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SOLIDARITÄT MIT DEN POLITISCHEN GEFANGENEN IN PERU:

SCHLUSS MIT DEN PROZESSEN WEGEN TERRORISMUS!


In diesen Monaten finden in Peru die neuen Prozesse wegen Terrorismus gegen rund 2000 Beschuldigte statt, denen eine Beteiligung an den bewaffneten Bewegungen der achtziger und neunziger Jahre vorgeworfen wird. Wir schließen uns den Protesten gegen diese Prozesse an, in denen mit der Anschuldigung des Terrorismus darauf abgezielt wird, gemäß der Doktrin des "weltweiten Kampfes gegen den Terrorismus" des US-Präsidenten George Bush, soziale Bewegungen zu diskreditieren, ihnen die politische Berechtigung abzusprechen und sie zu kriminalisieren, sowie die angeblichen "Terroristen" gesellschaftlich zu ächten, ihnen alle Grundrechte abzuerkennen und ihre Vernichtung zu rechtfertigen.

Die Aufständischen im internen Krieg in Peru sind keine Terroristen sondern soziale Kämpfer und verdienen unseren Respekt!

In Peru fand in den achtziger und neunziger Jahren ein interner Krieg statt, wie von vielen Menschen, darunter herausragenden Intellektuellen in Peru und andernorts anerkannt wird. Dieser richtete sich gegen eine zutiefst ungerechte Gesellschaftsordnung, die die Mehrheit der peruanischen Bevölkerung zu Armut, Hunger, Unwissenheit und Rückständigkeit verdammte. Die Aufständischen verzichteten in vielen Fällen auf eine aussichtsreiche persönliche Zukunft, um ihr Leben dem Kampf für die soziale Veränderung der peruanischen Gesellschaft zu widmen, und nahmen dabei bewusst das Risiko von Haft und Tod auf sich. Sie haben öffentlich die politische Verantwortung für ihren Anteil am internen Krieg übernommen und sich bereit erklärt, für Verfehlungen, Irrtümer und Exzesse gerade zu stehen. Diese Haltung verdient Respekt, unabhängig davon, ob man den eingeschlagenen Weg für den richtigen hält oder nicht. Darum lehnen wir es ab, dass sie als "Terroristen" diffamiert werden und als solche vor Gericht gestellt werden. Sie sind soziale Kämpfer, politische Gefangene und Kriegsgefangene und sollten als solche behandelt werden.

Der peruanische Staat wandte eine systematische Vernichtungspolitik gegen die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen an!

Der peruanische Staat wandte seit dem Beginn des internen Krieges im Jahre 1980 eine systematische Politik der Isolation und Vernichtung der politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen an. Diese gipfelte in dem Massaker im Gefängnis Lurigancho vom Oktober 1985, bei dem rund 30 Gefangene getötet wurden, und dem Massenmord in den Gefängnissen Santa Barbara, Lurigancho und El Frontón vom Juni 1986 mit rund 250 Opfern, für die die damalige Regierung von Alan García Pérez verantwortlich ist, sowie der selektiven Ermordung von 30 vermeintlichen Führungskadern im Gefängnis Canto Grande im Jahre 1992, die Fujimori nach seinem Staatsstreich vom 5. April anordnete. Die Hauptverantwortlichen für diese Verbrechen sind aufgrund der Komplizenschaft der peruanischen Justiz nach wie vor unbestraft. Unter der Diktatur von Fujimori waren die politischen Gefangenen den härtesten Haftbedingungen in ganz Lateinamerika ausgesetzt. Nach dem Massenmord im Mai 1992 wurden sie in eigens errichteten "Hochsicherheitsgefängnissen" isoliert, mit 3 bis 5 Personen 23 ½ Stunden pro Tag in dunklen, feuchten Zellen eingeschlossen und ständigen "Durchsuchungen" ausgesetzt, die ein Vorwand waren, um sie zu massakrieren und die wenigen Habseligkeiten, die ihnen zugestanden wurden, zu stehlen oder zu zerstören. Während in allen anderen peruanischen Gefängnissen mehrmals die Woche eine mehrstündige Besuchszeit besteht, da das korrupte peruanische Gefängnissystem nicht dazu in der Lage ist, eine elementare Grundversorgung der Häftlinge zu leisten und diese auf die Unterstützung durch ihre Familien angewiesen sind, hatten die Gefangenen in den "Hochsicherheitsgefängnissen" im ersten Jahr keinerlei Recht auf Besuch und konnten danach nur einmal im Monat für ½ bis zu einer Stunde Besuche ihrer direkten Verwandten empfangen, die in einem von einem doppelten Maschendrahtgitter unterteilten Besuchsraum stattfanden. Diese "Sonderbehandlung" zielte darauf ab, den Willen der Gefangenen zu brechen, denn gleichzeitig wurden ihnen Haftvergünstigungen angeboten, wenn sie andere denunzierten und ihren Idealen abschworen. Dieses Vorgehen macht deutlich, dass es nicht darum ging, die Gesellschaft vor der angeblichen Gefahr durch die "Terroristen" zu schützen oder sie für ihre angeblichen Straftaten büßen zu lassen, die in den wenigsten Fällen erwiesen waren, sondern sie für ihre Ideen zu bestrafen, was ein massiver Angriff auf die Gedanken- und Meinungsfreiheit ist. Trotzdem hielt die große Mehrheit der Gefangenen an ihren Überzeugungen fest und nahm den Kampf um die Achtung ihrer Grundrechte auf. Obwohl seit Ende der neunziger Jahre die Haftbedingungen der politischen Gefangenen allgemein gelockert wurden, setzte die im Jahre 2001 angetretene Regierung Toledo diese Politik fort, indem sie weiterhin vermeintliche Führungskader isolierte und ihre Rechte einschränkte. Es zeichnet sich ab, dass dies auf die rund 700 Gefangenen, die nach dem Abschluss der neuen Prozesse mit Strafen zwischen 20 Jahren und lebenslänglicher Haft voraussichtlich im Gefängnis bleiben werden, ausgeweitet wird.

Die Antiterrorismusgesetze des peruanischen Staates verletzen systematisch die Grundrechte der Beschuldigten und sind unvereinbar mit den Regeln eines Rechtsstaats!

Wie in anderen Ländern handelt es sich bei den Antiterrorismusgesetzen um eine Sondergesetzgebung, mit der politisch motivierte Straftaten mit besonders hohen Strafen belegt werden, um einen politischen Gegner auszuschalten und zu vernichten. In Peru besteht ein ganzes System von Gesetzen für Fälle von "Terrorismus", die von den allgemeinen Normen des Strafrechts, der Strafprozessordnung und des Strafvollzugs abweichen. Zwar hat das Verfassungsgericht im Januar 2003 einen Teil der Antiterrorismusgesetzgebung der Diktatur Fujimori, vor allem die Prozesse über "Landesverrat" vor Militärgerichten und die Verurteilungen durch anonyme Richter, für verfassungswidrig erklärt und die entsprechenden Verfahren annulliert, was der Grund für die derzeitig stattfindenden neuen Prozesse ist. Doch es erklärte das Dekret 25475 über das Delikt des Terrorismus und damit das Kernstück der Gesetzgebung der Diktatur für verfassungskonform, das von vielen Juristen bis hin zum Amerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt wegen seiner äußerst vagen Definition des Straftatbestands des Terrorismus kritisiert worden ist, womit praktisch jede strafbare Handlung und selbst eine nicht strafbare Handlung als Terrorismus betrachtet werden kann, wenn es der Ankläger so auslegt. Dies wurde bekräftigt durch die Dekrete 921-927, die die Regierung Toledo nach der Annullierung der früheren Gesetze erließ. Darin wurden die drakonischen Strafen von 20 Jahren bis zu lebenslänglicher Haft beibehalten, Sonderstrafkammern für "Terrorismus" eingeführt, die Öffentlichkeit der Hauptverhandlungen eingeschränkt und die vorzeitige Freilassung fast unmöglich gemacht. Damit beschneidet diese Gesetzgebung weiterhin wesentliche Grundrechte und Rechtsgarantien der Angeklagten wie die Gleichheit vor dem Gesetz oder die Unparteilichkeit der Richter und ist mit den Regeln eines Rechtsstaats unvereinbar. Deshalb fordern wir die Abschaffung der Antiterrorismusgesetzgebung und die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Rechts und der Rechtsprechung auf die Kämpfer des internen Krieges. Da die überwiegende Mehrheit bereits zwischen 12 und 20 Jahren in Haft ist, würde das bedeuten, dass die meisten ihre Strafe längst verbüßt und ein Recht auf Freilassung hätten.

Schluss mit der Politik der Isolation und Vernichtung der politischen Gefangenen! Menschenwürdige Haftbedingungen für alle Gefangenen!

Wir fordern den peruanischen Staat auf, zu den Prinzipien des Rechtsstaates zurückzukehren und die verfassungswidrige Antiterrorismusgesetzgebung abzuschaffen!

Schluss mit der Politik des Hasses und des Revanchismus! Der interne Krieg war ein soziales und politisches Phänomen und erfordert eine politische Lösung!

Die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen haben ein Recht auf Freilassung, Ideenfreiheit und politische Betätigung!



Mai 2006

Asociación Peru - Deutschland