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Fujimori und der heimliche Pakt mit der APRA

Der Oberste Gerichtshof von Chile beschloss endlich, dass Alberto Fujimori nach Peru ausgeliefert wird. Der ehemalige peruanische Präsident wird verschiedener Verbrechen und der Korruption beschuldigt. Ein Tag nach dem Urteil der chilenischen Justiz kam Fujimori (am Samstag, dem 22. September) in Peru an und wurde im Sitz der Nationalen Direktion für Sondereinsätze der Polizei im Distrikt Ate (Lima) inhaftiert, wo er in einem komfortablen Raum mit eigenem Bad und außerdem einem Fernsehapparat und anderen Bequemlichkeiten untergebracht wurde. Dieses Gefängnis des ehemaligen Staatschefs, der mit Unterstützung der nordamerikanischen CIA und der Streitkräfte an die Macht gelangte, unterscheidet sich von den grabähnlichen Zellen, in denen seit zwei Jahrzehnten Hunderte von politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen inhaftiert sind. Sowie er in Lima gelandet war, drohte Fujimori über seine Anhänger in Lima damit, dass er "Videos verbreiten werde, deren Inhalt die gesamte Elite der peruanischen politischen Klasse in Bedrängnis bringen wird". Diese Drohung versetzte all jene in Schrecken, die sich als Moralapostel präsentieren, doch während des Regimes Fujimori im Sitz des Nationalen Nachrichtendienstes (SIN) ein und aus gingen, um Geld und politische Anordnungen in Empfang zu nehmen. Diese Videos, die Vladimiro Montesinos zwischen 1990 und 2000 aufnahm, zeigen derzeitige Minister, Parlamentarier, Journalisten, Richter bis hin zu dem bekannten Gesicht von Juan Luis Cipriani, dem derzeitigen Kardinal von Peru.

Die Frage, die sich alle Peruaner stellen, ist: Wer wird über Fujimori zu Gericht sitzen? Einige haben halb scherzhaft, halb im Ernst gesagt, dass das man Richter aus Chile importieren müsste, um einen korrekten Prozess in Peru durchzuführen. Wie man weiß, ist Alan Garcia Perez, der derzeitige Präsident von Peru, gleich oder schlimmer als Fujimori. Nach seiner katastrophalen ersten Regierungszeit flüchtete er wie ein gewöhnlicher Krimineller über die Dächer. Er suchte Zuflucht in Kolumbien und in Frankreich, und die Regierung leitete gegen ihn ein Auslieferungsverfahren wegen Korruption und Kriegsverbrechen ein. Alberto Fujimori verhandelte mit der APRA und die Drohung des Auslieferungsverfahrens verlief im Sande. Doch dessen ungeachtet hat Garcia bisher nicht für die brutalen Verbrechen, die während seiner Regierungszeit zwischen 1985 und 1990 begangen wurden, bezahlt. Da sind das ungelöste Verbrechen an 30 Gefangenen im Oktober 1985 und das an 300 Kriegsgefangenen im Jahre 1986 in drei Gefängnissen des Landes. Weiterhin ist die Rechnung offen für die selektiven Morde des Kommandos "Rodrigo Franco", dessen Gründung vom Regierungspalast und vom Innenministerium ausging, dem in dieser Zeit das Mitglied der APRA, Agustin Mantilla, vorstand. Garcia hat immer noch nicht für die Anschuldigungen der illegalen Bereicherung aus Staatsgeldern und der Hunderte von Verbrechen an Bauern und anderen Bürgern gerade gestanden. In Peru sagt man, "Zigeuner können sich nicht untereinander die Zukunft voraussagen", und der Streit unter Kriminellen wird mit dem Messer ausgetragen und nicht vor einem Richter.

Aus diesem Grunde hat eine peruanische Tageszeitung geschrieben, dass Alan Garcia Perez der Atem wegblieb, als er aus dem Fernsehen erfuhr, dass der Oberste Gerichtshof von Chile der Auslieferung von Fujimori zugestimmt hatte. In diesem Moment saß Garcia beim Frühstück und verschluckte sich fast an dem Stück Brot, das er im Mund hatte. Er ließ alles stehen und liegen und lief seine Minister suchen. Er konnte sich nicht erklären, wie die Auslieferung zustande gekommen war, hatte man ihm doch zugesagt, dass dies das Letzte sei, was passieren würde. Ihm kamen die geheimen Videos in den Sinn, die zeigen, wie Vladimiro Montesinos den offiziellen politischen Parteien Geld übergab. Die APRA war eine der Parteien, die heimlich Geld von Fujimori erhielt. Agustin Mantilla, Vizeminister und Innenminister der ersten Regierungszeit der APRA (1985 bis 1990), außerdem Privatsekretär von Alan Garcia, wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, als herauskam, dass Vladimiro Montesinos ihm "Spenden" zukommen ließ, um die Wahlkampagne der APRA im Jahr 2000 zu finanzieren. Mantilla wurde von Montesinos selbst im Sitz des Nationalen Nachrichtendienstes (SIN) gefilmt, als er die Hand ausstreckte, um ein Dollarpaket in Empfang zu nehmen.

Agustin Mantilla war der Sündenbock der APRA und nahm das "Märtyrertum" für Alan Garcia Perez auf sich, dem Hauptverantwortlichen für die Kungeleien zwischen der APRA und dem Fujimorismus. Im Gegensatz zu Mantilla, der vier Jahre im Gefängnis war (er kam 2005 auf Bewährung frei), konnte Alan Garcia mit Fujimori aushandeln, dass er für diesen Punkt nicht belangt werden würde, und so kehrte er 2006 sauber zurück, um sich ein zweites Mal im Präsidentenpalast niederzulassen. Die mafiösen und heimlichen Verhandlungen zwischen Alan Garcia Perez und Alberto Fujimori begannen, als letzterer Präsidentschaftskandidat war. Das war Anfang 1990 und der Nationale Nachrichtendienst stand unter dem Befehl des Generals Edwin ("Cucharita") Diaz, einem Vertrauensmann von Garcia Perez. Der Berater des Generals Diaz war niemand anderer als Vladimiro Montesinos, der auf Bitte von Garcia selbst und des Chefs des SIN beauftragt wurde, die undurchsichtigen Immobiliengeschäfte und die Steuerhinterziehung "in Ordnung zu bringen", die die Presse aufgedeckt hatte und drohten, die Karriere von Fujimori als Präsident zu blockieren, und ihn gar ins Gefängnis hätten bringen können. Das war der erste Handel zwischen Alan Garcia und Alberto Fujimori. Bei den Wahlen 2006 gewann Alan Garcia die Präsidentschaftswahlen mit Unterstützung der Stimmen der Parteien von Alberto Fujimori, und derzeit besteht die Mehrheit, auf die sich die APRA im Parlament stützen kann, aus den 13 Parlamentariern der "Allianz für die Zukunft" (AF), der Partei von Alberto Fujimori, die von Keiko Sofia Fujimori, der Tochter des inhaftierten Expräsidenten, angeführt wird.

Und so lässt sich schlussfolgern, dass diejenigen sich irren, die denken, dass Peru mit der Auslieferung von Alberto Fujimori einen juristischen und moralischen Reinigungsprozess erreichen kann. Nichts davon. Der Fall Fujimori zeigt im Gegenteil, dass das offizielle Peru eine Latrine ist, wo jeder gewöhnliche Kriminelle das höchste Richteramt der Republik erreichen kann. Eine Haftstrafe gegen Fujimori müsste sich auch auf alle seine politischen Komplizen und all jene Vertreter der Rechten und der Linken erstrecken, die ihn an der Macht hielten und diese Persönlichkeit, die aus den untersten Sphären der peruanischen Gesellschaft hervorgegangen ist, ermutigten, brutale Verbrechen gegen die Bevölkerung zu begehen. Seine Morde an politischen Gegnern beschränken sich nicht nur auf die Fälle "Barrios Altos" (1991) und die Universität "La Cantuta" (1992). Es sind sehr viele mehr, sie gehen zahlenmäßig in die Tausende, und es handelt sich nicht um einzelne Einheiten innerhalb eines brutalen Kontextes, in dem Peru unter seiner Herrschaft lebte. Keine Partei weder der offiziellen Rechten noch der Linken ist frei von Verantwortung für die Erschaffung des "Phänomens Fujimori", wie er 1990 überschwänglich genannt wurde. Die APRA, Acción Popular (AP), die Christliche Volkspartei (PPC) und all die Gruppen, aus der sich die legale Linke zusammensetzt, beteiligten sich mit Stimmen, Beratern, Ministern an der Etappe von Fujimori. Hier ist wirklich der juristische Ausdruck angemessen, dass es eine kriminelle Vereinigung gab, und sie waren direkte Komplizen der Korruption des Staates und der Verbrechen, die unter dem Fujimorismus begangen wurden. Zum Beispiel trugen die Gruppen der offiziellen Linken von Peru, die sich heute als Vorkämpfer für Gerechtigkeit und des Anti-Fujimorimus präsentieren, mit ihren Stimmen und ihrer Unterstützung 1990 zur Einsetzung von Fujimori bei. Ein Beispiel der Beziehung zwischen der Linken und Fujimori gibt Gloria Helfer Palacios, ein Mitglied der früheren Izquierda Unida (IU) und Bildungsministerin unter Fujimori. Sie sagte, als sie von Fujimori sprach, dass der peruanische Präsident "jemand sei, der sehr überzeugt von seinen Ideen ist, beharrlich und streng. Es gefällt ihm, Initiativen vorzufinden. Er ist sehr erneuerungsfreudig". (Gloria Helfer, Interview mit Mariella Balbi in der Zeitschrift "Viva", Dezember 1990). Henry Pease, Führer der Izquierda Unida (IU) und Präsidentschaftskandidat dieser Gruppe, sagte 1990, dass die Stimme für Alberto Fujimori eine Wiederaufnahme des Weges des Volkes sei und die Niederlage der peruanischen Rechten bedeuten würde.

Die Verletzung des Schutzes der Wohnung und Amtsanmaßung, illegale Telefonüberwachung, der betrügerische Kauf von chinesischen Traktoren, der betrügerische Kauf von Medikamenten, der Diebstahl von 15 Millionen Dollar und die Verantwortung für die Verbrechen von Barrios Altos im Jahre 1991, wo 16 Personen starben, und der Verschleppung und Ermordung von neun Studenten und einem Dozenten der Universität La Cantuta im Jahre 1992 sind die Anschuldigungen, die die peruanischen Richter erhoben und die Anlass für die Auslieferung von Fujimori gaben. Diese Anschuldigungen sind schwere Straftaten, doch sie sind nicht die schlimmsten Bluttaten und Akte der Korruption, die unter dem Regime Fujimori begangen wurden. Es gibt andere Fälle abscheulicher Verbrechen, die zweifellos absichtlich im kriminellen Repertoire von Fujimori vergessen wurden. Zum Beispiel die Ermordung von 100 politischen Gefangenen im Mai 1992. Das Verbrechen an 14 Mitgliedern eines Kommandos der MRTA (Movimiento Revolucionario Tupác Amaru) in der japanischen Botschaft vom 22. April 1995 bei der Durchführung der Operation "Chavín de Huantar". Die Verschleppung, Folter und Ermordung von Hunderten von Gefangenen in den Kellern des Nationalen Nachrichtendienstes (SIN). Die Verschleppung und Ermordung von mehreren Hunderten Schülern und Studenten im Zentrum von Peru (Huancayo) zwischen 1991 und 1992. Das Massaker an Bewohnern der Armenviertel von Lima, das den Mitgliedern von "Sendero" angelastet wurde. Die blutigen Operationen der Armee in der Region Alto Huallaga, die Hunderte von Bewohnern der Region das Leben kostete. Es ist offensichtlich, dass die Anschuldigungen gegen Fujimori nicht darauf abzielen, einen Kriminellen zu bestrafen, sondern eine Nebelwolke über die schwere Verletzung von Menschenrechten auszubreiten und den Weg frei zu machen für einen Präzedenzfall der Straffreiheit für massive Verbrechen gegen die peruanischen Bevölkerung.


Luis Arce Borja
25. September 2007


Quelle: Indymedia Peru (http://peru.indymedia.org/news/2007/09/36003.php). Übersetzung aus dem Spanischen



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