinfanterie eingesetzt wurde; dass zuerst Raketen abgefeuert wurden und dann Plastiksprengstoff eingesetzt wurde; dass seiner Auffassung nach eine Unverhältnismäßigkeit der eingesetzten Mitteln bestand, denn es gab keine Notwendigkeit, Sprengstoff einzusetzen; dass die Kommission sich auf die Mitarbeit einer Gruppe von Ingenieuren stützte, die einen Bericht über den Einsturz des Gebäudes verfasste; dass ihm nichts von einer Untersuchung bekannt ist, mit der der Verbleib der Gefangenen Neira Alegría und der Brüder Zenteno geklärt worden wäre; dass die Berichte der Mehrheit und der Minderheit der Kommission übereinstimmen, was den Ablauf der Ereignisse angeht, und sich in ihrem politisch-konstitutionellen Standpunkt über die Verantwortung der Minister, die die Beteiligung des Oberkommandos der Armee bei der Niederschlagung des Aufstandes in den Gefängnissen beschlossen, unterscheiden, und dass einer der Überlebenden der Aufstände eine dritte Person darüber informierte, dass es Exekutionen der Aufständischen gab, nachdem diese sich ergeben hatten, es jedoch ablehnte, seine Version vor der Kommission zu bestätigen, als er dazu aufgefordert wurde.

52. Der Zeuge Rolando Ames Cobian, Politologe, erklärte, dass er 1987 als Senator zum Vorsitzenden der Kommission des Kongresses für die Untersuchung der Vorfälle bei den Aufständen in den drei Gefängnissen ernannt wurde; dass die Kommission eine so gründlich wie mögliche Untersuchung durchführte; dass die Berichte der Mehrheit und der Minderheit im Ablauf der Ereignisse übereinstimmen und der Unterschied in der Einschätzung der Verantwortung der höchsten Regierungsebene für die Repression in den Gefängnissen liegt; dass die Regierung erklärte, sie betrachte die Rebellion in den drei Gefängnissen nicht als ein Problem des Strafvollzugs, sondern "als die große Konfrontation zwischen der Regierung und Sendero Luminoso ... denn die offiziellen Communiques und die Erklärungen des Präsidenten der Republik sind eindeutig in einer derartigen Definition der Dinge, Sendero Luminoso vs. Regierung"; dass darin das Motiv für den Beschluss liegt, die Aufstände so schnell wie möglich durch das Oberkommando der Streitkräfte niederzuschlagen; dass die zwei Drittel des "blauen Pavillons", die noch standen, mit Dynamit, das an den Pfeilern angebracht wurde, gesprengt wurde, was eine zusätzliche Zahl von absolut unnötigen Opfern bewirkte, die keinerlei aktiven Widerstand leisteten; dass es keinerlei Interesse gab, nach Verletzten oder Personen in den Tunneln zu suchen; dass erst ein Jahr später Zutritt zu dem Gefängnis gewährt wurde; dass Neira Alegría und die Gebrüder Zenteno sich nicht unter den Gefangenen befanden, die sich ergeben hatten, aber auf der Liste verzeichnet sind, die das Nationale Institut für Strafvollzug (INPE) der Kommission übergab; dass der Kongresses den Bericht der Mehrheit der Untersuchungskommission annahm; dass die Sprengung, mit der am Ende das Gefängnis zerstört wurde, nicht während der Phase des intensiven Angriffs erfolgte, sondern als der Angriff bereits abgeschlossen war, und dass diese nicht eine Folge einer Kettenreaktion mit Dynamit war, sondern durch eine Sprengung der Stützpfeiler, auf denen das Gebäude ruhte; dass außer den 28 Häftlingen, die sich am Tag der Vorfälle ergaben, einen Tag später ein oder zwei weitere und drei Tage später ein oder zwei weitere auftauchten; dass die Untersuchungskommission Informationen über die Ermittlungen des Obersten Gerichtshofs der Militärjustiz anforderte, doch das Kammergericht der Marine keinerlei Informationen beitrug und sich auch weigerte, die Namen der Offiziere, die die Operation befehligten, anzubieten; dass die Kommission keinen Hinweis auf Dynamit im Besitz der Häftlinge fand; dass die Kommission herauszufinden versuchte, warum nicht Mittel wie Tränengas oder Nervengas eingesetzt wurden, und man ihr sagte, auf Grund der Dringlichkeit, den Aufstand noch in derselben Nacht niederzuschlagen, war keine Zeit dazu; dass es keine Möglichkeit der Flucht für die Aufständischen gab.

53. Der Zeuge José Raez Gonzalez, Giro, erklärte, dass er im Auftrag der Kriegsmarine das Institut für Rechtsmedizin ersuchte, zwei Experten für die Untersuchung der Leichenreste im Gefängnis El Frontón zur Verfügung zu stellen, und er in dieser Funktion von Februar bis April 1987 auf der Insel tätig, und ungefähr 90 Leichen untersuchte; dass die Aufgabe des Rechtsmediziners ist, die Todesursache festzustellen und bei der Identifizierung zu helfen; dass die Leichen alle den Zustand der ersten Verwesung überschritten hatten, einige mumifiziert waren und andere alle Weichteile verloren hatten und es nur noch Einzelteile gab; dass in vielen Fällen die Todesursache nicht festgestellt werden konnte, da es sich nur um Knochenreste handelte, in anderen als Todesursache mehrfache Knochenbrüche festgestellt wurden; dass in einigen Fällen die Kleiderreste, die Größe, das Geschlecht, das Alter und die Reste des Gebisses beschrieben wurden; dass es nicht die Aufgabe des Arztes ist, sich mit den Angehörigen der Opfer in Verbindung zusetzen, um zu versuchen, die Leichen zu identifizieren; dass die Identifizierung Aufgabe des Erkennungsdienstes der Polizei ist; dass bei einigen Leichen Fingerabdrücke genommen werden konnten; dass die Mehrzahl der Toten daran starben, dass sie von einstürzenden Gebäudeteilen erdrückt wurden; dass er die Protokolle, Berichte und Kommentare nach dem Abschluss der Untersuchungen dem Marinerichter übergab und die Sterbeurkunden unterzeichnete; dass es viele Faktoren gibt, dies nicht zulassen, Fingerabdrücke von Leichen zu nehmen, und dass er sich nicht daran erinnert, Brandspuren an den Leichen gesehen zu haben.

54. Der Zeuge Dr. Augusto Yamada Yamada, Chefarzt der Abteilung für pathologische Anatomie des Marinekrankenhauses, Offizier der Marine mit dem Dienstgrad eines Fregattenkapitäns des Sanitätswesens der Marine, erklärte, dass er am 19. und 20. Juli 1986 damit begann, Autopsien auf der Insel El Frontón vorzunehmen; dass die Polizei Fingerabdrücke nahm und ein Zahnarzt Odontogramme erstellte; dass er die Autopsieprotokolle und die Sterbeurkunden aufsetzte; dass von den 38 Autopsien, die er durchführte, bei 17 die Todesursache Schusswunden waren bei 21 Tod durch Erdrücken; dass einige Leichen mehrfache Schusswunden aufwiesen und diese nicht aus kurzer Distanz abgefeuert wurden; dass für die Identifizierung die Kriminalpolizei zuständig war; dass in vier Sterbeurkunden der Name der Toten eingetragen ist, der vom Richter beigetragen wurde; dass er in den Leichen keine Splitter fand; dass die Leichen, die er untersuchte, mehr oder weniger vollständig waren, außer dreien, bei denen der Kopf fehlte, und dass er die Autopsien, die er machte, am 19. und 20. Juni, verschiedene im Juli und 5 weitere am 22. Januar 1989 durchführte.

55. Der Zeuge Juan Kruger Parraga, Facharzt für Pathologie und Anatomie, erklärte, dass er bis 1989 Chef der Abteilung der Pathologie des Gesundheitszentrums der Marine mit dem Dienstgrad Kapitän zur See war; dass der Zweck der Autopsie unter anderem die Feststellung der Todesursache ist, denn die Identifizierung der Leichen ist in Peru Aufgabe der Kriminalpolizei; dass die Identifizierung nicht Teil der Aufgaben des Arztes ist; dass er gerufen wurde, um Autopsien auf der Insel El Frontón zu machen und das erste Mal am 5. Juli 1986 und das letzte Mal an 22. Januar 1987 dort war; dass er 23 Autopsien durchführte und, wie er sagt, dass "einige oder die Mehrheit der Leichen im Zustand der Fäulnis waren" und viele mehrfache Knochenbrüche durch einstürzende Gebäudeteile aufwiesen; dass in keinem der Autopsieprotokolle, die er unterzeichnete, die Personen identifiziert sind; dass an den Autopsien Zahnärzte beteiligt waren, die in den Fällen, in denen Gebissreste gefunden wurden, Odontogramme erstellten, die dem Marinerichter übergeben wurden; dass einige Leichen Zivilkleidung trugen, doch diese Daten in den Protokollen nicht angegeben sind; dass er bei den Leichen keine Anzeichen von Schusswunden fand; dass er aufgrund des Zustandes der Leichen nicht feststellen konnte, ob der Tod am 18. oder am 19. eintrat; dass jede Autopsie zwei oder mehr Stunden dauerte; dass er bei einigen wenigen Leichen Brandspuren fand.

56. Der Experte Robert H. Kirschner, Arzt und forensischer Pathologe, erklärte, dass er stellvertretender Chefarzt und Stellvertreter des Gerichtsmediziners des Bezirks Cook, Illinois in Chicago und Umgebung ist; dass er im Laufe seines Arbeitslebens mehr als 7000 Autopsien gemacht habe, von denen er einige Erfahrungen erzählte. Er vertrat die Meinung, das im Falle der Gefängnisse in Peru die Behörden, wie es üblich ist, Fingerabdrücke von den Häftlingen genommen haben, und es leicht gewesen wäre, diese mit denen der Leichen zu vergleichen; dass das Gleiche für Gebissmerkmale, Tätowierungen und alte Narben gilt, bei denen die Hilfe der Familie sehr wichtig ist; dass es am 20. Juni sehr leicht gewesen wäre, mit den notwendigen Informationen die Leichen zu identifizieren; dass es unter anderem für die Feststellung der Todesursache wichtig ist, den Fundort zu fotografieren und Zeichnungen anzufertigen, bevor die Leichen geborgen werden; dass die Autopsien professionell ausgeführt wurden, die Beauftragten jedoch Fehler bei der Identifizierung machten; dass auch jetzt noch, ohne Exhumierung, viele Leichen identifiziert werden können, insbesondere, wenn die Angehörigen kooperieren; dass es nur wenige Fälle gibt, in denen eine Identifizierung nicht gelingt; dass eine Explosion in einem Innenraum sichtbare Spuren am Körper hinterlassen hätte.

57. Der Experte Dr. Clyde C. Snow, Arzt und forensischer Anthropologe, erklärte, dass er seit 1984 viele Male außerhalb der Vereinigten Staaten gerufen wurde, um Fälle von Verschwundenen oder Massenexekutionen in Argentinien, Bolivien, Chile, Guatemala, El Salvador, Irak, Kurdistan und Ex-Jugoslawien zu untersuchen; dass viele dieser Fälle schwieriger waren als der von El Frontón, denn in diesem Fall verfügte man über eine Namensliste der Häftlinge und in den Gefängnisregistern müsse es Beschreibungen physischer Merkmale, Fingerabdrücke, Merkmale des Gebisses usw. geben; dass die Mumifizierung in gewisser Art die Identifizierung erleichtert, insbesondere was Fingerabdrücke und Zeichen auf der Haut angeht; dass es statistisch unwahrscheinlich ist, dass ein Arzt unter 96 Leichen 10 oder 7 mit Schusswunden gefunden habe und die anderen beiden Ärzte keine; dass bei einem größeren Gebäude als der "blaue Pavillon" die Bergung der Leichen und die Identifizierung in zwei bis drei Wochen gemacht wurde; dass er, wenn man ihn zur Identifizierung der Leichen von El Frontón hinzugezogen hätte, zuerst alle Daten über die Opfer zusammengetragen hätte und die Leichen an ihrem Fundort fotografiert hätte; dass auch sieben Monate nach den Vorfällen die Identifizierung von mehr als 90 Prozent der Leichen möglich gewesen wäre und dass es selbst heute noch möglich wäre, wenn man die Fingerabdrücke und Gebissmerkmale heranzieht und in einigen Fällen die Leichen exhumiert.

...

VII. (Schlussfolgerungen des Gerichtshofes)

60. Laut Artikel 5.2 der Konvention hat jede Person, die ihrer Freiheit beraubt ist, das Recht, unter Haftbedingungen zu leben, die mit der Menschenwürde vereinbar sind, und der Staat muss das Recht auf Leben und persönliche Sicherheit garantieren. Folglich ist der Staat als Verantwortlicher für die Haftanstalten der Garant für die Rechte der Häftlinge.

61. Im vorliegenden Fall hatte Peru das Recht und die Pflicht, den Aufstand im Gefängnis San Juan Bautista unter Kontrolle zubringen, und das mehr noch, wenn er sich nicht spontan entwickelte, sondern offensichtlich längerfristig vorbereitet war, denn die Häftlinge hatten Waffen verschiedenen Typs gebaut, Tunnel ausgehoben und praktisch die Kontrolle über den "blauen Pavillon" übernommen. Auch sollte in Betracht gezogen werden, dass in der ersten Phase der Niederschlagung des Aufstands durch die Guardia Republicana die Häftlinge einen Gefreiten und zwei Polizisten als Geiseln genommen, vier weitere verwundet und drei Gewehre und eine Maschinenpistole in ihre Gewalt gebracht hatten, mit denen sie unter den Soldaten, die anrückten, um den Aufstand niederzuschlagen, Tote verursacht hatten.

62. Im Bericht der Mehrheit der Untersuchungskommissionen des Kongresses von Peru heißt es, "das Ergebnis lässt jedoch auf eine Unverhältnismäßigkeit der eingesetzten militärischen Mitteln schließen. Die Sprengung des Gefängnisses am Ende, nachdem sich um 14: 30 Uhr des 19. Juni die Gefangenen ergeben hatten, hat keine logische Erklärung und ist folglich ungerechtfertigt." Auch im Bericht der Minderheit heißt es:

"Es ist bewiesen, dass die Regierung in Nichterfüllung ihrer Pflicht, menschliches Leben zu schützen, Anordnungen gab, deren Folge eine ungerechtfertigt hohe Zahl von Toten war. ... Die eingesetzten militärischen Mittel standen in keinem Verhältnis zu der wirklich bestehenden Gefahr, und die Formen des Angriffs zeigten auch keinerlei Vorkehrungen, um die Zahl der Opfer bei der Niederschlagung des Aufstands in Grenzen zu halten."


63. Das Gericht hält es für unnötig zu analysieren, ob die Funktionäre und Behördenvertreter, die an der Niederschlagung des Aufstands beteiligt waren, innerhalb ihrer Funktion und im Einklang mit internem Recht handelten, da die Handlungen der Funktionäre der Regierung dem Staat anzulasten sind, denn unabhängig davon, ob sie

gegen Normen des internen Rechts verstoßen oder die Grenzen ihrer Kompetenz überschritten haben, ist es ein Grundsatz des internationalen Rechts, dass der Staat für die Handlungen oder Unterlassungen verantwortlich ist, die seine Vertreter in Ausübung ihrer offiziellen Funktion begehen, auch wenn sie die Grenzen ihrer Kompetenzen überschreiten oder gegen internes Recht verstoßen. (Fall Velaquez Rodriguez, Urteil vom 29. Juli 1988, Serie C, Nr. 4, Abschnitt 170 und Fall Godinez Cruz, Urteil vom 20 Januar 1989, Serie C, Nr. 5, Abschnitt 179).


64. Von den 97 Leichen, an denen Autopsien vorgenommen wurden, wurden nur sieben identifiziert. Nichts deutete darauf hin, dass alle notwendigen Anstrengungen unternommen worden sind, um eine größere Zahl von Opfern zu identifizieren oder zu diesem Zweck die Hilfe der Angehörigen der Opfer angefordert worden wäre. Festzustellen ist die Diskrepanz zwischen der Zahl der Häftlinge im "blauen Pavillon" vor dem Aufstand und der Zahl der Aufständischen, die sich ergaben, zuzüglich der Zahl der Toten. Laut den Ermittlungen der Militärjustiz gab es 111 Tote (Knochenreste von 14 Personen und 97 Leichen) und 34 Überlebende, was eine Gesamtzahl von 145 Personen ausmacht, während auf der inoffiziellen Liste, die der Vorsitzende des Nationalen Rats für Strafvollzug übergab, 152 Häftlinge verzeichnet sind. Das Abtragen der Trümmer erfolgte zwischen dem 23. Juni 1986 und dem 31. März 1987, das heißt, es dauerte neun Monate.

VIII

65. Das Gericht ist der Ansicht, dass es nicht der Kommission zukommt, den Verbleib der drei Personen, um die es in diesem Prozess geht, nachzuweisen, sondern angesichts der Umstände, dass seinerzeit die Gefängnisse und die Untersuchungen unter der ausschließlichen Kontrolle der Regierung standen, die Beweislast dem beschuldigten Staat zukommt. Die Beweise standen der Regierung zur Verfügung oder hätten ihr zur Verfügung gestanden, wenn sie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit gehabt hätte. Das Gericht hat in früheren Fällen festgestellt:

Im Unterschied zum internen Strafrecht bei Prozessen über die Verletzung von Menschenrechten, kann die Verteidigung des Staates sich nicht darauf stützen, dass es dem Kläger unmöglich ist, Beweise vorzulegen, an die er in vielen Fällen nicht ohne die Kooperation des Staates gelangen kann.

Es ist der Staat, der die Kontrolle über die Mittel zur Aufklärung der Vorfälle innerhalb seines Territoriums besitzt. Auch wenn die Kommission die Kompetenz besitzt, Untersuchungen durchzuführen, hängt sie in der Praxis bei ihrer Durchführung innerhalb der Jurisdiktion des Staates von dessen Bereitschaft zur Zusammenarbeit und den Mitteln ab, die ihr die Regierung zur Verfügung stellt. (Fall Velasquez Rodriguez supra 63, Abschnitt 135 - 136 und Fall Gondinez Cruz, supra 63, Abschnitt 141 - 142).

66. Das Gericht hält es für bewiesen, dass Viktor Neira Alegría, Edgar Zenteno Escobar und William Zenteno Escobar sich am 18. Juni 1986, dem Tag der Niederschlagung des Aufstands, als Häftlinge im "blauen Pavillon" des Gefängnisses San Juan Bautista befanden. Diese Tatsache geht aus der Namensliste hervor, die der Vorsitzende des Nationalen Rats für Strafvollzug dem Richter des 21. Untersuchungsgerichts von Lima, der die Habeas-Corpus-Akte bearbeitete, übergab, sowie aus der Liste die der Chef des Erkennungsdienstes des Gefängnisses San Juan Bautista dem 2. Ständigen Untersuchungsgericht der Marine vorlegte, und diese Tatsache wurde von der Regierung nicht bestritten.

67. Das Gericht hält es für bewiesen, dass die drei betroffenen Personen sich nicht unter den Aufständischen befanden, die sich ergaben, und dass ihre Leichen nicht identifiziert wurden. Das geht aus der Note des Außenministers von Peru an die Kommission vom 20. September 1999 hervor, die der peruanische Botschafter bei der OAS übergab und für den peruanische Staat rechtsverbindlich ist ... und in der es heißt:

"Die mutmaßlich Verschwundenen Viktor Neira Alegría, Edgar Zenteno Escobar und William Zenteno Escobar befanden sich nicht unter den Aufständischen, die sich bei den Vorfällen im Gefängnis San Juan Bautista am 18. und 19. Juni 1986 ergaben, noch waren ihre Leichen unter den wenigen, die identifiziert werden konnten, wie aus den Akten hervorgeht.
Hingegen sind in der Folge dieser Vorfälle 92 Sterbeurkunden für nicht identifizierte Leichen ausgestellt worden, unter denen sich zweifellos die drei Personen befinden, die die Kommission für verschwunden hält."


68. Im vorliegenden Fall ist die Flucht der Häftlinge und das Einwirken Dritter neben den Institutionen des Staates, die nicht vom peruanischen Staat hinzugezogen worden sind, auszuschließen.

69. Das Gericht hält es für bewiesen, dass der Zellentrakt von Personal der peruanischen Marine gesprengt wurde, wie aus den Berichten, die von den Experten in der Verhandlung vorgelegt wurden, der Aussage des Vorsitzenden des Nationalen Rats für Strafvollzug vor dem Untersuchungsrichter des 21. Untersuchungsberichts von Lima vom 16. Juli 1986, sowie aus dem Umstand, dass laut den Autopsien viele der Toten durch einstürzende Gebäudeteile erdrückt worden sind, hervorgeht. Die Berichte der Mehrheit und der Minderheit der Kommission des Kongresses stimmen in ihrer Einschätzung überein, was die Unverhältnismäßigkeit der eingesetzten Gewalt angeht. Sie haben offiziellen Charakter und werden von diesem Gericht als ausreichender Beweis für diese Tatsache gewertet.

70. Auch ist in Betracht zu ziehen, dass die Minderheit der Kommission des Kongresses in ihrem Bericht die Behauptung aufstellt, der von der Regierung nicht widersprochen wurde, dass mangelndes Interesse bestand, nach der Sprengung die überlebenden Aufständischen zu retten, denn einige Tage danach tauchten vier lebende Häftlinge auf, und es hätte noch weitere geben können.

71. Das Gericht hält es ebenfalls für bewiesen, dass nicht die notwendige Sorgfalt bei der Identifizierung der Leichen angewandt wurde, denn es wurden nur einige wenige, die in den Tagen unmittelbar nach Beendigung des Konflikts geborgen wurden, identifiziert. Bei den übrigen, die in dem fürwahr sehr langen Zeitraum von neun Monaten geborgen wurden, geschah dies nicht, obwohl laut Aussage der Experten mit gewissen Techniken eine Identifizierung möglich gewissen wäre. Dieses Vorgehen der Regierung bildet eine schwere Nachlässigkeit.

72. Das Gericht gelangt aufgrund der vorherigen Feststellungen zu dem Schluss, dass Victor Neira Alegría, Edgar Zenteno Escobar und William Zenteno Escobar bei der Niederschlagung des Aufstandes durch Ordnungskräfte der Regierung starben und folglich auf Grund des unverhältnismäßigen Einsatzes von Gewalt.

...

X. (Beschlüsse)

91. Folglich erklärt das Gericht einstimmig,

1. dass Peru gegen das Recht auf Leben von Victor Neira Alegría, Edgar Zenteno Escobar und William Zenteno Escobar verstoßen hat, das in Artikel 4.1 in Verbindung mit dem Artikel 1.1 der Amerikanischen Konvention für Menschenrechte anerkannt ist.

2. dass Peru gegen das Recht auf den Habeas Corpus der drei genannten Personen verstoßen hat, dass im Artikel 7.6 in Verbindung mit dem Verbot im Artikel 27.2 der Amerikanischen Konvention für Menschenrechte festgelegt ist.

3. Das Gericht beschließt, dass Peru verpflichtet ist, den in diesem Prozess vertretenen Angehörigen der Opfer eine angemessene Entschädigung zu zahlen und ihnen die Kosten zu ersetzen, die ihnen bei den rechtlichen Schritten vor den nationalen Behörden entstanden sind.

4. Das Gericht beschließt, dass die Form und die Höhe der Entschädigung und der Vergütung ihrer Kosten im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Peru und der Kommission innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Zustellung dieses Urteils festgelegt werden.

5. Das Gericht behält sich vor, diese Übereinkunft zu überprüfen und gutzuheißen, und im Fall, dass sie nicht zustande kommt, die Höhe der Entschädigung und der Ausgaben festzulegen, und lässt das Verfahren zu diesem Zweck offen.

(Unterschriften)


Übersetzung aus dem Spanischen. Quelle des Orignaltextes: Interamerikanischer Gerichtshof (http://www.corteidh.or.cr/)