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SIE IST MEHR ALS 13 JAHRE IN HAFT UND WENN SIE GEHEN KANN, DANN NUR AUFGRUND IHRER WILLENSKRAFT

Zurück ins Leben

Mercedes Ríos Riviera
August 2005


Ich bin seit zwölf Jahren Haft und wurde mit verfassungswidrigen Gesetzen durch einen anonymen Richter zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Während ich in Untersuchungshaft war, wurde ich Zeugin der grauenhaften Ereignisse vom Mai 1992 im Gefängnis Miguel Castro Castro, wo unbewaffnete Gefangene ermordet wurden.

Im Folgenden möchte ich diese Ereignisse schildern, um der Klärung all der Tatsachen zu dienen, die von den Regierungen, Behörden und Medien verfälscht wurden. Was ich hier erzähle, entspricht der Wahrheit, es ist das, was ich erlebt habe.

Am 5. April 1992 verübte Fujimori einen Staatsstreich, um eine größere Zentralisierung der Macht in der Person des Präsidenten zu erreichen. Darum löste er das Parlament auf und berief eine verfassungsgebende Versammlung ein. Sein Ziel war es, den Krieg, der in Peru stattfand militärisch zu beenden, weshalb er es als eine Notwendigkeit ansah, einen Schlag gegen diejenigen zu führen, die er in Händen hatte, die politischen Gefangenen, und eine Politik der extremen Gewaltanwendung mit Tausenden von Toten anzuwenden.

Ich erfuhr von Gerüchten, die hauptsächlich von Fernsehsendern wie den Kanälen 2 und 4, Zeitungen wie "Expreso" und "Ojo", Zeitschriften wie "Caretas" und "Oiga", usw. verbreitet wurden, dass die Verlegung der Frauen in ein anderes Gefängnis geplant war. Doch wir wurden zu keinem Zeitpunkt, weder in mündlicher noch in schriftlicher Form, von dieser Absicht unterrichtet. Außerdem hatten sie eine regelrechte öffentliche Kampagne gegen die Gefangenen begonnen, in der behauptet wurde, dass in den Trakten 1A und 4B (wo die der Subversion beschuldigten und verurteilten Häftlinge untergebracht waren) das "Prinzip der Autorität" verloren gegangen sei, dass "die Häftlinge alles kontrollieren", dass " sie Waffen hätten ".

All das lässt sich leicht widerlegen, denn die Sicherheitsbeamten der Polizei kamen zweimal täglich in den Trakt, um die Anwesenheitsliste zu überprüfen, und führten ständig Durchsuchungen durch. Ein Beleg dafür ist, dass 20 Tage vor den schrecklichen Ereignissen Spezialeinheiten unter der Führung von Funktionären wie dem Gefängnisdirektor, Oberst Cajahuanca, eine Durchsuchung durchführten, die sie "Inspektion" nannten, und bei diesem Anlass ein Protokoll aufgesetzt wurde, in dem festgestellt wurde, dass in keinem der beiden Trakte Waffen gefunden worden waren. Dieses Protokoll wurde von den Behördenvertretern, den Delegierten beider Trakte und einem Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes, der bei der gesamten Durchsuchung anwesend war, unterzeichnet.

"Sie können ihm die Träume und die Augen herausreißen. Sie können ihn Schrei für Schrei vierteilen. Sie können ihn mit tödlichem Schlag kreuzigen: doch töten können sie ihn nicht!"
Aus dem Choral für Túpac Amaru von Alejandro Romualdo


Und so kam es, dass der Präsident von Peru, Alberto Fujimori, am 6. Mai 1992 seinen kombinierten Einsatzkräften (Streitkräfte und Polizei) befahl, das Gefängnis Miguel Castro Castro, insbesondere die Trakte 1-A und 4-B, wo sich die weiblichen und männlichen Gefangenen befanden, anzugreifen. Unter dem Vorwand, "das Prinzip der Autorität durchzusetzen", ermordeten sie kaltblütig 50 unbewaffnete Gefangene und verletzten mehr als 100. Und die Verletzten ließen sie ohne jede medizinische Versorgung verbluten. Mit diesem Verbrechen gegen die Menschlichkeit verletzten sie die Grundrechte, die jede Person hat, wie das Recht auf Leben oder auf Gedankenfreiheit, und setzten sich über internationale Abkommen hinweg, die der peruanische Staat unterschrieben hat.

Etwa um 4:30 Uhr früh schreckte ich durch einen durchdringenden Knall, der von einer Detonation herrührte, aus dem Schlaf. Sie hatten ein Loch in die Außenmauer unseres Innenhofes gesprengt, durch das Hunderte Angehörige von kombinierten Sondereinheiten einzudringen begannen und mit Maschinengewehrsalven die Fenster des Gebäudes beschossen, wodurch die Scheiben zersprangen. Ich musste Deckung suchen, um nicht von den Kugeln getroffen zu werden. Ich sah, wie die Kugeln in den Wänden einschlugen.

Gleichzeitig begannen sie Bomben mit Tränengas und Gasen, die Brechreiz und Lähmungen hervorrufen, zu werfen, die im wahrsten Sinne des Wortes das Gebäude erfüllten und bei uns Erstickungsanfälle verursachten. Es war unerträglich. Wir konnten nicht atmen. Augen und Nase brannten. Mehrere Gefangene wurden ohnmächtig, obwohl wir uns auf dem Boden legten, und uns mit Wasser, Essig und sogar Urin besprühten. Der Raum war voller Gas. Wir konnten einander nicht sehen. Ich verbrachte den Rest des Tages damit, mich von einem Ort zum anderen zu bewegen, um mich vor dem Angriff zu schützen, der ständig stärker wurde. Scharfschützen waren an verschiedenen Punkten rund um das Gebäude postiert und schossen bei der geringsten Bewegung, die sie wahrnahmen.

Auf dem Dach des dritten Stocks begannen sie mit Vorschlaghämmern Löcher in die Decke zu schlagen, um dort einzudringen. Durch die Öffnungen warfen sie Bomben, Granaten und beschossen uns mit Maschinengewehren. Dabei wurden mehrere Gefangene verletzt. Um die Wände einzureißen, warfen sie Instalaza-Raketen, die das ganze Gebäude erschütterten. Auf diese Art zwangen sie uns, im Erdgeschoss Zuflucht zu suchen. Doch sie griffen uns auch vom Hof aus an, sodass wir am Nachmittag des 6. Mai, als bereits mehrere Gefangene ermordet worden waren, begannen, durch die unterirdischen Versorgungsgänge, die beim Bau des Gefängnisses angelegt worden waren und die das Gefängnispersonal kannte, weil sie von dort aus die elektrischen Leitungen und die Wasser- und Abwasserrohre reparierten, in den Trakt 4B überzuwechseln. Um in den unterirdischen Gang zu gelangen, mussten wir über die Treppe nach unten, und es war riskant, sie zu benutzen. Dabei wurden mehrere Gefangene von Kugeln getroffen und verletzt oder getötet, bevor sie in den Trakt 4B gelangten. Die ganze Nacht über setzten sie die Demolierung des Trakts 1A fort. Am Donnerstag, den 7. Mai, begannen sie den Trakt 4B anzugreifen. Dort befanden sich mehr als 500 Häftlinge auf engstem Raum. Sie griffen von allen Seiten aus an: sie beschossen uns, warfen Tränengasbomben, Instalaza-Raketen, Granaten, Dynamit etc. Der Lärm war ohrenbetäubend. Sie begannen, Löcher in die Außenwände zu hauen.

Wir sprachen uns untereinander Mut zu. Es schien, als wäre das Ende gekommen. Wir versorgten und behandelten die Verletzten. Ich empfand großen Schmerz über diejenigen, die gestorben waren. Junge Menschen in der Blüte ihres Lebens, Mütter, die ihre Kinder nie wieder sehen würden, Väter, die eine bessere Welt für ihre Kinder gesucht hatten, waren tot. Wir verwandelten den Schmerz in Stärke und leisteten erbitterten Widerstand. Um uns gegenseitig zu unterstützen, sagten wir: Seid stark! Die Temperatur im Raum war sehr hoch wegen des Angriffs mit den Bomben. Wir hatten keine Lebensmittel. Das Wasser, das wir hatten, ging zu Ende.

"... voller Hoffnung und Mut leisteten wir weiter Widerstand und klammerten uns ans Leben ..."

Am Nachmittag des 8. Mai verließ eine Gruppe von vier Delegierten das Gebäude, um die Anwesenheit von Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes und der Amerikanischen Kommission für Menschenrechte zu fordern, damit sie für unser Leben garantieren, wenn wir das Gebäude verlassen, denn die Polizei forderte uns über ein Megaphon auf, herauszukommen, was wir inmitten eines derartigen Angriffes nicht konnten. Sie sagten, dass sie "unser Leben respektieren würden".

Was für eine Ironie! Wo sie bereits mehrere Gefangene ermordet hatten. Die Delegierten kamen nicht zurück. Später erfuhren wir, dass sie geschlagen und in Arrestzellen gesperrt worden waren. Am Abend verließ eine Gruppe von Gefangenen, darunter die älteren, das Gebäude. Wie die Delegierten wurden sie ebenfalls verschleppt. Wir forderten lautstark, dass sie das Leben der Schwangeren und der Verletzten respektieren sollten, dass sie sie herauslassen sollten, damit sie medizinisch versorgt würden. Sie sagten dies zu, doch als sie das Gebäude verließen, wurden sie beschossen, und es wurde ihnen nicht erlaubt, weiter als bis zum zentralen Innenhof vorzudringen, wo die Polizisten Kerosin rund um den winzigen Platz vergossen, auf dem sie sich befanden. (Sie blieben bis Samstagabend im Freien.)

Am Sonnabend, den 9. Mai, ging die Bombardierung weiter. Sie setzten die Demolierung des Gebäudes fort. Der Raum, in dem wir uns aufhalten konnten, wurde immer geringer. Die Mehrheit befand sich im Erdgeschoss. Die Einsatzkräfte warfen weiterhin Tränengasbomben und öffneten Löcher im Dach. Der Lärm war immer noch ohrenbetäubend. Voller Hoffnung und Mut leisteten wir weiter Widerstand und klammerten uns ans Leben. Um etwa 18:00 Uhr gelang es ihnen, die Rückwand des letzten Zufluchtortes, der uns geblieben war, einzureißen. Wir hatten keinen Platz mehr, wo wir Deckung suchen konnten. Wir beschlossen, das Gebäude zu verlassen und wussten, dass sie uns töten würden. Die Einsatzkräfte waren wie von Sinnen. Sie schrieen durch Megaphone, dass wir herauszukommen sollten.

Wir begannen das Gebäude zu verlassen und hielten uns dabei an den Händen. Ich sah, wie die ersten, die hinausgingen, beschossen wurden. Dabei starben Carlos, Violeta, Hugo, Yóvanka, Tito. Andere wurden schwer verletzt: Elvia, Margot, Victoria und ich. Auf den Dächern waren Scharfschützen postiert, die ohne Rücksicht auf unser Leben auf diejenigen von uns schossen, die auf dem Boden lagen. Ich wurde von zwei Kugeln getroffen (aus einem AKM-Schnellfeuergewehr, wie ich in Polizeikrankenhaus erfuhr), was einen komplizierten doppelten Bruch in meinem rechten Bein verursachte. Es war fast zerstört. Um mich herum lagen mehrere tote Gefangene.

Ich wurde ohnmächtig. Zwei Gefangene, die das Gebäude verließen, merkten, dass ich am Leben war, denn ich kam wieder zu mir und begann mich zu bewegen. Sie hoben mich auf ihre Schultern, um mich zum Ausgang zu bringen. Als wir uns auf das Eingangstor zu bewegten, sah ich auf dem Weg viele Gefangene auf dem Boden liegen, einige tot, andere verletzt. Was für ein Horror! Die Mehrheit von ihnen junge Menschen, die sich nach einer besseren Zukunft sehnten. Was für einen Schmerz fühlte ich! Doch ich fühlte auch Wut und sagte mir: Was für eine Ungerechtigkeit! Was für eine Grausamkeit! Was für ein Irrsinn!

Die Sondereinsatzkräfte schrieen und schossen von den Dächern. Auf dem Weg zur Metalltür, die aus dem inneren Bereich der Zellentrakte herausführt, beschossen sie uns, und einige von denen, die mich trugen, wurden getroffen und stürzten. Eine von ihnen wurde verletzt. Als wir auf dem Boden lagen, zielten sie mit ihren Waffen auf uns und schrieen uns an, dass wir kriechen sollten. Sie forderten uns drohend auf: "Verdammt! Kriecht, Scheißterroristen ...!" Ich konnte nicht, weil eines meiner Beine zerstört war. Einer mit einer gefleckten Kampfuniform fasste mich an den Haaren und begann mich zu schleifen. Ich schrie vor Schmerz. Sie tobten sich an den Verletzten aus, das habe ich am eigenen Leibe erfahren.

Sie ließen mich an einem Platz liegen, den sie "Niemandsland" nannten. Dort lagen bereits mehrere Gefangene auf dem Boden. Ich hörte, wie sie vor Schmerz klagten. Sie waren verletzt und erhielten keinerlei medizinische Versorgung.

Nach mehreren Stunden begannen weiß gekleidete Männer uns nach unseren Namen zu fragen. Ich hörte Elvia Sanabria antworten, und einer von ihnen sagte: "Ah, sie ist das!". Sie hoben uns in einen Krankenwagen. Mich warfen sie auf eine Liege und fesselten mir die Hände auf den Rücken. Ich fragte sie:" Wieso werde ich gefesselt?" Sie schrieen mich an, schlugen mir mit ihren Waffen auf den Rücken und drohten, mich umzubringen, wenn ich mich weiter schreie.

Ich hörte, wie Elvia Sanabria in den Krankenwagen gehoben wurde. Sie warfen sie neben mich, aber auf den Boden des Wagens. Sie begann sich zu beklagen: "Mein Bein! Mein Bein!" Sie schrieen sie an, dass sie ruhig sein soll. Sie sagte zu ihnen: "Diese Verbrechen werden nicht ungestraft bleiben." Sie verlangte nach Wasser. Sie gaben ihr keins. Sie sagte zu ihnen: "Ich könnte deine Mutter sein." Wir wussten nicht, wo sie uns hinbringen würden. Ich betone noch einmal, dass sehr viel Zeit verging, bis wir medizinisch versorgt wurden. Als wir im Polizeikrankenhaus ankamen, hörte ich, wie sie sagten: "Die ist kalt." Sie haben sie umgebracht, denn sie haben sie nicht rechtzeitig behandelt. Sie haben sie verbluten lassen, damit sie stirbt.

Alle Verletzten wurden ins Polizeikrankenhaus gebracht. Dort wurde kommentiert, dass sie uns schon seit mehreren Tagen erwarteten. Wir waren vollkommen isoliert, und dem Personal war es verboten, mit uns zu sprechen. Wir wurden zuerst in die Notaufnahme gebracht. Dort begannen sie zu selektieren. Die am schwersten Verletzten blieben, die anderen wurden zurück ins Gefängnis Miguel Castro Castro oder ins Gefängnis Chorrillos gebracht. Als sie mich untersuchten, sagten sie: "Ihre Lebenszeichen sind schwach. Sie bleibt." Sie machten mir die Fesseln los und begannen meine Hose aufzuschneiden. Dabei sagte jemand: "Dieses Bein ist zerstört." Auf einmal sah ich mehrere Ärzte und Krankenschwestern. Ohne Rücksicht auf meine Gefühle und meinen schlechten Zustand nahm einer von ihnen eine Vaginaluntersuchung vor.

Ich wurde erniedrigt, misshandelt, und das vor anderen Personen, die nichts sagten. Wir wurden vollkommen isoliert. Sie brachten uns in eine Abteilung, wo die Tuberkulosefälle behandelt wurden. In einen Saal waren alle Frauen, in dem anderen die Männer. Wir waren vollkommen nackt, ohne irgendwelche Kleidung. Wenn eine von uns zur Toilette ging, musste sie sich in das Bettlaken einwickeln. In der Tür eines jeden Saals befanden sich zwei Polizisten mit Waffen, um uns zu bewachen, die alles beobachteten, was wir taten. Wir waren in keinem Moment allein. Wir wurden rund um die Uhr streng bewacht. Wir hatten keinerlei Zugang zu irgendeinem Informationsmittel, sei es Radio, Zeitungen oder Zeitschriften.

Erst als es dem Internationalen Roten Kreuz gelang, Zugang zu erhalten, untersuchte uns Dr. Claudius und begann, uns Medikamente zu bringen und sie uns zu verabreichen. Dort starben wegen fehlender fachärztlicher Versorgung: María Villegas, Noemí Romero, Consuelo Barreto. Sie unternahmen nicht die geringste Anstrengung, uns angemessen zu versorgen, obwohl es sich um ein Krankenhaus mit Erfahrung in der Behandlung dieser Art von Schusswunden handelte. Ein Fall war der des Gefangenen Víctor Javier Olivos, der Tetanus bekam. Ich sah sehr viel Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit.

Ich beschuldige die Ärzte der Fahrlässigkeit, denn sie behandelten uns nicht und verletzten so den hippokratischen Eid, durch den sie sich verpflichtet haben, alle Kranken ohne Ansehen der Person zu behandeln.

Wir waren menschliche Wesen, die Hilfe brauchten, um nicht zu sterben, doch sie handelten nicht so. Der Arzt, der für uns zuständig war, verfügte nach 15 Tagen im Polizeikrankenhaus unsere Entlassung, obwohl er den ernsten Zustand kannte, in dem wir uns befanden, alle mit offenen Wunden, und ich brauchte eine Operation, denn ich hatte eine doppelte offene Fraktur und zwei große Wunden am rechten Bein. Die Behandlung der Wunde erfolgte mit Betäubung, weil sie so schmerzhaft war.

Dr. Claudius vom Internationalen Roten Kreuz hatte vorgeschlagen, dass ich keinen Gips bekäme. Er besorgte einen Spezialapparat, der den Gips ersetzte. Dieser bestand aus Schrauben mit zwei Stahlstäben. Diese Technik heißt externe Fixierung mit Verschraubung. Um sie anzubringen, brauchte ich eine Operation. Der Arzt des Polizeikrankenhauses wusste all das, doch er verfügte meine Entlassung. Zusammen mit den anderen verletzten Frauen wurden wir ins Hochsicherheitsgefängnis Chorrillos gebracht, ohne Rücksicht darauf, dass sie unser Leben in Gefahr brachten.

Im Gefängnis sprachen wir mit dem Direktor und dem Gefängnisarzt und beschwerten uns, wie es möglich ist, dass wir dort blieben, obwohl es weder eine geeignete Krankenstation gab, wo schwer verletzte Personen behandelt werden konnten, noch Medikamente für Notfälle. Es gab noch nicht mal Betten. Was sie vorhatten, war, uns in eine Zelle von zwei mal zwei Metern zu sperren, wo es nicht die mindesten hygienischen Bedingungen gab. Sie waren vollkommen ungeeignet. Die Betten sind aus Zement mit einer Latrine daneben. Es gab noch nicht einmal Laken. Nach dem Angriff im Gefängnis Miguel Castro Castro wurden die Überlebenden mit nichts weiter als den Kleidern, die sie am Leibe trugen, dorthin gebracht. Viele hatten noch nicht einmal Schuhe. Die (Gefängnisverwaltung) INPE stellten nur eine Matratze und eine Wolldecken zur Verfügung, weiter nichts.

Alle waren vollkommen isoliert. Ihre Angehörigen wussten noch nicht einmal, wo ihre Söhne und Töchter, Geschwister, Ehepartner waren. Sie hatten keinen Besuch und konnten keine Pakete empfangen. Wir warnten die Gefängnisleitung, dass wir sie zur Verantwortung ziehen würden, wenn uns etwas passierte. Der Gefängnisdirektor und der Gefängnisarzt lehnten es ab, uns aufzunehmen, und wir wurden ins Polizeikrankenhaus zurückgebracht. Das Personal, das sich um uns kümmerte, sagte uns, dass der Befehl von oben gekommen war. Sie wollten nicht, dass wir dort blieben. Ich wurde dreimal operiert. Sie brachten die Stütze an und mussten ein Transplantat in einer offenen Wunden machen, denn die Kugel hatte bei ihrem Austritt einen Teil des Muskels zerstört. Im Laufe der Zeit verlegten sie die Verletzten nach und nach in die verschiedenen Gefängnisse.

Nur Miriam (die eine Kugel in der Wirbelsäule hatte), Victor (dem sie die Ferse weggeschossen hatten und der an Tetanus erkrankte) und ich. Ich wiederhole meine Anklage, dass Fahrlässigkeit vorlag, es fehlte eine fachgerechte medizinische Versorgung. Bei mir wurde zwar die externe Fixierung angebracht, doch es hätte eine Transplantation im Knochen gemacht werden müssen, denn das Bein war um 5,1 cm verkürzt. Doch sie wurde nicht gemacht. Miriam ist aufgrund der Kugel in ihrer Wirbelsäule doppelseitig gelähmt. Die Tatsache, dass sie María Villegas, Noemí Romero, Consuelo Barreto und andere sterben ließen, die Nachwirkungen, an denen die Überlebenden bis heute leiden, die Misshandlung von Gefangenen, die schwer verletzt waren, sind Ausdruck dessen, wie dieser peruanische Staat seinen "Krieg ohne Gefangene" führte, wie er unter Verletzung von internationalen Abkommen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beging.

Ich erinnere mich noch an die bleichen Gesichter meiner Freundinnen, als wir dort in diesem Saal waren, wie sie mit den Tod kämpften und ihre Kraft allmählich erlosch. Einige lagen mehrere Tage lang im Sterben. Was für eine Machtlosigkeit, was für einen unermesslichen Schmerz fühlte ich! Wenn sie nur rechtzeitig behandelt worden wären! Ich möchte darauf hinweisen, dass es ähnliche Vorfälle in vielen Teilen des Landes gab: Morde, die Verschleppung und das Verschwinden von Personen, Folter etc. Ich möchte noch hinzufügen, dass ich all diese Jahre keine angemessene medizinische Versorgung erhalten habe, sowohl was Rehabilitationsmaßnahmen als auch die fachärztliche Kontrolle angeht, die ich benötigt hätte.

"In keinem Fall kann die Todesstrafe für politische Straftaten oder allgemeine Straftaten, die mit politischen in Verbindung stehen, verhängt werden."

Amerikanische Konvention für Menschenrechte (Kapitel 2, Art. 4, Abschnitt 4)

In Wirklichkeit wurde versucht, sie zu ermorden, ungeachtet ihres Status als Gefangene wegen eines internen Konflikts und des Grundsatzes, dass die Justiz das Gesetz durchsetzt und nicht die Polizei und die Armee.


Quelle: AFADEVIG - Asociación de Familiares de Presos Políticos, Desaparecidos y Víctimas de Genocidio (www.afadevig.org) (Vereinigung der Angehörigen der politischen Gefangenen, Verschwundenen und Opfern der Vernichtungspolitik des peruanischen Staates)

Übersetzung aus dem Spanischen



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