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Das Strafrecht des Feindes und der Protest des Volkes

Crisanta Ccallata

Mit dem Ziel, die Kämpfe des demokratischen Weges des Volkes, das seinen wachsenden Protest zum Ausdruck bringt, zu stoppen, reagiert der peruanische Staat einmal mehr mit einer Verschärfung der Strafen und der Abschaffung der strafprozessrechtlichen Garantien, obwohl es sich um Unruhen handelt, die den Charakter von sozialen Kämpfen haben.

Diese Konzentration auf Bestrafung des Staates beruht auf dem Glauben, dass derartige Maßnahmen den ständigen, neu entflammten und fortgesetzten Kampf des Volkes für seine beschnittenen Rechten, sozialen Errungenschaften und Eroberungen eindämmen können. Sie ist Teil einer Konzeption, die Strafrecht des Feindes heißt, eine "Entdeckung" des Juristen Gunther Jacobs, der zunächst sagte, er habe die Existenz von außerordentlich drastischen Gesetzen entdeckt, die außerhalb des allgemeinen Strafrechts oder des bürgerlichen Rechts auf Personen angewandt werden, die die Gesellschaft als gefährlich betrachtet, weil sie auf die eine oder andere Art das bestehende Gesellschaftssystem in Frage stellen.

Renommierte Experten für Strafrecht wie der Professor Muņoz Conde warfen Jacobs jedoch vor, dass er keine Kritik aus einer demokratischen Perspektive an diesem Strafrecht des Feindes geübt habe. Der Kritisierte antwortete, dass er nur ein seit langem bestehendes Phänomen aufgezeigt habe und seine Kritiker lediglich auf den Überbringer der Botschaft zielten.

Seit dem Jahr 2000 hat sich Jacobs dann als ein Verteidiger des besagten Strafrechts des Feindes hervorgetan und gab damit in diesem Punkt seinen Kritikern Recht. In seinem Buch "Gesetz, Person und Gesellschaft" vertritt er, dass es Rebellen gibt, die sich ständig wie "Satan" verhalten, und dass diese als Unpersonen behandelt werden können und dürfen, dass sie gar wie Tiere behandelt werden sollten. Für diese Rebellen sollte es keine strafrechtlichen und strafprozessrechtlichen Garantien geben, und sie sollten nicht nur für das bestraft werden, was sie getan haben, sondern für das, was sie tun könnten.

Auf diese Art verwandelt sich das Strafrecht des Feindes von einem Strafrecht der Tatbestände zu einem Strafrecht des Täters, einem Strafrecht über zukünftige Taten.

Jacobs vertritt, in der Gesellschaft bestehe die Notwendigkeit, dass die Individuen das Gesetz achten, und die Verhängung von schweren Strafen für diejenigen, die er Unpersonen nennt, das heißt die Feinde, eine symbolische Botschaft für die Gesellschaft in dem Sinne haben soll, dass sie von der Relevanz der Straftat absieht und die Autorität des Gesetzes wiederhergestellt wird. Dieser Symbolismus der Wiederherstellung der Autorität des Gesetzes ist in Wirklichkeit eine Botschaft, mit der versucht wird, in den Menschen Angst hervorzurufen, in die "Klauen" des Staates und seines Sonderstrafrechts zu fallen, indem er den Blick auf die Strafe richtet, die dem Rebellen, dem Feind, auferlegt wird.

Im Strafrecht des Feindes werden Ausnahmegesetze festgelegt, die sich vor allen Dingen auf den sozialen Alarm stützen, den einige Ereignisse hervorrufen.

Dieser soziale Alarm wird zum Rohstoff der Legislative, die in vielen Fällen gleich der Exekutive ist, und die ihre Wachsamkeit gegenüber diesen Ereignisse, die ihn verursachen, hervorheben und Botschaften aussenden, dass die Strafen erhöht werden und die Feinde hart bestraft werden müssen, indem sie von Dingen sprechen wie einen Krieg oder einen Kampf gegen diese oder jene Form des Verbrechens. Und demzufolge werden den Angeschuldigten im Voraus die Unschuldsvermutung, den Status von menschlichen Wesen und alle durch das Gesetz festgelegten Garantien genommen.

Der konzentrierte Ausdruck des Strafrechts des Feindes ist die so genannte Antiterrorismusgesetzgebung. Vergessen wir nicht, dass in Peru im Kampf gegen diejenigen, die sich mit Waffen erhoben, von Anfang an Ausnahmegesetze angewandt wurden und ihnen das Recht auf einen ordentlichen Prozess genommen wurde, indem sie anderen als den allgemeinen Gerichten unterstellt wurden, was zunächst Militärgerichte und Richter ohne Gesicht waren und dann eine Reihe von Richtern erster und zweiter Instanz, die nur für den so genannten Tatbestand des Terrorismus zuständig sind. Und diese beinhalten Normen, die den Tatbestand, der als Straftat betrachtet wird, nur auf diffuse, unbestimmte Art beschreiben, weshalb die Richter nicht verpflichtet sind, auf der Grundlage von Beweisen zu urteilen sondern nur auf der Grundlage der Beweisführung der Polizei, die in der Praxis dazu in der Lage ist, Missbrauch zu treiben.

Bei dieser Straftat erfüllen die Strafen eine Funktion im Hinblick auf die Zukunft, indem die Personen nicht für das bestraft werden, was sie getan haben, sondern wegen ihrer Ideologie, wegen ihrer "Art zu sein" oder für das, "was sie machen könnten", entsprechend der Furcht der Gesellschaft, die von der staatlichen Propaganda angeheizt wird. Ein Beispiel für die Anwendung des Strafrechts des Feindes kann man in den Urteilen des so genannten "Megaprozesses" gegen die oberste Führung der PCP, bekannt als Sendero Luminoso, und der Revolutionären Bewegung Túpac Amaru, MRTA, sehen.

Eine andere Form des Strafrechts des Feindes, die angewandt wird, ist die Verschärfung der Strafen, die im Zusammenhang mit sozialen Protesten verhängt werden, um zu versuchen, den Kampf der regionalen Bewegungen, der Arbeiterklasse, der Lehrer, der Bauern, der Studenten etc. aufzuhalten. Unter anderem wurden Personen, die ausgewiesene Führer von sozialen Bewegungen sind, wegen Terrorismus angeklagt, und das einzig und allein, weil sie die Proteste des Volkes anführten.

In Wirklichkeit soll verhindert werden, dass die Armen, die von unten, protestieren oder dass in jedem Fall die Proteste ohne Unruhen, ohne das Erheben der Stimme und ohne die Einnahme der Straßen verlaufen. Doch die Wirtschaft des Landes wird vom bürokratischen Weg bestimmt und ordnet sich der Globalisierung und den Freihandelsabkommen unter, und die Tatsachen zeigen, dass der Kapitalismus, den der Imperialismus auf der halbfeudalen Basis vorantreibt, der bürokratische Kapitalismus, sich nicht um unseren Binnenmarkt schert und diejenigen unterdrückt, die im Rahmen des demokratischen Weges Initiative und Aktivitäten für den nationalen Markt entwickeln. Die Arbeitslosigkeit verstärkt sich und kommt zu der Jahrhunderte alten Unterdrückung der Bauern und des Proletariats hinzu. Wie soll sich also kein wachsender Protest des Volkes entwickeln?

Das Strafrecht des Feindes ist die Kriminalisierung der Armut, die Kriminalisierung des wachsenden Protestes des Volkes. Es ist das Strafrecht des Imperialismus.

Mai 2008



Quelle: Coordinadora Primero de Mayo
Übersetzung aus dem Spanischen




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