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NACHRUF AUF DEN ANWALT DR. JORGE CARTAGENA



Am Abend des 24. Dezember starb der Verteidiger der Menschenrechte und politische Gefangene Dr. Jorge Cartagena Vargas. Seit er im Jahr 1960 seinen Abschluss als Jurist an der Universität San Marcos in Lima machte, widmete er sich unablässig der Verteidigung von Gewerkschaften, Arbeitern und bäuerlichen Dorfgemeinschaften, und ließ bis zum letzten Moment seines Lebens selbst in der langen Zeit, die er aus ideologischen Gründen in Gefangenschaft gehalten wurde, nicht davon ab.

Dr. Jorge Cartagena wurde das erste Mal im Jahre 1965 verhaftet. Die Anschuldigung lautete, dass er die Guerrilleros der MIR (Movimiento de Izquierda Revolucionaria), die sich mit der Waffe gegen den peruanischen Staat erhoben, verteidigt zu haben.

Als sich im Jahr 1980 die maoistische Bewegung, genannt Kommunistische Partei Perus - auf dem leuchtenden Pfad von Mariátegui, mit der Waffe in der Hand erhob, empfing er getreu seinen Prinzipien in seiner Kanzlei in der Jiron Lampa im Zentrum von Lima die Mütter, die nach Auskünften über ihre von der Polizei verschleppten Töchter und Söhne, über die Gefolterten und die Verhafteten verlangten und übernahm furchtlos zusammen mit anderen Anwälten in diesem politisch-militärischen Kampf die Verteidigung der Menschenrechte der Gefangenen, Verschwundenen und Verfolgten.

Bei einigen Gelegenheiten, wenn uns die Verteidigung von Mandanten zusammenführte, verbrachten wir lange Stunden im Gespräch, während wir darauf warteten, dass die politische Polizei, die sich in Peru DINCOTE (Nationale Direktion gegen den Terrorismus) nennt, uns in ihren Büros vorließ. Ich war damals in den achtziger Jahren ein junger Anwalt und mich interessierte, seine lange Erfahrung in der Verteidigung der Grundrechte kennen zu lernen, die ich mit Ehrfurcht aufnahm. In diesen langen Zusammenkünften sehr nah an den Arrestzellen, wo Männer, Frauen und Kinder gefoltert und in vielen Fällen verschleppt wurden, um sie zu zwingen, ihre Angehörigen auszuliefern, die nach Ansicht der DINCOTE in die Subversion verwickelt waren, wogen wir zusammen mit dem Anwalt Dr. Manuel Febres Flores, den die Regierung der APRA später von einem paramilitärischen Kommando ermorden ließ, verschiedene Konzepte ab, entwarfen wir Systeme der juristischen Verteidigung, die manchmal unbeabsichtigt übereinstimmten, und die Regierung betrachtete dies als eine große Koordination von Juristen zu Gunsten der Aufständischen, obwohl es nichts weiter war, als das Ergebnis der Gespräche, die wir führten, während wir darauf warteten, dass wir unseren Mandanten beistehen könnten.

Nach dem Putsch von Alberto Fujimori vom 5. April 1992, bei dem das Parlament aufgelöst, die Justiz im Handstreich übernommen und die militärischen Kommandos zur Arbeit in der Zivilgesellschaft eingerichtet wurden, setzte Jorge Cartagena die Verteidigung der politischen Gefangenen fort, und mit ihm viele andere Anwälte, unter denen Dr. Alfredo Crespo Bragayrac hervorzuheben ist, der immer noch im Gefängnis Canto Grande in Haft ist, weil er Aufständische verteidigt hat - und es ist unserer aller Aufgabe, ihn lebend aus diesem Kerker herauszuholen -, und die scharfsinnigen Plädoyers von Jorge Cartagena Vargas selbst vor den Militärgerichten riefen den unbändigen Zorn des Diktators hervor, worauf er die paramilitärische Gruppe "Colina" ausschickte, dieselbe, die für das Massaker von Barrios Altos verantwortlich ist, um 20 Schüsse aus Schnellfeuergewehren auf Dr. Jorge Cartagena abzugeben, von denen einer über der rechten Augenbraue in seinen Kopf eindrang. Er wurde sofort ins Krankenhaus "Dos de Mayo" geschafft, wo fähigen Ärzte, beseelt von dem Wunsch, diesem großen Anwalt das Leben zu retten, das Unmögliche gelang. Jorge Cartagena überlebte und erholte sich schnell. Als wir ihn im Krankenhaus besuchten, beschworen wir ihn, Peru zu verlassen, und er erwiderte: "Meine Aufgabe ist hier in Peru und nirgendwo sonst". Fast flehend boten wir ihm an, unter den Anwälten Geld zu sammeln, damit er fliehen könne, solange noch Zeit wäre. Die Botschaft der Diktatur war eindeutig gewesen. Doch er erwiderte erneut: "Ich habe Ayamarablut, auch wenn ich aus Tacna bin, und dies ist meine Heimat, und ich gehe nicht weg." Monate später wurde Jorge Cartagena Vargas, noch nicht wieder ganz hergestellt, bei einer Razzia gegen die Verteidiger der Menschenrechte, bei der der Autor dieser Zeilen ebenfalls festgenommen wurde, für den Rest seines Lebens und bis zu seinem Tod eingesperrt, verurteilt zu lebenslanger Haft durch ein Militärgericht, über das er sich lustig machte, indem er sagte, "machen Sie sich keine Sorgen, Kommandant. Wenn ich im Gefängnis bin, werde ich Hüte flechten, und durch die Vergünstigungen aufgrund guter Führung und Arbeit werde ich die lebenslange Haftstrafe auf die Hälfte verkürzen", was die Richter in Wut versetzte.

Vor zwei Jahren erreichte es die Amerikanische Juristenvereinigung - Zweig Peru, dass sein Prozess vor den faschistischen Gerichten annulliert und er der Ziviljustiz unterstellt wurde. Bedauerlicherweise verhinderte die Langsamkeit der Justiz, dass er seine Freiheit wieder erlangte, auf die er stets ein Anrecht hatte. Die Anschuldigungen gegen ihn waren einfach: Das Verteidigen von Aufständischen. Der Anwalt Dr. Alejandro Teitelbaum leistete hervorragende Arbeit in den Vereinten Nationen und half uns, Aufmerksamkeit für das Thema zu wecken, doch dieses Mal war der Tod schneller.

Als wir vor einem Monat erfuhren, dass Dr. Jorge Cartagena an Krebs im Endstadium erkrankt und sein Ableben nur eine Frage der Zeit war, wandten wir uns an den Präsidenten von Peru, um eine Begnadigung aus humanitären Gründen zu erreichen. Doch während einige von uns den Heiligabend mit ihren Familien verbrachten, starb Dr. Cartagena. Er wurde unter dem Gesang der Internationale und mit den Ehren, die er sich durch seine lange, aufopferungsvolle Tätigkeit als Verteidiger der Ärmsten verdient hat, von Müttern, ehemaligen politischen Gefangenen, Einwohnern der ärmsten Viertel von Lima, auf dem Friedhof Campo Fe in Huachipa-Lima mit 78 Jahren zur letzten Ruhe begleitet. Hoffentlich gibt uns das Leben, hoffentlich geben uns die kommenden Jahre zum Wohl unserer Länder viele Menschen wie Cartagena Vargas.


Lima, 31. Dezember 2004

Andrés Coello Cruz
Vorsitzender der Asociación Americana de Juristas (Amerikanische Juristenvereinigung - AAJ) - Peru






Übersetzung aus dem Spanischen.