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Über die Übergabe der Reste der Opfer des Massakers in El Fronton

José Carlos Agüero


Fast alle Welt erinnert sich an den Fall von El Frontón, so dass es nicht notwendig ist, all zu viele Details auszubreiten. Es reicht, daran zu erinnern, dass mehr als Hundert Gefangene, angebliche Mitglieder von Sendero Luminoso von Vertretern des Staates illegal hingerichtet wurden, nachdem der Aufstand niedergeschlagen war, den die Gefangenen am 18. Juni 1986 begonnen hatten, und sie sich bereits ergeben hatten und im Gefängnishof unter Kontrolle der Armee waren. Der Zellentrakt wurde gesprengt und die Trümmer zerquetschten viele der Leichen. Doch die Notwendigkeit, das Vorgefallene zu verschleiern, führte dazu, dass einige Monate später die Leichen verbrannt und danach heimlich auf verschiedenen Friedhöfen der Provinz Lima begraben wurden. Und dort befanden sie sich bis vor einigen wenigen Monaten.

Die Untersuchungen

Der Fall wurde vom Militärgerichtshof untersucht, der die meisten der Mitglieder der Marine, die des Verbrechens beschuldigt wurden, freisprach.

Doch mehrere Jahre später verpflichtete der Interamerikanische Gerichtshof in zwei Urteilen den peruanischen Staat, die Reste der Opfer den Hinterbliebenen zu übergeben, sie zu entschädigen und das Verfahren wieder zu eröffnen, um die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

Somit befindet sich dieser Fall derzeit in der Etappe der gerichtlichen Voruntersuchung, für den die Sonderstaatsanwaltschaft für Verschwundene, illegale Hinrichtungen und Exhumierung von Massengräbern unter der Leitung des provisorischen Staatsanwalts Dr. Mario Gonzales zuständig ist. Seit mehr als einem Jahr führt die Staatsanwaltschaft - deren Leitung drei Mal gewechselt hat - Ermittlungen durch und hat die Leichen exhumieren lassen. Das Institut für Rechtsmedizin hat die Untersuchung der Reste vorgenommen. So weit, so gut.

Die Benachrichtigung

Vor einigen Wochen benachrichtigte die Staatsanwaltschaft die Hinterbliebenen der 31 Opfer in knapper Form, dass sie sich zwischen dem 6. und dem 12. Juli (nach einem Terminplan) im Zentralen Leichenschauhaus von Lima einfinden sollten, um die Reste ihrer Angehörigen, die demnach offensichtlich identifiziert waren, in Empfang zu nehmen. Das war alles.

Entgegennahme der Reste mit geschlossenen Augen

Die Staatsanwaltschaft und das Institut für Rechtsmedizin verlangen zu viel von den Angehörigen. Sie verlangen von ihnen, dass sie sich einfinden, um - laut der Nachrichtenmeldungen der letzten Woche in einem Pappkarton - befriedigt die Reste entgegenzunehmen, von denen man behauptet, dass sie identifiziert sind. Und dass sie blind darauf vertrauen, dass diese Reste die ihrer Angehörigen sind.

Diese Funktionäre merken nicht oder es interessiert sie nicht, dass die Hinterbliebenen in Fällen wie diesem nicht in erster Linie die sterblichen Überreste brauchen, sondern Gewissheit. Zumindest Gewißheit, so weit dies möglich ist. Und dass diese größtmögliche Gewissheit auf der Basis ihrer Beteiligung, der Öffentlichkeit, der technischen Fähigkeiten und des Zugangs zu Informationen aufbauen muss, und keine Sache von glauben sein kann.

Warum man nicht blind vertrauen kann

Lassen wir einmal die politischen Angelegenheiten beiseite, wie: Kann man den derzeitigen Justizorganen glauben? Kann man ihnen insbesondere in einem Fall wie diesem glauben, in den Vertreter des Staates als Verantwortliche verwickelt sind? Kann man der Staatsanwaltschaft in einem Fall, der politisch derart benutzt worden ist, glauben? Kann man provisorischen Staatsanwälten überhaupt glauben? Und eine lange Reihe von Etceteras.

Lassen wir all das beiseite, um über messbarere Dinge zu reden. Über Faktoren, die nicht unbedingt dazu ermutigen, den Untersuchungsergebnissen dieser Institutionen Glauben zu schenken:

- Die Staatsanwaltschaft und das Institut für Rechtsmedizin haben die anthropologisch-forensischen Untersuchungen ohne die aktive Beteiligung von unabhängigen Experten durchgeführt, die in komplexen Fällen wie diesem ein sehr wichtiger Faktor ist, wie die UNO in ihrem "Handbuch über effiziente Vorkehrungen und Untersuchungen bei illegalen, willkürlichen oder massenhaften Exekutionen" von 1991 und den "Prinzipien über effiziente Vorkehrungen und Untersuchungen von illegalen, willkürlichen oder massenhaften Exekutionen" von 1989 darlegt. Und das, obwohl einige Hinterbliebene formell die Beteiligung beantragt haben.

- Die Staatsanwaltschaft und das Institut für Rechtsmedizin haben diese Untersuchungen durchgeführt, ohne die Angehörigen (oder ihre Anwälte) angemessen über deren Fortgang zu informieren, ohne sie an ihren Erkenntnissen teilhaben zu lassen. Zu diesem Punkt heißt es im Handbuch der UNO:

"13. Rechte der Hinterbliebenen.
Wie der Grundsatz 16 feststellt, müssen die Familien des Toten und ihre rechtlichen Vertreter über jede Anhörung und alle Vorgänge rund um die Untersuchung informiert werden, zu ihnen Zugang haben und Beweise vorlegen können …"

- Es besteht Verwirrung über die Methode, mit der man zu einer Identifizierung gelangt ist. Aus den Pressemeldungen könnte man schliessen, dass eine DNA-Analyse vorgenommen worden ist. Was nicht stimmt.

- Mittlerweile weiß man, dass die Identifizierung der 31 identifizierten Opfer ausschließlich mit Methoden der forensischen Anthropologie erfolgt ist. Und in diesen Fällen ist die Information der Hinterbliebenen und die Offenlegung der technischen Vorgehensweise um so wichtiger. Das deshalb, weil der Grad der Gewissheit über die Identität an sich schon geringer ist (unabhängig von den technischen Fähigkeiten oder den Absichten des Experten). Und auch, weil die anthropologische Analyse für eine Identifizierung nicht unter allen Bedingungen möglich ist. Sie hängt grundlegend von vorweg verfügbaren Informationen (Voruntersuchungen) und dem Grad der Konservierung der Reste ab.

- Über diesen Punkt weiß man im spezifischen Fall von El Frontón aus indirekten Quellen - denn von den Behörden gab es keinerlei offizielle Information - dass die Reste extrem misshandelt, und unter anderem verbrannt wurden, bevor sie heimlich von Soldaten begraben wurden.

- Diese Situation erlaubt es nicht, das Vertrauen einzig auf die Anwendung von Methoden der physikalischen Analyse zu setzen, zumindest nicht ohne angemessene technische Informationen, die ihre Ergebnisse stützt, und ohne die unparteiliche Überprüfung von Experten, die von den Betroffenen beauftragt sind.

- Außerdem gibt es bis jetzt keinen technischen Abschlussbericht, der umfassend Aufschluss gibt über die angewandten Verfahren und die Art, wie die Schlussfolgerungen gezogen wurden, mit denen eine Beziehung zwischen den Resten und der Identität hergestellt worden ist. Darüber sagt das Handbuch der UNO:

"Innerhalb eines angemessenen Zeitraums muss ein Bericht über die Methoden und die Ergebnisse der Untersuchung erstellt werden. Der Bericht muss sofort veröffentlicht werden und in ihm müssen der Umfang der Untersuchung und die angewandten Verfahren und Methoden dargestellt sein ..."

Kurz, es gab keinerlei Zugang zu irgendeinem technischen Bericht, oder irgendeiner mündlichen oder schriftlichen Information über den Ablauf der Untersuchung, keinerlei Kontakt zu den Experten, die mit der Aufgabe befasst waren, und unter diesen Bedingungen ist es folglich nicht möglich, die Ungewissheit über die Identität und das Schicksal der Opfer auszuräumen.

Respekt

Die Art, wie die Untersuchungen durchgeführt worden sind, zeigt ein fehlendes Interesse der Funktionäre, sich korrekt zu verhalten. Man kann über dessen Ursache spekulieren, das ist eine andere Sache.

Bei derart komplexen und langwierigen Prozessen wie im Fall von El Frontón und vielen anderen aus der Zeit des bewaffneten Konflikts in unserem Land ist ein grundlegender Faktor der Respekt, die Anerkennung der Würde der Opfer und ihrer Angehörigen, die sich nicht nur auf Gesten und Phrasen (leere Symbole) beschränkt, wie Einige glauben, sondern sich in konkreten Tatsachen zeigt: in der Sorgfalt der Untersuchung, in der Anpassung an internationale Standards, im korrekten Verhalten, im Zugestehen der Beteiligung, in der horizontalen Kommunikation, in Beweisen der Unabhängigkeit, im offensichtlichen Einsatz aller Ressourcen, um zu verhindern, dass die Straflosigkeit über längere Zeit fortbesteht.

Die Exhumierung und die Identifizierung der Reste sind immer eine äußert komplizierte und heikle Angelegenheit. In diesen Fällen sollte man sich daran erinnern, das ebenso wichtig wie das Endergebnis (die vollständige Identifikation) der Prozess der Identifizierung ist. Die Angehörigen müssen sich allmählich Gewissheit über das Schicksal und die Identität der Opfer verschaffen (sie müssen allmählich die Ungewissheit hinter sich lassen). Sie müssen allmählich zu der Überzeugung gelangen, dass die Reste, die ihnen schließlich die Experten übergeben, die ihres Vaters, ihres Sohnes, ihrer Mutter oder ihrer Schwester ist, die vor vielen Jahren ermordet worden sind. Und dass sie diese folglich mit wahrhaftem Vertrauen entgegennehmen und beerdigen können.

Warten wir ab, was geschieht

Warten wir also, was sie tun. Der Staatsanwalt sagte, die Forderungen kämen zur Unzeit und hat seinen Terminplan für die Übergabe der Reste weiter umgesetzt. Die Mehrheit der Angehörigen werden die Reste nicht in Empfang nehmen.

Der Staatsanwalt hat gesagt, man dürfe die Angehörigen aufgrund der Einwendungen der Nicht-Regierungs-Organisationen nicht weiter warten lassen. Und auch, dass sie die Untersuchung durch unabhängige Experten im Verlauf des Gerichtsverfahrens beantragen können. Ich kann nicht für alle sprechen, doch als Sohn eines der angeblich identifizierten Opfer glaube ich, dass keine Eile besteht und wir auch noch einige Monate länger warten können, bis wir von den Ergebnissen überzeugt sind.

Ich denke auch, dass der Vorschlag, die Untersuchung durch unabhängige Experten in der folgenden Etappe, dem Gerichtsverfahren, zu beantragen, eine äußerst bizarre und hochgradige Respektlosigkeit ist. Das bedeutet, dass die Angehörigen heute in Empfang nehmen, was man ihnen gibt, ohne zu wissen, ob es sich um die Reste ihres Angehörigen handelt, dass die Leichen aufgebahrt und beerdigt werden und nach einigen Monaten wieder exhumiert werden, wobei die Möglichkeit besteht, dass die Ergebnisse anders ausfallen.

Ist das nicht ein allzu schlechter Scherz?

6. Juli 2004


Übersetzung aus dem Spanischen.

Quelle de Originaltextes: Indymedia Peru. 6. Juli 2004 (http://peru.indymedia.org/news/2004/07/9399.php)