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DER FALL ACCOMARCA


"Die Bevölkerung dient der Unterstützung von Sendero ... um die Verwundeten zu versorgen ... um Unterschlupf zu gewähren und sie zu decken ... um die Kader zu erneuern ... der antisubversive Kampf muss verhindern, dass die Subversion die Bevölkerung für sich gewinnt ... und wie die Operation Huancayocc gezeigt wird, die roten Zonen auslöschen."

Erklärung von Sinesio Jarama vor dem Senat (17.9.1985)


Einige Tage nachdem Alan Garcia Perez im Jahre 1985 die Präsidentschaft übernommen hatte, erschütterte ein grauenhaftes Verbrechen Ayacucho. Die Ortschaft Accomarca in der Provinz Vilcashuaman bildete ein Szenarium, wo das Blut der Bewohner sich mit Kugeln, Feuer und Granaten der Militärs mischte. Das Massaker hinterließ 69 Tote, sowie für ihre Familien einen langen Weg, um Gerechtigkeit zu erlangen.

Die Ereignisse

Als er Informationen über die Präsenz von "Terroristen" in der Dorfgemeinschaft Accomarca (Vilcashuaman) erhielt, ordnete der Chef des politisch-militärischen Kommandos von Ayacucho, Wilfredo Mori Orza, die Erarbeitung eines Planes an, dessen Ziel die Gefangenennahme und/oder Vernichtung der terroristischen Elemente war, die in der Schlucht Huncayocc operierten. So wurde der so genannte "Plan Huncayocc" geboren.

In der Folge rückten am 9. August 1985 Mitglieder der Armee in San Sebastian in Huamanmarca im Bezirk Huambalpa ein, wo sie acht Personen ermordeten und außerdem ihre Häuser plünderten und anzündeten. In Lloclla, Huncayocc, Pitecc und Ahuaccpampa setzten sie ihre Überfälle fort. Auf diese Art hatten sie bis zu ihrer Rückkehr nach Vilcashuaman Seferino Baldeón Palacios, Pelayo Quispe Palacios und Cornelio Quispe Baldeón ermordet.

In den folgenden Tagen machten die Patrouillen der Armee mit ihren Übergriffen in Quinuas, Runcua und Pitecc weiter, wo sie mit anderen Patrouillen zusammentrafen, die aus Vilcashuaman und Huambalpa kamen. Daraufhin schlugen sie den Weg nach Accomarca ein, wo sie um 17:30 Uhr ankamen.

Am Morgen des 14. August stiegen die Patrouillen des Leutnants der Armee Telmo Hurtado Hurtado und des Oberleutnants der Armee Juan Riviera Rondon - bestehend aus etwa 25 Soldaten - nach Llocllapampa hinab, dass etwa drei Kilometer von Accomarca entfernt liegt. Unter dem Vorwand, eine Versammlung abhalten zu wollen, versammelten die Militärs 69 Bewohner aus dem zentralen Platz des Ortes.

Sie verteilten sie auf drei Häuser, nachdem sie Männer, Frauen und Kindern getrennt hatten. Die Männer schlossen sie in dem Haus von Cipriani Gamboa ein, die Frauen in dem Haus von Cesar Gamboa, und die Kinder brachten sie in das Haus von Rufina de la Cruz. Doch nach Aussagen von Zeugen, wurden die Frauen zuerst zu einem Bach getrieben, wo sie offensichtlich vergewaltigt wurden. Das schlossen die Zeugen aus den Schreien, die sie hörten, während sie sich hinter Büschen versteckt hielten.

Die Militärs beschuldigten die Bauern, Terroristen zu sein, da sie Hinweise hatten, dass in Llocllapampa zwei Schulungsgruppen und ein Versorgungslager von Sendero mit Munition, Lebensmitteln und Decken funktionierten. Danach begannen die Schüsse, und darauf folgte die Panik. Die Frauen schrieen verzweifelt, die alten Leute riefen um Hilfe, die Kinder weinten. Doch die Soldaten ließen nicht von ihrem Vorhaben ab, sondern zündeten im Gegenteil die Häuser an und warfen anschließend Handgranaten hinein.

Um 16:00 Uhr verließen die Soldaten das Dorf. Die Bewohner, denen es gelungen war zu flüchten, kehrten zurück und fanden ein grauenhaftes Bild vor: 39 Erwachsene und 23 Kinder ermordet.

Doch das Massaker war noch nicht zu Ende. In den folgenden Wochen wurden mehrere Zeugen des Massenmordes zu dem offensichtlichen Zweck, diesen zu verschleiern und die Verantwortlichen dem Zugriff der Justiz zu entziehen, ermordet.

So töteten Militärs am 8. September Brigida Perez Chavez und ihren Sohn Alejandro Baldeon, beide Zeugen des Massakers von Accomarca. Am folgenden Tag nahmen Soldaten der Kaserne von Vilcashuaman den 66-jährigen Martin Baldeon Ayala fest und brachten ihn zur Militärbasis von Vilcashuaman. Seine Ehefrau Paulina Pulido Palacios ging täglich zur Militärbasis, um ihm Essen zu bringen. Doch am 16. September wurde sie festgenommen. Beide tauchten nie wieder auf.

Die Untersuchung

Am 11. September 1985 bildete der Senat eine Untersuchungskommission unter dem Vorsitz von Javier Valle Riestra, um die Massaker von Pucayacu und Accomarca zu untersuchen.

Zwei Tage nach der Bildung der Kommission fand der Abgeordnete Fernando Olivera die Leichen von fünf Personen - noch ohne Totenstarre, blutend, durch Schüsse ermordet - in Nischen des Friedhofs von Cajamarca. Laut Zeugenaussagen von Viviana Baldeon Pulido waren Stunden vor der Ankunft der Untersuchungskommission Militärs in der Gegend aufgetaucht und hatten die Zeugen liquidiert.

Im Rahmen ihrer Untersuchungen sprach die Kommission mit dem Leutnant Telmo Hurtado in der Kaserne "Los Cabitos" (Ayacucho). Hurtado zeigte keinerlei Reue über das Geschehene und ging so weit, die Ermordung von Kindern damit zu rechtfertigen, dass die Indoktrination durch die Kommunisten in sehr jungen Jahren beginnt.

Am 12. Oktober legte die Untersuchungskommission ihren Abschlussbericht vor. Sie kam zu dem Schluss, dass im Fall Accomarca-Llocllapampa kein militärisches Vergehen, sondern ein gewöhnliches Verbrechen vorliegt, dass die wahrscheinliche Zahl der Opfer bei etwa 69 liegt und nicht nachgewiesen werden konnte, dass es Vergewaltigungen gab. Ferner wurde erklärt, dass es notwendig sei zu untersuchen, ob die Ausführenden auf Grund von mündlichen Befehlen gehandelt haben oder ob ihre Handlungen auf der Ausbildung beruhten, die sie erhalten haben.

Juristische Aktionen

Am 17. September eröffnete die Militärjustiz eine Untersuchung gegen den Leutnant Telmo Hurtado und andere Militärs wegen Amtsmissbrauchs und Mordes im Fall von 69 getöteten Zivilisten in Accomarca. Gleichzeitig leitete der speziell für den Fall eingesetzte Richter der Ziviljustiz ein Untersuchungsverfahren wegen vorsätzlichen Mordes ein.

Obwohl die Verantwortung der Militärs auf hoher und mittlerer Befehlsebene für das Massaker von Accomarca klar war - da es das Ergebnis der Politik des Staates unter der Führung des Präsidenten und der Befehlshaber der Armee und des Oberkommandos der Streitkräfte war - wurde nach einem Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom März 1986 der Fall der Militärjustiz übergeben. Diese Jurisdiktion sprach Telmo Hurtado von der Anklage des Mordes, der fahrlässigen Tötung und des Ungehorsams frei und verurteilte ihn lediglich wegen Amtsmissbrauchs zu sechs Jahren Gefängnis und zur Zahlung einer Entschädigung von 500 Soles an die Hinterbliebenen der Opfer. Der Rest der Militärs wurde freigesprochen.

Sieben Jahre später bestätigte der Oberste Militärgerichtsrat das Urteil und die Höhe der Entschädigungssumme. Zu diesem Zeitpunkt hatte Telmo Hurtado bereits den Grad eines Hauptmanns erreicht. Später, im Mai 1999, informierte die Presse, dass Hurtado in der 6. Militärregion des Heeres normal seinen Dienst versah und sogar zum Major befördert worden war.

Alle Reaktionen und Handlungen der Streitkräfte und des Präsidenten Alan Garcia selbst - der versprach, die antisubversive Politik zu ändern, dies jedoch nicht tat, wie die späteren Übergriffe und Verletzungen der Menschenrechte beweisen - waren darauf gerichtet, die Tatsachen zu verschleiern, und einen Sündenbock zu präsentieren - Telmo Hurtado -, der zwar Verantwortung in diesem Fall trägt, jedoch nicht der einzige Schuldige ist. Die Mitglieder der oberen und mittleren Kommandoebene der Armee, sowie alle, die an der Planung, Vorbereitung, Ausführung und Verschleierung dieses Verbrechens gegen die Menschlichkeit beteiligt waren, haben eine ungesühnte Schuld gegenüber der Justiz und der Nation.

Lima, 3. Februar 2005

APRODEH
Pressestelle


Quelle: Asociación pro Derechos Humanos - APRODEH (http://www.aprodeh.org.pe/notapress/notas/03feb2005i.htm). Übersetzung aus dem Spanischen.