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Er erkannte mich nicht als seine Mutter wieder

Lucinda G.

August 2005


Als ich verhaftet wurde, war ich seit einem Monat schwanger. Ich sagte nichts, denn sie hätten eine Fehlgeburt herbeiführen können. Ich weiß wirklich nicht, wie mein Sohn überlebt hat, denn gleich nach meiner Festnahme begannen sie in einem Kommissariat, mich zu schlagen, die Hände mit Handschellen gefesselt und den Kopf bedeckt mit meinem Pullover, sodass ich keine Luft bekam. Sie schlugen mich ohne Unterbrechung mit ihren Waffen. Ich muss von Dutzenden von ihnen umgeben gewesen seien, denn die Schläge hörten nicht auf, und sie vergewaltigten mich, als ich wegen der vielen Schläge fast bewusstlos war. Sie verdrehten mir die Finger der Hand, die Füße, es schien, als wollten sie mich vierteilen oder in Stücke reißen. Sie sagten zu mir: "Das ist erst der Anfang, noch bist du nicht bei der DINCOTE."

Ich weiß nicht, wohin sie mich brachten. Später erfuhr ich, dass es die berüchtigte Antiterrorismuspolizei DINCOTE war. Die ganze Zeit war mein Kopf mit meinem Pullover bedeckt, und meine Hände waren mit Handschellen gefesselt, während ich weiter mit Schlägen und Stößen misshandelt wurde. Als ich dort ankam, ließen sie mich stehen. Ich hörte eine Stimme: "Es sollen sich 100 vorbereiten, damit sie schön offen ist ..." Und er begann, mich brutal zu schlagen, gegen die Wand und auf den Boden zu werfen und spuckte mir ins Gesicht.

Heute sagt mein Sohn zu mir: "Mama, ich habe mich hart wie ein Stein gemacht." Ich glaube, es stimmt, denn es war furchtbar, dort die ganze Zeit körperlich und psychisch gefoltert zu werden. Sie holten mich um 7 Uhr früh und quälten mich bis 11 oder 12 Uhr abends. Ich bekam fünf Tage lang nichts zu essen. Nach 15 Tagen wurde ich in das Hochsicherheitsgefängnis von Chorrillos gebracht, wo man mir die Schwangerschaft bestätigte.

Doch die Folter hatte nicht aufgehört, denn wir waren 24 Stunden am Tag in einer vollkommen kahlen Zelle eingesperrt. Sie ließen nichts herein außer Hygieneartikel. Die einzige Mahlzeit erhielten wir irgendwann, um 4, 5 oder 6 Uhr nachmittags. Wegen meiner Schwangerschaft war es eine sehr schwierige Situation. Von Seiten der Behörden herrschte jederzeit eine vollkommene Gleichgültigkeit gegenüber meinem Zustand als werdende Mutter. Und zudem wurden die weiblichen Gefangenen im Oktober 1992 von einer Spezialeinheit der Polizei massakriert, wobei uns gesagt wurde: "Durchsuchung und Neuaufteilung". Doch es war ein brutales Massaker gegen wehrlose gefangene Frauen.

Sie hatten von Anfang an diese Absicht. Es stürmten Hunderte von vermummten Polizisten mit schussfesten Westen und klein- und großkalibrigen Waffen herein, warfen lähmende Gase und holten uns nacheinander aus den Zellen heraus. Von unserer Zelle aus hörten wir, wie sie unsere Mitgefangenen schlugen und massakrierten, die Schmerzenschreie, die höhnischen Bemerkungen, Beleidigungen und Schläge dieser Kriminellen, die speziell dafür ausgebildet worden waren. Zu uns sagten sie, "ihr seid der krönende Abschluss", "mit euch schließen wir ab", und so war es. Ich hörte, wie sie meine Mitgefangenen schlugen, an den Haaren zerrten und über den Boden schleiften, um sie aus den Zellen herauszuholen.

Ich lebte in der letzten Zelle mit sehr guten Genossinnen, die sich wegen meiner Schwangerschaft Sorgen machten, was mit mir passierte. Eine von ihnen hatte eine Schwester, die aufgrund der Folter eine Fehlgeburt erlitten hatte. Wir kamen an die Reihe und verließen ohne Widerstand die Zelle, doch ich sah wie sie eine der Genossinnen aus meiner Zelle vor sich hertrieben und auf sie einschlugen. Weiter vorn gab es ein Spalier von Männern, die mit uns eine Art Spießrutenlauf machten, während wir an ihnen vorbeiliefen. Das erinnerte mich an die Filme über die Konzentrationslager im Zweiten Weltkrieg.

Nachdem wir diesen "Spießrutenlauf" hinter uns gebracht haben, warfen uns andere Polizisten erneut unter Schlägen an der Seite unserer Mitgefangenen, die vor uns an der Reihe gewesen waren, auf den Boden. Danach liefen und sprangen einige von ihnen auf unseren Rücken herum und schlugen auf dem Boden weiter auf uns ein. Um mich als Frau zu demütigen, steckte mir ein Typ seinen Schlagstock zwischen die Beine. Die Schläge schienen kein Ende zu nehmen, sie hörten in keinem Moment auf. Es schien, als würden sie sich ablösen, auf jeden Fall schlugen sie die ganze Zeit auf uns ein. Wenn es aussah, als wäre alles zu Ende, hörten wir: "Die nächsten nach vorn".

Wir waren am besten dran, denn wir wurden als letzte herausgeholt und als erste wieder zurückgebracht. Sie begannen, uns mit Namen aufzurufen, um eine Leibesvisitation vorzunehmen und zurückzubringen. Als ich mich darauf vorbereitete, ihren Anordnungen zu folgen, spürte ich wie ein Typ auf mich zu rannte und mich aus purer Bosheit mit seinem Schlagstock gegen die Knöchel schlug. Ich war so wütend, dass ich ihn nur empört ansah.

Das war Grund genug, damit andere fünf oder sechs Polizisten sich näherten, mich umringten und begannen, auf mich einzuschlagen. Meine Genossinnen wollten wir helfen und verlangten, dass sie wegen meines Zustandes aufhörten, worauf auch auf sie Schläge mit dem Schlagstock einprasselten. Sie zwangen mich mit Schlägen in die Knie, doch ich weinte und stöhnte nicht, denn ich wusste, dass sie darauf aus waren, uns zu demoralisieren.

Endlich hörten die Schläge auf, ich passierte die Durchsuchung, und sie brachten mich in meine Zelle, all das unter weiteren Misshandlungen, Stößen, Schlägen. Eine ähnliche Behandlung erhielten die wenigen Sachen, die wir besaßen. Alles lag auf einem wilden Haufen, und die gute Kleidung war zerrissen und durchnässt. Sie hatten Wasser darüber geschüttet und alles beschmutzt und durcheinander geworfen, Lebensmittel, Kleidung, Teller, Schuhe, alles.

Wir begannen damit, unsere Zellen aufzuräumen, die Dinge in Ordnung zu bringen, während der Rest der Frauen die gleiche Behandlung erfuhr. Schließlich war alles zu Ende, und wir vergewisserten uns von unserer Zelle aus, denn wir waren bereits wieder eingeschlossen, wie es den Einzelnen ging. Krankenschwestern kamen und waren entsetzt über unseren Zustand. Ich hatte blaue Flecke am ganzen Körper und Beulen am Kopf und ruhte mich aus, weil mir alles wehtat. Als ich mich aufrichten wollte, konnte ich es nicht, mir ging es schlecht, ich brach zusammen. Erst nach zwei Tagen sah ein Arzt nach uns. Wir erfuhren, dass alle ohne Ausnahme Spuren von Schlägen am Körper hatten. Einigen ging es schlechter als anderen, doch alle waren brutal zusammengeschlagen worden. In dieser Woche erlaubten sie keinen Besuch von Anwälten und Angehörigen, denn obwohl diese in Besucherkabinen mit Trennscheibe stattfanden, hätten sie unseren Gesundheitszustand bemerkt. Einige Anwälte präsentierten eine Habeus-Corpus-Aktion, doch wie immer in diesen Fällen wurde sie abgelehnt.

Glücklicherweise passierte meinem Kind nichts, obwohl ich das bis zu dem Tag der Geburt nicht wusste, denn ich wurde in keinem Moment von einem Spezialisten untersucht. Es gab keine Ultraschalluntersuchung und gar nichts. Die Schwangerschaft wurde kein einziges Mal kontrolliert. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht, als die Fruchtblase platzte. Zum Glück nahmen sie mich am selben Tag auf und nahmen einige Tests und Untersuchungen vor, denn sie stellten Anomalien fest. Es gab keine größeren Komplikationen, obwohl es nicht leicht war. Im Gefängnis wurde ich erpresst, um meinen Sohn bei mir behalten zu können.

Sie schlugen mir vor, mich an das Reuegesetz zu halten, was Denunziation ist, eine Sache, die ich nie akzeptierte, und ich musste mich an die Situation anpassen: 231/2 Stunden am Tag eingeschlossen und eine halbe Stunde Hofgang, einen Liter warmes Wasser am Tag. Meine Mitgefangenen gaben mir von ihrer Ration, um das Baby mit warmem Wasser baden zu können und eine Wasserreserve zu haben, damit ich ihm warmes Wasser geben konnte. Sie wechselten sich ab, um die Windeln in der Zelle zu waschen und morgens und abends aufzuhängen und abzunehmen. Trotz des neugeborenen Babys gab es keinerlei Bereitschaft von Seiten der Behörden, die Bedingungen flexibler zu gestalten. Der ständige Einschluss machte sich bei ihm bemerkbar, die Kälte, der Zement schadeten seiner Gesundheit, und ich litt darunter, das Baby so zu sehen.

Die Behörden hielten sich bei den Bedingungen nicht an die elementaren Rechte. Sie legten eine Reglementierung fest, mit der alle Grundrechte des Kindes verletzt wurden: Es konnte nur drei Monate bei seiner Mutter sein, und danach drohten sie, es in ein Waisenhaus oder in ein Heim für verlassene Kinder zu bringen. Demzufolge war ich gezwungen, das Kind meiner Familie zu übergeben. Ich werde niemals den Moment vergessen. Vielleicht gibt es eine Mutter, die dies liest, und sie wird wissen, was es bedeutet, sein Kind wegzugeben. Sie brachten mich ins Büro, wo ich meinen Sohn zum letzten Mal in meinen Armen hielt, ich stillte ihn und war damit noch nicht einmal fertig, als sie mich drängten, ihn zu übergeben.

Ich vermisste meinen Sohn sehr, denn ich konnte ihn nicht sehen, weil meine Familie in der Provinz lebte und ihn dorthin mitnahm. Ich weiß nicht, was schmerzhafter war, dies oder als später mein Sohn zu Besuch kam und mich nicht als seine Mutter wieder erkannte.

Die Besuchsregelung für minderjährige Kinder legte eine Besuchszeit von 1 ½ Stunden alle drei Monate fest. Drei Monate, in der das Kind seine Mutter nicht sah, und für ihn war es logischerweise ein Schock, hierher zu kommen und die ganze Prozedur zu durchlaufen: Er konnte das Gefängnis nicht in Begleitung eines Angehörigen betreten sondern mit einem Polizisten, wurde durchsucht, was ihn erschreckte, und wenn er bei mir ankam, weinte er und wollte wieder weg. Wir weinten beide, bis er einschlief, und wenn er aufwachte, spielte ich mit ihm, und er fasste Vertrauen, doch immer am Schluss des Besuches verschwand all das wieder.

Eines Tages kam mein Sohn und weinte so sehr, dass ich entschied, er solle wieder gehen, um ihn nicht weiter weinen zu sehen. Daraufhin wurde er ruhig und sagte mir in seiner Kindersprache (er lernte gerade erst sprechen), "Chica, komm", und er rief mich, damit ich mit ihm käme, während ich hinter den Gittern zurückblieb. Diese Erinnerungen haben sich in mir für immer eingegraben, der Schmerz zu sehen, dass mein Sohn nicht verstand, wieso ich nicht mit ihm kommen konnte.

Eines Tages gab es zum Muttertag Besuch mit direktem Kontakt. Angesichts der Bitten und der Tränen meiner Schwiegermutter und meines Sohnes ließen sie beide herein. Mein Sohn weinte nicht. Natürlich dauerte es wieder, zu erreichen, dass er mich wieder erkannte. Dieses Mal dauerte der Besuch länger, meine Schwiegermutter half sehr mit ihrer Gegenwart und dem, was sie sagte. Danach kam er alle drei Monate und weinte nur noch, bis er mich sah.

Einmal, als er bereits größer war, sagte er sehr stolz zu mir, als er mich sah: "Mama, ich habe gar nicht geweint". Mein armer Sohn, er musste mit Gewalt hart werden durch das, was er erlitt, um seine Eltern zu sehen, denn ähnliche Situationen erlebte er, wenn er seinen Vater besuchte.

Situationen wie diese und schlimmere haben wir durch die Anwendung der Antiterrorismusgesetze erlebt, der monströsesten und schändlichsten Gesetze in der gesamten peruanischen Geschichte.

Ich schreibe diesen Bericht, damit die Welt die Wahrheit über diese Ereignisse kennt und über diejenigen urteilt, die eine Politik des Massenmords, des zwangsweisen Verschwindenlassens von Personen, der Folter und in diesem Fall einen infamen Plan der Reduzierung der Persönlichkeit, Isolation und systematischen und ausgeklügelten Vernichtung gegen die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen angewandt haben.


"Jeder, dem seine Freiheit entzogen ist, muss menschlich und mit Achtung vor der dem Menschen innewohnenden Würde behandelt werden."

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Art. 10, Abs. 1, 16. Dezember 1966.



Quelle: AFADEVIG - Asociación de Familiares de Presos Políticos, Desaparecidos y Víctimas de Genocidio (www.afadevig.org) (Vereinigung der Angehörigen der politischen Gefangenen, Verschwundenen und Opfern der Vernichtungspolitik des peruanischen Staates)

Übersetzung aus dem Spanischen



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