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"Jahr des Rechtsstaates und der demokratischen Regierungsfähigkeit"

PRESSEMITTEILUNG


In den letzten Wochen waren wir Peruaner einmal mehr Zeugen einer übereinstimmenden Kampagne in verschiedenen Presseorganen, die darauf ausgerichtet war, gegen unsere Angehörigen, welche in der Folge des Krieges, der ab 1980 in unserem Land stattfand, in Haft sind, Hass und politischen Revanchismus zu schüren.

Anlässlich des Beginns des Prozesses gegen Dr. Abimael Guzman prangten auf den Titelseiten verschiedener Zeitungen Schlagzeilen wie: "Sendero kontrolliert die Gefängnisse", "Sendero hält die Kontrolle über ganze Zellentrakte in Castro Castro", "Terroristen genießen Privilegien", Meldungen, die falsch und böswillig sind und deren einziges und offensichtliches Ziel ist, die Politik der Rechtsprechung und des Strafvollzugs von Fujimori aufzuwerten und zu diesen barbarischen Methoden zurückzukehren, wogegen wir uns wehren.

Unter Missachtung der Autonomie der Staatsgewalten, die in einer Demokratie existieren sollte, und unter Negierung von Jurisdiktionen und Zuständigkeiten, hat der Präsident Toledo in einer Rede an die Nation unsere Angehörigen angeklagt und verurteilt, verlangt, dass das System des Strafvollzugs von Fujimori wiedereingeführt wird, das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess, das jeder Gefangene hat, geleugnet und das Recht der freien Presse zu informieren und des Volkes, informiert zu werden, verweigert.

Die fast 2000 politischen Gefangenen in unserem Land befinden sich zwischen 10 und 18 Jahren in Haft. Sie haben die schlimmsten Haftbedingungen in Lateinamerika mit jahrelanger Isolationshaft erlitten, wurden rechtswidrig in abgelegene Gefängnisse wie Yanamayo und Challapalca verlegt, um zu verhindern, dass wir sie besuchen und unterstützen, womit die Bestrafung auf ihre Familien, ausgeweitet wurde. Auf diese Art wurden Methoden wiederbelebt, die die Menschheit bereits überwunden hat. All das wird verschwiegen, während die Verfolgung, Einschüchterung und Drohungen gegen die Angehörigen und die Anwälte, die politische Gefangene verteidigen, zunimmt und sie beschuldigt werden, als "Kommunikationsträger des Terrors" zu dienen, was wir zurückweisen und womit Schluss sein muss.

Indessen versucht der peruanische Staat seine Schuld an der Ermordung von Bauern, Arbeitern und Studenten, deren sterbliche Überreste in mehr als 4500 heimlichen Massengräbern im ganzen Land ruhen, zu vertuschen. Die wenigen, die dafür vor Gericht gestellt worden sind, haben milde Strafen von drei oder vier Jahren erhalten. Seit 18 Jahren fordern wir, dass Alan Garcia und die übrigen Verantwortlichen der Ermordung von mehr als 250 Gefangenen in den Gefängnissen El Frontón, Lurigancho und Callao vor Gericht gestellt und bestraft werden, und ebenso fordern wir, dass Fujimori und Montesinos für die Ermordung von 44 unserer Angehörigen im Gefängnis Castro Castro im Mai 1992 vor Gericht gestellt und bestraft werden. Wie in vielen anderen Fällen schützt die Staatsanwaltschaft die Massenmörder, insbesondere Alan Garcia und Fujimori, die dreist eine erneute Präsidentschaft anstreben. Auf diese Art versuchen der peruanische Staat und diejenigen, die ihn bei dieser Kampagne unterstützen, die dauerhafte Straflosigkeit der Massenmorde zu durchzusetzen.

Wenn wir, die Angehörigen der politischen Gefangenen und Verschwundenen Aktivitäten wie Grillfeste und Lotterien zur Beschaffung von finanziellen Mitteln organisieren, dann, um die mangelnde Versorgung und die Vernachlässigung der Gefängnisse durch die Regierung auszugleichen, wie zum Beispiel im Fall des Gefangenen Marco Antonio Abarca, der sich mit Krebs im Endstadium und ohne die notwendige Behandlung im Gefängnis Canto Grande befindet. Wir benötigen auch Geld, um Särge und Grabnischen für unsere im Gefängnis El Frontón ermordeten Angehörigen zu kaufen, deren Reste die Staatsanwaltschaft uns in Pappkartons, durcheinander gewürfelt und schlecht identifiziert, übergeben wollte, was wir verurteilen. Das Frauenministerium, zuständig für die Wohlfahrt, die die Friedhöfe verwaltet, lehnte unseren Antrag, uns Grabstellen für unsere Verwandten zur Verfügung zu stellen, ab, obwohl der Staat für ihre Ermordung verantwortlich ist.

Es ist falsch, dass unsere Angehörigen "Privilegien und Annehmlichkeiten" genießen, wie die Zeitung Correo böswillig verbreitete, und ebenso falsch ist es, was die Parlamentarierin Dora Nuņez über die politischen Gefangenen behauptet: "Sie erhalten Besuch von Personen ohne persönliche Dokumente, benutzen Stichwaffen, ich habe mich selbst davon überzeugt" (Peru 21, Dienstag, 8. November). Sie führen ein geordnetes Leben und respektieren voll und ganz die Autorität der Gefängnisverwaltung, und es ist weder ein "Auswuchs" noch verstößt es gegen das Gesetz, dass sie arbeiten oder Aktivitäten organisieren, um ihre Verteidigung vor Gericht zu bezahlen, auf die jeder Häftling ein Recht hat.

Die politischen Gefangenen fordern seit elf Jahren, dass die ernsten Probleme, die der interne Krieg hinterlassen hat, politisch gelöst werden, dass der soziale Groll überwunden und Gerechtigkeit geschaffen wird, die den Frieden und die Versöhnung ermöglichen, nach denen die Gesellschaft verlangt. Doch die Regierung, weit davon entfernt, sie anzuhören, fördert den Hass und den politischen Revanchismus gegen sie und hat vor, sie ins Gefängnis Piedras Gordas zu verlegen, ein faschistisches Gefängnis, dessen Bauweise gegen die Grundprinzipien der Rehabilitierung und Wiedereingliederung des Häftlings in die Gesellschaft verstößt.

Wir bringen unsere Empörung über diese neue psychosoziale Kampagne zum Ausdruck, mit der die Regierung des Herrn Toledo versucht, das Scheitern ihrer Amtsführung und Wirtschaftspolitik zu vrschleiern, eine Nebelwand zu errichten, um die drängenden sozialen Probleme wie die wachsende Arbeitslosigkeit und das Ansteigen der Lebenshaltungskosten zu überdecken, denn während sie die dringenden sozialen Anliegen unter anderem im Bildungs- und Gesundheitswesen ignoriert, bürdet sie dem Volk zunehmend Steuern auf und wendet immer mehr Geld für die Bezahlung der Auslandsschuld auf, - Geld, dass wir Peruaner niemals erhalten haben, sondern das von den wechselnden Regierungen gestohlen wurde -, um die Ausgaben des US-Imperialismus zu decken.

Daneben versuchen die Regierung und ein großer Teil der politischen Klasse, die mehrheitlich vom Volk abgelehnt wird, den gerechten Kampf der verschiedenen sozialen Bewegungen zu diffamieren und zu kriminalisieren, und das Volk einzuschüchtern, das gegen Vernachlässigung und Arbeitslosigkeit, für Demokratie, Entwicklung und einen gerechten Lohn kämpft, Kämpfe, mit denen wir uns voll und ganz solidarisieren.

Als Angehörige von politischen Gefangenen, Ermordeten und Verschwundenen lehnen wir die Antiterrorismusgesetze ab, die im letzten Jahrzehnt erlassen wurden und auf deren Grundlage unsere inhaftierten Verwandten angeklagt und verurteilt werden. Wir lehnen das System des Strafvollzugs von Fujimori ab, dessen Wiedereinführung angestrebt wird, und schließen uns einmal mehr der Forderung der politischen Gefangenen an, die Probleme, die der interne Krieg hinterlassen hat, politisch und auf umfassende Weise zu lösen, das Problem der Tausenden mit richterlichen Haftbefehlen und der Verschwundenen, der Witwen und Waisen zu lösen, dabei Hass und Groll beiseite zu lassen, Gerechtigkeit für alle zu schaffen, ohne jemanden auszuschließen, und so den Frieden und die nationale Versöhnung zu ermöglichen, die eine Notwendigkeit für die Mehrheit der peruanischen Gesellschaft sind. Wir rufen das peruanische Volk, die Basisorganisationen des Volkes, die Menschenrechtsorganisationen und alle Demokraten auf, uns bei diesem Ziel zu unterstützen.

Lima, 8. November 2004



Vereinigung der Angehörigen von politischen Gefangenen, Verschwundenen und Opfern des Völkermords (AFADEVIG)





Übersetzung aus dem Spanischen.