Jose Carlos Mariátegui      PERU KÄMPFT
UNA PUBLICACION DEL CIRCULO DE TRABAJO MARIATEGUI  EN ESPAŅOL Y ALEMAN
Peru kämpft
Nr. 5
FRAGEN DES MARXISMUS-LENINISMUS-MAOISMUS:

KEINE KOMPROMISSE?

Im September 1993 rief der Vorsitzende Gonzalo, Chef der Kommunistischen Partei Perus zum Kampf für ein Friedensabkommen mit der peruanischen Regierung und zur Schaffung von Voraussetzungen für einen 2. Parteitag auf. In weitergehenden Dokumenten bezeichnet er das Friedensabkommen als einen notwendigen Schritt zur Bewahrung der Errungenschaften und zur Weiterentwicklung der Revolution.

Es ist eine Tatsache, daß in der Geschichte der proletarischen Weltrevolution Kompromisse mit dem Gegner eine wichtige Rolle gespielt haben. Lenin sag-te einmal, es sei kindisch zu glauben, die Revolution könne sich in einer ununterbrochenen Aufwärtsbewegung entwikkeln, ohne je einen Schritt zurück zu tun. Das Auf und Ab der Revolution ist bedingt durch die Konterrevolution die sich ihremVormarsch entgegenstellt und sie aufhält oder zurückdrängt. Die wirklichen Revolutionäre sind jene, die weder die Augen vor den Schwierigkeiten des Weges verschließen noch sich dadurch von ihrem Ziel abbringen lassen.

In der folgenden Artikelserie wollen wir untersuchen, wie die großen kommunistischen Führer die Politik des Kompromisses angewandt haben und zur Weiterentwicklung der Revolution auszunutzen wußten. Dabei geht es uns nicht darum, mechanistische Vergleiche zwischen früheren Situationen und der derzeitigen Lage in Peru anzustellen. Vielmehr erscheint es uns wichtig klarzumachen, daß ein Kompromiß nicht gleichzusetzen ist mit Kapitulation und Verrat, wie es der kleinbürgerliche, linksradikale Flügel der kommunistischen Bewegung seit jeher vertreten hat. Er dient im Gegenteil der Sache der Revolution und des Volkes, wenn er auf einer korrekten Analyse der konkreten Situation basiert, und ist häufig das einzige Mittel, zu einer Weiterentwicklung oder zum Abwenden einer drohenden Niederlage.

DAS FRIEDENSABKOMMEN VON TSCHUNGSCHING

Ein sehr lehrreiches Beispiel des Kompromisses mit dem Feind, auf das der Vorsitzende Gonzalo des öfteren verwiesen hat, ist das Friedensabkommen von Tschungsching zwischen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCH) und der reaktionären chinesischen Kuomintang-Regierung aus dem Jahre 1945. Er kam zustande aufgrund einer richtigen politischen Analyse der Situation kurz vor Beendigung des antijapanischen Krieges, die sich in den Beschlüssen des 7. Parteitages der KPCH im April 1945 niederschlug. Zu dem Zeitpunkt hatten in Europa die alliierten Truppen den Feind bereits überrollt und der Angriff auf Berlin hatte begonnen, so daß die endgültige Niederlage der Hitlerarmee nur noch eine Frage von Tagen war. Das mußte sich notgedrungen auf die Lage in China auswirken. Dort hatte die Politik der antijapanischen Einheitsfront zu einer erfolgreichen Entwicklung des Widerstandskrieges geführt, große Gebiete waren bereits befreit und die japanischen Aggressoren geschwächt.

So stand im Zentrum des 7. Parteitages die Frage, wie die Revolution nach dem Sieg über die Japaner fortzusetzen sei. Der KPCH war es in über 8 Jahren Widerstandskrieg gelungen, revolutionäre Stützpunkte in vielen Teilen des Landes zu erobern und eine mächtige Volksarmee aufzubauen. Ihr Einfluß im Volk war beträchtlich, doch noch war sie nicht in der Lage, die reaktionäre Regierung Tschiang Kai-scheks endgültig zu stürzen. Zudem war abzusehen, daß diese nach dem Sieg über die Japaner einen landesweiten Bürgerkrieg plante, um die Revolution zu vernichten. Es ging darum, die in der antijapanischen Einheitsfront zusammengefaßten Kräfte für die Revolution zu gewinnen. Der Vorsitzende Mao Tse-tung schlug daraufhin die Politik des Friedens, der Demokratie und des Zusammenschlusses vor, deren Anwendung zum Ende der Einparteiendiktatur der Kuomintang und zur Bildung einer Koalitionsregierung aller demokratischen Parteien und parteilosen Persönlichkeiten führen sollte. Als Grundlage der Einheit unterbreitete er ein politisches Programm, das den friedlichen Aufbau des Landes und die Rechte des Volkes garantieren würde. Aufbauend auf den Forderungen des Gründers der Kuomintang, Sun Yat-sen, berücksichtigte es die Interessen aller antifeudalen und antiimperialistischen Kräfte und war identisch mit dem Programm der neudemokratischen Revolution der KPCH. In dem daraus entwickelten konkreten Programm wurden als wesentliche Punkte die Durchführung von freien Wahlen, die Vereinheitlichung des Staatsgebietes unter Beibehaltung der örtlichen Selbstverwaltung und der Zusammenschluß der Streitkräfte von Kommunisten und Kuomintang in einer nationalen Volksarmee unter Führung der Koalitionsregierung angeführt.

Die nachfolgenden politischen Ereignisse bestätigten die Prognose des Vorsitzenden Mao. In Europa ging der 2. Weltkrieg im Mai 1945 mit der Kapitulation der Deutschen zu Ende. Die Potsdamer Konferenz der Siegermächte forderte kurz darauf im Juli 1945 Japan zur Kapitulation auf. Am 8. August trat die Sowjetunion in den Krieg ein. 2 Tage später schloß sich ihr die Mongolei an, und sie nahmen den Kampf gegen die Japaner in Nordostschina auf, wo sie den japanischen Elitetruppen der Guandong-Armee eine entscheidende Niederlage zufügten. Gleichzeitig fielen am 6. und 10. August 1945 die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Schließlich schickte die japanische Regierung am 10. August ein Angebot der Kapitulation an die Alliierten. Die chinesische Regierung fühlte sich berufen, die Kapitulation der Japaner in China allein entgegenzunehmen, obwohl die Hauptlast des Krieges und der Verdienst des Sieges dem chinesischen Volk unter Führung der KPCH zukam, während sich Tschiang Kai-schek mit seinen Truppen in die Berge zurückgezogen hatte. Nach dem Sieg sprach er den Kommunisten und ihren Streitkräften jegliche Legalität ab und erklärte sie zu Volksfeinden. Anstatt die Entwaffnung und Gefangennahme der japanischen Truppen zu betreiben, befahl er die Einstellung der Kampfhandlungen gegen Japan und verstärkte seine Angriffe auf die befreiten Zonen. Teilweise schloß er sich dazu mit den japanischen Truppen zusammen, eine Politik, die er als das "Erreichen des Zieles auf Umwegen" propagierte. Das Land sah sich von einem Bürgerkrieg bedroht.

Die KPCH erließ an ihre Truppen den Befehl vorzurücken, so viel Territorium wie möglich zu besetzen und die Japaner zur Übergabe ihrer Waffen zu zwingen. Gleichzeitig hielt sie ihr Angebot zur Bildung einer Koalitionsregierung aufrecht und trat den Angriffen der Kuomintang mir einem Selbstverteidigungskrieg entgegen.

Die politische Lage Tschiang Kai-scheks komplizierte sich damit. Er sah sich dem Widerstand des Volkes in den befreiten Gebieten und dem Druck der nationalen und internationalen öffentlichen Meinung ausgesetzt. Daraufhin blieb ihm nichts anderes übrig, als auf den Vorschlag der KPCH einzugehen. Er schickte ihr am 14., 20. und 23. August 3 Telegramme, in denen er sie zu Friedensverhandlungen nach Tschungsching einlud, und erkannte sie damit faktisch als gleichwertigen Verhandlungspartner an, was allein schon ein politischer Sieg war. Am 28. August 1945 reiste eine Delegation der KPCH unter der Führung des Vorsitzenden Mao nach Tschungsching. Die Gespräche dauerten 43 Tage und am 10. Oktober 1945 wurde ein Friedensabkommen unterzeichnet.

Es legte als grundlegenden Kurs den friedlichen Aufbau des Landes und die Politik des Friedens, der Demokratie und des Zusammenschlusses fest, um so zu einer Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte des Landes zu kommen und den Bürgerkrieg zu verhindern. Die KPCH machte wichtige Zugeständnisse an die chinesische Regierung. Unter anderem übergab sie 8 revolutionäre Stützpunkte, um die Unterzeichnung des Abkommens zu sichern. Damit erreichte sie, daß das auf dem 7. Parteitag beschlossenes Programm der demokratischen Revolution im Wesentlichen übernommen wurde. Das Abkommen garantierte wichtige Rechte des Volkes wie die Glaubens-, Rede-, Presse-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit, die Auflösung der Geheimdienste, die Durchführung von Verhaftungen, Verhören und Gerichtsprozessen ausschließlich durch die Polizei und Justiz, die Freilassung der politischen Gefangenen und die Zusicherung der örtlichen Selbstverwaltung und aktiver Wahlen von unten nach oben. Zur Durchführung des Friedensabkommens sollte eine Konsultativkonferenz aus Vertretern aller demokratischen Parteien und Gruppen, sowie parteilosen Einzelpersonen gebildet werden. Jedoch in zwei zentralen Fragen kam es zu keiner Übereinstimmung, nämlich in der Legalisierung der Streitkräfte und der Machtorgane des Volkes. Zwar erklärte sich die chinesische Regierung mit der Demokratisierung des politischen Lebens und der Nationalisierung der Streitkräfte einverstanden, doch im Verlauf der Verhandlungen wurde klar, daß sie darunter die Unterwerfung der Machtorgane und der Armee des Volkes unter ihre Führung verstand. Die KPCH dagegen schlug die Besetzung des Miltärrates mit Vertretern aller demokratischen Kräfte vor, woraufhin dieser über eine Reorganisation der Streitkräfte, ihre Reduzierung, die Organisierung einer Volksmiliz in örtlichen Selbstschutzabteilungen und die Verbesserung der Truppenversorgung befinden sollte. Bezüglich der Machtorgane des Volkes vertrat sie die Position, daß diese sich zunächst provisorisch aus Vertretern aller demokratischen Parteien und parteilosen Persönlichkeiten zusammensetzen sollten, um danach in freien Wahlen neu gebildet zu werden. Schließlich wurde beschlossen, bis auf weiteres, den Status quo beizubehalten und die Lösung dieser Probleme der Konsultativkonferenz zu übertragen.

Nach der Unterzeichnung des Abkommen zeigte sich sehr bald, daß die chinesischen Regierung keinerlei Absicht hatte, es einzuhalten. Noch während die Verhandlungen liefen, setzte sie ihre Angriffe auf die befreiten Gebiete fort. Ende September 1945 startete sie eine große Offensive in verschiedenen Teilen des Landes. Die KPCH nahm die Verteidigung der befreiten Gebiete auf und ihre Truppen brachten den Vormarsch des Feindes zum Stillstand. Es war offensichtlich, daß Tschiang Kai-schek nicht von seinen Bürgerkriegsplänen abgelassen hatte, sondern das Friedensabkommen dazu benutzte, Zeit für den Abschluß seiner Vorbereitungen zu gewinnen. Zu diesem Zweck berief er im Januar 1946 die Konsultativkonferenz mit Beteiligung der KPCH und anderer demokratischer Parteien ein, die am 10. Januar einen Waffenstillstand beschloß. Die chinesische Regierung brach diesen nach kurzer Zeit, indem sie in der ersten Hälfte des Jahres 1946 die revolutionären Stützpunkte an vielen unterschiedlichen Punkten angriff. Im Juni schließlich glaubte Tschiang Kai-schek, stark genug zu sein, um die kommunistischen Truppen innerhalb von 3 bis 6 Monaten vernichtend schlagen zu können, und begann eine Großoffensive gegen die befreiten Gebiete im ganzen Land. Damit war der allgemeine Bürgerkrieg Wirklichkeit geworden. Die Volksbefreiungsarmee trat trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit den Angriffen entschlossen entgegen und schlug sie in acht Monaten harten Kampfes zurück. Danach begann sie ihre Gegenoffensive, die 1949 mit der Machtübernahme im ganzen Land endete.

Die doppelte Politik Tschiang Kai-scheks trug entscheidend zu seinem Sturz bei. Zum einen sah er sich durch die Friedensverhandlungen gezwungen, den Status quo mit der KPCH anzuerkennen, und seine Kampagne des psychologischen Krieges gegen die "kommunistischen Verbrecher" verlor ihre Wirkung. Zum anderen wurde deutlich, daß das Programm der KPCH die Interessen des breiten Volkes vertrat und die Politik des Friedens, der Demokratie und des Zusammenschlusses fand ein positives Echo. Tschiang Kai-schek dagegen entlarvte sich selbst als Kriegstreiber, und damit wurde deutlich, daß der Krieg vonseiten der KPCH ein gerechter Krieg der Selbstverteidigung war. Unterstützt wurde dies durch die beispielhafte Anwendung des Programms der demokratischen Revolution im Aufbau der revolutionären Stützpunkte, die in scharfem Kontrast zu der volksfeindlichen und proimperialistischen Politik der Regierung stand. Hinzu kam eine Intensivierung der Propaganda. So wurden Kampagnen gegen Kriegsverbrecher, Vaterlandsverräter und Geheimagenten, sowie für die Senkung der Pacht und der Zinsen im ganzen Land durchgeführt. Diese richtige Politik hatte ihre Auswirkungen auf den unentschiedenen Teil der Bevölkerung vor allem des städtischen Kleinbürgertums und der nationalen Bourgeoisie im ganzen Land, insbesondere auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten. Es kam zu Aufständen wie dem Studentenaufstand von Kunming im November 1945, der von der chinesischen Regierung am 1. Dezember blutig niedergeschlagen wurde. Die zunehmende Zersetzung des feindlichen Lagers äußerte sich unter anderem darin, daß ganze Truppenteile des Kuomintang geschlossen zur Volksbefreiungsarmee übergingen.

Das Friedensabkommen erwies sich auf diese Art als ein entscheidender Schachzug zur Festigung und Ausweitung der Einheitsfront als Vorbereitung der Konteroffensive.