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Öffentliche Anhörung der Wahrheits- und Versöhnungskommission in der Stadt Huamanga


Aussage eines Zeugen des Massakers von Accomarca

8. April 2002


Mitglied der Kommission:

Meine lieben Brüder. Wir empfangen Euch mit Dankbarkeit, denn wir wissen, dass das, was Ihr erzählen werdet, immer noch schmerzhaft ist. Die Geschichte von Accomarca ist für alle Peruaner ein Symbol tiefen Schmerzes, großen Leids. Wir möchten, dass Ihr wisst, dass wir, dass ganz Peru das Leid kennt, das Ihr durchgemacht haben und immer noch durchmacht. Darum bitten Euch jetzt, Eure Aussage zu machen.

Aussage von Primitivo Quispe:

Geehrte Damen und Herren der Wahrheits- und Versöhnungskommission, geehrte Mitglieder der APRODEH, geehrte Vertreter der nationalen und internationalen Presse, geehrtes Publikum. Erlauben Sie mir, unter Ehrung der Wahrheit die Ereignisse zu schildern, die sich in meinem Dorf Accomarca zwischen 1983 und 1985 zugetragen haben.

Der Fall ist so, dass in den frühen Morgenstunden, etwa um 4:00 Uhr früh, des 3. September die Militärs, die in die Provinz Vilcashuaman stationiert waren, ungefähr zwölf Soldaten, mit keiner anderen Rechtfertigung als dass sie die Gegend nach Terroristen durchkämmten oder Terroristen verfolgten, also, etwa um 4:00 Uhr früh eine Razzia von Haus zu Haus machten. Dabei drangen sie in das Haus meines Bruders ein, der Lehrer war, der im Dorf Accomarca arbeitete, und töteten seine Frau, seine beiden Söhne und meine Tante. Meinen Bruder trieben sie auf die Straße, und auf der Straße ermordeten sie ihn. Danach kamen sie bei ihrer Suche in mein Haus, und, klar, kamen sie auch in mein Haus, wo ich zu der Stunde bereits wach war und den Lärm hörte, die Schritte der Militärs und das Durchladen ihrer Waffen. In dem Moment erschrak ich und floh durch das Fenster und ließ meine Mutter, meine Frau, meine Kinder und eine Cousine zurück. Nun ja, als sie merkten, dass ich flüchtete, begannen sie, hinter mir her zu schießen, und ich bekam noch größere Angst und flüchte aus dem Dorf, und dort, außerhalb des Dorfes, wusste ich nichts mehr von dem, was im Dorf passierte, weil ich wirklich den ganzen Tag nicht ins Dorf zurückgekehrt bin.

Später, am frühen Abend, begannen die Leute das Dorf zu verlassen, denn die Militärs hatten gedroht, alle umzubringen, wenn sie zurückkämen, und als sie mich trafen, erzählten sie mir, dass sie meine Familie umgebracht hatten, meine Mutter, bei mir zu Hause, meine Frau, meine Cousine und nur meine beiden Kinder übrig waren ... danach sind sie zu meinem Onkel und meiner Tante, beides alte Leute, Ehemann und Ehefrau, und haben sie auch umgebracht.

In den frühen Morgenstunden versammelten die Militärs die gesamte Dorfgemeinschaft auf dem Hauptplatz und rechtfertigten ihren Irrsinn damit, dass sie Terroristen ermordet hätten und befahlen, diese sofort zu begraben. Nun gut, die Leute waren voller Angst und haben sie sofort begraben, ohne Sarg, ohne alles. Nachdem das geschehen war, zogen sich die Militärs zurück und plünderten dabei unsere Häuser, nahmen alle Haushaltsgegenstände mit wie Radios, Kassettenrecorder, Taschenlampen, Schreibmaschinen. Am Schluss nahmen sie meiner alten Mutter dreißig Schafe weg. All diese Ereignisse hat in Wirklichkeit niemand angezeigt. Ich bin der einzige Überlebende dort in Accomarca. Klar, ein Teil meiner Familie, meine Verwandten, lebten in Lima. Ich habe einen älteren Bruder, der bis heute in Lima lebt und diese Fälle dort angezeigt hat, doch niemand hat ihm zugehört. Das war das erste Massaker im Dorf Accomarca. Von da an war Accomarca für die Militärs wirklich ein zentraler Punkt. Sie kamen zu jeder Zeit, stahlen, plünderten unsere Sachen, und die Leute lebten praktisch in ständiger Angst, und einige Bewohner gingen in andere Orte, besonders in die Hauptstadt, oder nach Ica oder so.

Ein anderer Fall, um wirklich zum Fall Accomarca, Accomarca und Llocllapampa, zu kommen. Llocllapampa ist eine Gegend, kein Dorf (...) immer, jedes Jahr nach der Ernte kommen sie herunter, um mit ihren kleineren Tieren wie Ziegen, Schafen oder so ihre Felder zu düngen, fast alle bis ... praktisch, bis die Zeit der Aussaat kommt. Dann, am 14. August, drange die Militärs, etwa 24 Soldaten, in die Gegend vor, sie kamen von zwei Seiten. Eine Gruppe wurde, wie man sagt, von Telmo Hurtado Hurtado befehligt, und die andere, von dem anderen Hauptmann oder Leutnant Rondon. Also, sie durchkämmten die Gegend, die Leute lebten praktisch jeder für sich in ihren Hütten. Es waren keine Häuser, sondern Hütten. Sie gingen von Hütte zu Hütte und trieben die Leute zusammen. Zusätzlich riegelten sie auch die Ortsausgänge ab, denn in ihrem Schreck flohen einige, vor allem die Jungen, als sie sahen, dass die Militärs kamen. Also gut, zurück blieben vor allem die Frauen, Kinder, Alten, Schwangeren. Also, sie versammelten auf einem zentralen Platz ungefähr 17 aus Llocllapampa, nicht wahr, unter dem Vorwand, dass sie eine Versammlung abhalten wollen, doch dabei gaben sie die ganze Zeit Schüsse ab. Nun gut, die Leute, die da geblieben waren, versammelten sich praktisch, ohne etwas zu ahnen, auf dieser freien Fläche und riefen etwas. Was mögen sie gefragt hatten? Ich war dort, doch ich zog mich in die Nähe eines Waldes zurück, von dort aus sah ich, wie sie unter anderem die jungen Frauen zu einem nahen Hügel schleppten, und andere haben dies auch aus ihren Verstecken gesehen, wie sie sie mitnahmen, um sie zu vergewaltigen, und wie sie schrieen. Nach alledem ließen sie sie in einer Zweierreihe antreten, in einer Reihe die Frauen und in einer anderen Reihe die Männer, und sie dirigierten sie zu zwei Häusern in etwa 200 Meter Entfernung. Dort trieben sie die Frauen und Kinder in ein Haus und in das andere Haus die Männer. Danach begannen sie auf die Häuser zu schießen und die Kugeln durchschlugen die Wände, danach warfen sie Bomben. Als sie Bomben warfen, begannen die Häuser sich zu entzünden, und auf die Art haben sie praktisch 69 Personen, Kinder, Alte, Frauen, zum Schweigen gebracht. Nachdem sie dies getan hatten, traten die Militärs etwa um 11:00 Uhr vormittags den Rückzug an. Sie zogen nach Accomarca, zum Dorf, auf eine Anhöhe. Auf dem Weg nach oben sahen sie eine Frau, es tauchte eine alte Frau auf, die sofort einen Eimer ergriff und Wasser holte, möglicherweise um den Brand zu löschen. Als sie dies sahen, schickten sie einen Soldaten, damit er diese alte Frau tötet. Als er ankam, ermordete er die alte Frau auch, ließ sie sich in eine Ecke setzen, fesselte sie mit einem Seil, so im Vorbeigehen, nicht nur, klar, die Militärs haben die Gewohnheit, immer zu plündern, zu stehlen ... klar ... zu vergewaltigen. All das ist wirklich in meinem Dorf passiert. Davon weiß niemand, es ist nicht bekannt. Warum haben sie sie ermordet? Ich glaube der Leutnant Telmo Hurtado Hurtado rechtfertigt sich damit, dass nicht …, dass unter ihnen Terroristen waren und dass sie Terroristen getötet haben. Also, so waren die Ereignisse von Llocllapampa, leider Gottes. Welche Schuld hatten diese Leute? Haben sie dort etwa Terroristen gefunden? Sie haben keine gefunden. Die Leute dort lebten von ihren Feldern. Sie glaubten, dass sie Terroristen waren, dass sie deshalb aus dem Dorf geflohen sind, haben sie gesagt. All das diente den Militärs als Rechtfertigung.

Danach haben sie auch in meinem Dorf ... es löste sich bereits auf, es gab keine Einwohner mehr, die Schule war nicht mehr in Betrieb, doch sie kamen weiter, mordeten weiter. Mehr als ein Dutzend Leute verschwanden, im Moment erinnere ich mich nicht mehr an ihre Namen. Es gibt eine Menge Verschwundene, sie haben weiter getötet. Von 9. bis zum 13. September, so etwa, haben sie weiter die Leute getötet, die sie fanden. Fanden sie zwei, brachten sie zwei um, fanden sie drei, brachten sie drei um, auf diese Art. Damals war mein Dorf wirklich ein Dorf, ich weiß nicht ... ein Dorf, das nicht zu Peru gehören schien, andere Leute vielleicht, sie wurden als Tiere betrachtet ... verstehen Sie, auf diese Art. So ist die Situation meines Dorfes, Accomarca. Danach, nach den Militärs, kam die Untersuchungskommission. Ich bin auch Lehrer. Ich habe in diesem Dorf gearbeitet. Doch zu dem Zeitpunkt arbeitete ich nicht mehr dort, sondern war woanders hin versetzt worden. Ich habe mein Dorf immer nur besucht, doch oft traf ich keine Leute mehr an. So war der Fall meines Dorfes Accomarca. Jetzt leidet mein Volk wirklich, es weint, es schwitzt Blut, wie man sagt, und es fordert, während die Schuldigen weiter frei sind, sie werden nicht vor Gericht gestellt ... mein Volk wird niemals vergessen, seine Wunden werden nicht heilen ... das ist es in groben Zügen.

Mitglied der Kommission:

Vielen Dank, ich glaube, dass Ihre Aussage ganz Peru dient. Es ist sehr wichtig, von Euch selbst über dieses Massaker, das geschehen ist, zu hören ... ich würde die anderen bitten ...

Die Stimme von Primitivo Quispe unterbricht das Mitglied der Kommission:

Ich möchte noch etwas hinzufügen. Nach drei Tagen wurden die Leichen von uns selbst beerdigt, so etwa zehn Personen. Wir fanden sie praktisch verkohlt, zerstückelt. Man musste sie mit der Hand greifen und in einem Massengrab beerdigen. Wir haben praktisch nur Teile der Körper gefunden. Sie hatten keine Arme mehr, sie hatten keine Beine mehr, so etwa. Das ist schlimm, ich glaube, dass es auf der ganzen Welt so etwas noch nicht gegeben hat, nichts ... so Ähnliches.



Quelle: Wahrheits- und Versöhnungskommission (http://www.cverdad.org.pe). Übersetzung aus dem Spanischen.